Dschungel Camp / Camp in the jungle
03.10.2015 Luang Namtha / Laos / N21°00’09.3“ E101°24’36.8“
Ein kühles Bier in der Hand. Auf einem Stapel Holz sitzend. Um uns herum Kinder, die Aufmerksamkeit aus uns heraus kitzeln. Sie kaspern, sie schupsen, sie machen Quatsch miteinander. Eine kleine Vorführung für uns, die wir mit der Nachmittagssonne herein geschneit sind. Nach einer Tageswanderung durch den Dschungel sind wir in diesem Dorf gelandet, vollkommen durchgeschwitzt, nach einem kühlen Getränk lechzend, wie lange nicht mehr.
Nach zwei Tagen des langsamen Schaukelns, des Ankommens in diesem wieder so anderen Land war uns nach Bewegung zu Mute. Noch immer sind wir mit Jamie, Lilian und Guido zusammen und fanden es schön, gemeinsam zu laufen. Die kleine Stadt Luang Namtha ist ein guter Startpunkt, um sich von hier aus in den Dschungel aufzumachen. Entlang der Hauptstraße des Ortes gibt es mehrere Agenturen, die Angebote zum wandern machen. Heute Morgen ging es um 9.00 Uhr los. Wir Fünf, zwei Jungs aus Israel, ein Paar aus England und unser englisch sprechender Guide „Sing“. Eine bunt gewürfelte Gruppe, die gleich auf den ersten Kilometern im Dschungel Jamie verliert. Er wollte auf Lilian und Guido warten, die allerdings einen anderen Weg gingen. Alle kamen wieder zusammen, doch Jamie fehlte. Wo war er abgeblieben? Unser Guide machte sich auf die Suche und kam tatsächlich MIT ihm zurück. Diese Begebenheit, gleich zu Beginn unserer Tour, war die wahr gewordene Befürchtung, die ich in mir trug. Was ist, wenn wir hier zu weit auseinander laufen und den falschen Abzweig nehmen? Ich merke, wie Panik in mir aufkommt. Manchmal spielt mein Kopf seine eigenen Filme ab. Die sind so real, dass meine Knie weich werden und mein Puls sich beschleunigt. Das massenhafte Grün um mich herum ist wunderschön. Doch gleichzeitig ist es so gewaltig, dass es mich einschüchtert in seiner Dimension der Unüberschaubarkeit. Nachdem Jamie gefunden ist, bleiben wir als Gruppe näher beieinander, was meinem Gefühl des Verlorengehens gut tut. Ab nun kann ich das Laufen genießen. Wobei „genießen“ als Begriff vielleicht in die Irre führt. Nach wenigen Kilometern sind wir alle komplett durchgeschwitzt. Die Wärme im Dschungel, die Feuchtigkeit in der Luft und die Steigungen, die ihren Namen zu Recht tragen, ergeben zusammen einen Cocktail, der ganze Gläser füllen kann. Wir können gar nicht so schnell trinken, wie wir das Wasser ausschwitzen. Eine echte Kur. Alles was raus soll, bahnt sich Bäche an uns entlang. Tropfsteinen gleich und mit hochroten Köpfen bewegen wir uns Meter für Meter voran. Während ich laufe denke ich darüber nach, ob wir irgendetwas Nützliches mit zum Dorf hätten nehmen sollen. Etwas, was dort gerade sehr gebraucht wird. Um unserem Gang noch einen weiteren Sinn angedeihen zu lassen als den, die Gegend kennen zu lernen, uns selbst an unsere körperlichen Grenzen zu bringen und dem Dorf durch unsere Ankunft ein wenig Umsatz zu schenken. Es ist eben doch auch ein „Wohlstandsding“ was wir betreiben. Kein Mensch der hier lebt, würde einfach so durch den Dschungel laufen, ohne irgendeine nötige Besorgung oder Erledigung damit zu verbinden. Körperliche Betätigung hat hier immer was mit Notwendigkeiten zu tun. Wie anders ist unsere Welt, in der wir uns als Ausgleich zu unseren Denk-Jobs Bewegung und Aktivitäten suchen.
Die Kinder freuen sich über den Ball den wir ihnen mitgebracht haben. Unsere Erde ist darauf abgedruckt und fliegt nun von einem Kinderfuß zum nächsten. Es ist ein Spaß für die Kinder und gleichzeitig fragen wir uns, ob es gut ist, hier in dieses Kleinod der Natürlichkeit den Plastikkram vom Rest der Welt zu tragen. Doch fest steht auch, wir werden den Gang der Entwicklungen nicht aufhalten. Und wie stand es neulich in einem Interview geschrieben? „Nur weil wir Europäer es so schön finden, die Menschen in ihren Holz- und Bambushütten zu sehen, heißt das noch lange nicht, dass die sich nicht nach Häusern aus Stein und Beton sehnen.“ Uns selbst ist die Einfachheit und das Leben mit der Natur ein großes Vergnügen heute. Essen tun wir nicht von Tellern, sondern mit den Fingern von Bananenblättern, Getränke gibt’s aus Bambusrohren. „Für die Leute hier ein Akt der Normalität. Für uns ein großes Abenteuer“ denke ich, als ich nachts in meinem Seidenschlafsack auf einer dünnen Matratze liege, gemeinsam mit allen anderen. Ein auf Stelzen gebautes Haus aus geflochtenem Bambus ist unser Nachtlager. Den Rhythmus meiner Gedanken gibt der schüttende Regen vor, der auf das Blechdach rauscht. Alles ist am Fließen, hier in unserem Dschungel Camp.