Frau Luna / Miss Luna
27.09.2015 Pu’er / China / N22°45’49.6“ E100°57’39.2“
Der Mond hat das Sagen. Auch wenn offiziell sein 1911 der nach dem Lauf der Sonne orientierte Kalender in China eingeführt wurde, spielt der Mondkalender doch die tragende Rolle im Leben vieler Chinesen. Bedeutende Ereignisse wie Haare schneiden oder gar Heiraten werden nach den Verheißungen des Mondkalenders ausgerichtet.
Und so feiert man in China das „Mondfest“ welches auch „Fest der Herbstmitte“ genannt wird, am 15. Tag des 8. Mond-Monats. Welcher wiederum laut Sonnenkalender in diesem Jahr auf den 27. September fällt. Das „Mondfest“ ist für die Familien da. Gemeinsam wird an diesem Abend gegessen. Bei Andis Familie gibt es „Dumplings“, gedämpfte Nudeltaschen, wie er erzählt. Doch er ist heute bei uns und als Einziger seiner Familie nicht zu Hause. Wir geben unser Bestes, ihm in diesen Stunden eine Art „Familie“ zu sein. Er mag es. Und so schauen wir gemeinsam auf den Mond, der frei von jeder Wolke am Himmel prangt. Seine Großmutter hat Andi in seiner Kindheit oft Geschichten erzählt, während sie zusammen zum Mond blickten. „Frau Luna“, in China „Chang E“ genannt wohnt neben einem Hasen und einer Kröte da oben, da sie versehentlich den Unsterblichkeitstrunk ihres Mannes geleert hat und daraufhin zum Mond geschwebt ist. Sozusagen als Strafe zur Verbannung. Nun tanzt sie da oben, wie wir deutlich sehen können. Die erste Mondsonde Chinas trägt ebenfalls als Glücksbringer den Namen „Chang E“.
Als Symbol des Festtages backen und verschenken die Chinesen Mondkuchen. Es sind kleine runde Küchelchen, die in den unterschiedlichsten Verpackungen daher kommen. Schon den gesamten September lang werden wir von Mondkuchen begleitet, die es überall zu kaufen gibt. Es geht dabei wohl weniger um das Verspeisen der vielen Mondkuchen, sondern eher um den Akt des Verschenkens unter Freunden, der Familie oder in den Firmen. Auch zur vorsichtigen Verstärkung irgendwelcher Angebote oder Wünsche in und zwischen Unternehmen, sollen die Mondkuchen bestens geeignet sein. Als eine Art „Glückskeks“ wird er auch bezeichnet, der „Mondkuchen“. Denn glaube ich einer Legende, so buken im 14. Jahrhundert Rebellen im Kampf gegen die Mongolen Zettel in die Kuchen ein, auf denen zu lesen war: „Am 15. des Monats tötet die Tataren!“ Damit waren die Mongolen gemeint. Somit wurde auf geheime Art zum gemeinsamen Kampf aufgerufen.
Andi schenkt heute jedem von uns einen Mondkuchen. Meiner ist mit einer süßen Erbsenmasse gefüllt. Die Geschmacksrichtung kann ich nicht ganz genau bestimmen. Doch ich mag seine Geste, uns die Küchlein zu schenken. Doch da der kleine süße Ball uns nicht satt macht, ziehen wir abends in die Stadt, die heute angeblich menschenleer sein soll, da alle zu Hause bei ihren Familien sind und feiern. Doch irgendwie erscheinen mir die Straßen heute Abend sogar noch voller als sonst. Ich habe das Gefühl, dass tausende von jungen Paaren und Familien unterwegs sind, um den Abend in Volksfeststimmung zu verbringen. Zum Himmel schauen nur wenige von ihnen. Zu beschäftigt sind alle mit Büchsen werfen, Luftballons abschießen und Leckereien verspeisen. Also gönne ich mir ab und zu einen Blick nach oben. Dort, wo der Mond als runder Ball klar am Himmel steht. Ich sehe Frau Luna. Ihren Tanz nehme ich gerade nicht wahr, doch ihr Lachen, vielleicht über ihren gelungenen Schachzug, nun in Ruhe auf dem Mond wohnen zu dürfen, kann ich deutlich erkennen.
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