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17 Jahre später / After 17 years

06.09.2015 Xian / China / N34°19’51.7“ E108°59’02.4“

Xian da sind wir wieder. Nach siebzehn Jahren fahren wir mit unserem Leo in die Stadt, in der wir damals für das Land Thüringen eine Messepräsentation aufbauten. Meine Erinnerungen sind schwach. Einzelne Bildfetzen tauchen vor meinem inneren Auge auf. Wie wir die Schriften an die Messewände klebten. Wände, die krumm und schief waren. Mit Werkzeug, welches es nicht gab und chinesischen Messebauern, die nicht da waren. Die Pausen waren länger, als deren Arbeitszeit. Beim Anbringen des Schriftzuges fragte ich mich was „Thüringen“ auf Chinesisch heißt. „Kleines Land mit vielen Bäumen“ war die Antwort, die mir ein Chinese damals gab. Ja, das Chinesische ist eine unglaublich bildhafte Sprache. Mitunter erzählen wenige Schriftzeichen eine ganze Geschichte. So zumindest ist mein laienhaftes Minigefühl, was ich habe.
Ich erinnere mich an die Armee der Tonkrieger. Wir besuchten den Ort, der eine Stunde außerhalb der Stadt liegt. Hunderte von mannshohen Kriegern aus Ton standen ausgegraben vor uns. Ein beeindruckendes Bild, eine Wucht an Handwerkskunst und Kulturgut. Xian selbst war damals groß. Sieben Millionen lebten hier. Heute sind es zehn Millionen Menschen, welche die Provinzhauptstadt bevölkern. Kann ich einen Unterschied zwischen sieben und zehn Millionen Menschen ausmachen? Wohl kaum. Damals war alles riesig und weit und heute ist es wohl noch ein wenig größer und die Wege noch ein Stückchen länger. Die Städte wachsen hier horizontal und vertikal. Immer mehr hohe und höhere Wohntürme entstehen. Fenster an Fenster, Etage auf Etage. Wie viele Leben, Mikrogeschichten hinter jedem Quadratmeter Wand… Ich stehe vor einem Hochhaus und denke, dass hier in einem Block mehr Leute leben als in Deutschland mitunter in einer einzigen Stadt. Dimensionen, für mich so unfassbar sind wie die Milchstraße am Himmel.
Um nach Xian zu kommen, haben wir es uns heute leichter gemacht. Es gab einen High way auf unserem Weg. Langweiliges kostenintensives Geradeausfahren, doch durchaus mit Erholungsaspekt. Den „Gelben Fluss“ haben wir passiert. Eher „brauner Fluss“ sollte er heißen, so ockerfarben wie sein Wasser durch das Mitspülen des lehmigen Bodens aussieht, was da durch das Bett im Tal fließt. Gewaltig die Landschaft drum herum. Terrassen, angelegt, nehme ich an, geben dem brüchigen Boden ein wenig Halt und dem Bild der Gegend feine Strukturen. Ich entspanne beim Dahinfahren weitestgehend. Wäre da nicht wieder so ein lautes Klappern und Schlagen unter dem Leo, was uns unruhig macht. In Xian angekommen, sucht Andi, unser Guide, gemeinsam mit uns nach einer Werkstatt. Wir werden fündig und müssen lächeln. Von Land zu Land wir das Abenteuer „Werkstatt“ größer. Durch Gassen fahren wir, die vollgestopft sind mit Leben und Lebendigkeit. Wie da noch ein LKW dazwischen passen soll, ist mir ein Rätsel. Doch irgendwie schiebt sich alles zurecht und wir bewegen uns Zentimeter für Zentimeter vorwärts. Die „Werkstatt“, ein großer staubiger Hof mit vielen Männern, die es lustig und spannend finden uns zu sehen. Die meisten hier, so sagt uns Andi, haben einfach noch nie in ihrem Leben andere Menschen live gesehen als Chinesen. Auf genau diese Weise fühlen wir uns angeschaut. Als seien wir bewegliche Ausstallungsstücke, an denen eine Schild steht: „Nicht berühren!“. Was verboten ist, macht man besonders gern. Also fasst jeder mal ein wenig hier an und dort auch. Unsere Kardanwelle schlägt. Sie hat Spiel und klappert. Außerdem ist wieder eine Lage der Blattfedern gebrochen und das fehlende Stück liegt irgendwo im weiten China. Wir haben es vor zwei Tagen klirren hören. Konnten uns aber auf der stark befahrenen Straße keinen Reim aus dem Geräusch machen. Was hier auf diesem Staubplatz geschehen soll ist mir weitestgehend ein Rätsel. Mein Vertrauen hält sich in Grenzen. Doch ich lasse es geschehen. Was sonst. Und krame meinen „Go with the flow“ Zustand aus meinem mentalen Rucksack heraus. Ein kühles Bier am Straßenrand hilft mir dabei. Xian, hier bin ich. Xian, hier sind wir. Wollen mal sehen, ob noch ein paar Erinnerungen wach gerüttelt werden und neue hinzukommen. Siebzehn Jahre später.
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