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Zeremonienmeister / Ceremony master

28.09.2015 Mengxing / China / N21°39’18.4“ E101°20’50.1“

Suchen, Fragen, Suchen, Finden, Preis absprechen, Bauchgefühl befragen, Abmontieren, Aufschaben, Auftragen, Backen, Pressen, Warten, Kontrollieren, Anmontieren, Bezahlen, Lachen, Fotos machen, Bedanken, Umarmen, Abfahren.
Reifenwerkstatt in Pu’er. Morgens um neun Uhr begann unsere Suche. Abends um elf Uhr fahren wir winkend ab. Glücklich, nun einen reparierten Reifen an Bord zu haben. Ein blödes Gefühl, komplett ohne doppelten Boden und Alternative über die steinig, spitzen, von was auch immer übersäten Wege zu holpern. Die Familie ist toll. Der Mann weiß was er da macht. Danke, Zeremonienmeister des schwarzen Gummis!
Teestube betreten, Sorten auswählen, von der gepressten Teescheibe ein Stück abbrechen, in ein kleines Schälchen geben, Wasser erhitzen, 80-95 Grad, je nach Sorte, kleine gläserne Teeschalen bereitstellen, das erste Wasser über den Tee gießen, ganz schnell, das Wasser über die Schalen geben, somit erwärmt und sauber, der erste Aufguss war das Reinigen, der Zweite zieht auch nur ganz kurz, dann sind wir kostend an der Reihe, der dritte bis zehnte Aufguss, bis zu zwanzig Mal ist das möglich, dann nächste Sorte und so weiter. Die Bewegungen geübt. Berührt mit den Fingern wird nichts. Alles ist mit heißem Wasser getränkt und ausschließlich mit der Pinzette gegriffen. Gelbe Sorte, Schwarzer Tee und Roter. Der Erste war der Beste. Preis erfragen, Andi verhandelt gut, kunstvolles Verpacken, Bedanken, und Winken. Der Teestube den Rücken kehren. Um eine Erfahrung reicher. Wie es geht mit dem Tee in den hart gepressten Scheiben. Eine uralte Methode zum Aufbewahren und Transportieren.
Du hast es mir nahe gebracht. Ich konnte sehen, dass Du ihn magst, Deinen Tee. Danke, Meister der Teezeremonie!
Beinschmerzen seit Tagen, vorbei kommen wir an Massagestudios, einladend sieht anders aus. Der eine Laden ganz okay. Eintreten, Fragen, und schon befindet sich Sten auf der Liege. Dreißig Minuten von beiden Seiten. Die Masseurin ist ratlos. Wie bekommt sie einen schlafenden Kunden vom Bauch auf den Rücken gedreht? Andi hilft beim Aufwecken. Weiter geht es mit den Muskeln und Sehnen, mit dem Durcharbeiten der vom Fahren verkrampften Beine. Erwachen, Aufstehen. Wie neu fühlt sich Sten. Wohlig und gut. Laos kann kommen. Danke, Du Künstlerin mit Deinen Händen. Du wusstest was Du tust. Es hat geholfen. Auch wenn Dein Kunde die Zeremonie verschlafen hat.
Kleine Geschichten die den Tag zu etwas Großem machen. Noch zweihundert Kilometer durch den tropischen Regenwald fahren und schon erreichen wir pünktlich morgens um zwei Uhr unsere Gruppe. Einhundert Kilometer noch bis zur Grenze nach Laos. Sechstausend Kilometer voller „China“ im Rücken. Was für eine Zeremonie.
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Liebes China!
Du, meine Große. Vier Wochen bin ich nun mit Dir zusammen, doch noch immer erscheinst Du mir fremd. Etwas Unnahbares geht für mich von Dir aus. Etwas, das unsere Seelen nicht wirklich miteinander schwingen lässt. In jeden Schwung klingt sich ein Impuls der Disharmonie mit ein. Ich habe mich bemüht um Dich. Doch mein Bemühen strengt mich an. Ich fühle mich mitunter wohl in Deiner Gegenwart und doch ist es kein befreites Fallenlassen, was ich genieße. Die Anspannung weicht nicht aus meinem Nacken. Wir scheinen eine Vernunft gesteuerte Beziehung miteinander zu führen. Keine Liebesbeziehung, wie ich sie verstehe. Du bist groß, Du bist eigen, Du bist vielfältig. Du bist selbstbewusst und stolz. Du hast Deine Geheimnisse und Rätsel. Alles Dinge die ich an Dir mag. Und Du bist widersprüchlich. Gesundheitsbewusst weißt Du immer welche Pflanze den Nieren gut tut, welche Wurzel dem Magen. Seit Urzeiten kennst Du Dich aus in der Medizin, die Deinen Namen trägt. Doch dann wiederum schweinst Du mit irgendwelchen Chemikalien herum, machst Deine Leute krank und lässt es überall qualmen und stinken. So dass das Atmen in Deiner Gegenwart kein wirkliches Vergnügen ist. Dein Verhältnis zur Natur bleibt mir das größte Fragezeichen. Warum um alles in der Welt musst Du jeden Quadratmeter umackern, bebauen, abtragen oder umleiten? Warum gönnst Du Dir so wenige Oasen in Mitten all dem Grün was Du hast? Klar, Du hast für Viele zu sorgen. Doch meinst Du wirklich dass es eine so gute Idee ist, sich die Natur zum Untertan zu machen, wie Du es immer wieder propagierst? Ich weiß nicht. Da gehen unsere Werte wohl eindeutig auseinander. Doch gemeinsame Werte sind wichtig für eine gute Beziehung.
Du bist die Königin, wenn es ums Kochen geht. Virtuos regst Du mit Deiner Speisen- und Gewürz-Vielfalt meine Geschmacknerven und Feinsinne an. Wir haben unsere Freude miteinander, wenn es ums Schmecken geht. Genüssliche Augenblicke. Manchmal. Essen ist viel im Leben. Doch nicht alles. Ich ringe mit mir, will es mir nicht einfach machen und urteilen. Du ziehst mich an. Du stößt mich ab. Mitunter beides zur gleichen Zeit. Gewollt fühle ich mich von Dir nicht. Eher geduldet. Nun, Deine Auswahl ist groß. Gefallen musst Du nicht. Doch ein wenig mehr Weichheit und Eleganz würde Dir gut zu Gesicht stehen, bei all Deiner Disziplin und Härte Dir selbst gegenüber. Ich wünschte Dir ein wenig mehr Gelassenheit und mir, dass ich Dich nehmen kann wie Du nun einmal bist. Du hast Deine Geschichte, ich habe die meine. Wir kennen uns nicht lange genug, als dass wir sagen könnten, wir wüssten umeinander. Von Deinen Sorgen sprichst Du wenig, von Deinen Gedanken auch. Du verbirgst vieles hinter Deinem gleichmütigen Gesichtsausdruck. Ja, dass ist Kultur bei Dir. Doch ich brauche es direkter, näher, verbindlicher und gern auch mal ratloser. Das macht es für mich menschlicher und offener. Du liebst den Lärm. Trötest herum mit Deiner schrillen Stimme. Ja, wir hatten auch ruhige Momente und besinnliche. Wenn wir gemeinsam Tee tranken, vom Grünen, Schwarzen oder Roten. Kurze Verschnaufpausen. Doch irgendwie haben die es nicht geschafft mich versöhnlich zu stimmen. Schade irgendwie. Dabei liebe ich es, wenn Du Dich Morgens und Abends zur Musik bewegst, auf den freien Plätzen in Mitten der Städte. Versonnen schaust Du dann, so dass mich Wehmut überkommt. Trotzdem. Ich nehme nun erst einmal Abschied. Mal sehen, wie unsere Zeit mit Abstand auf mich wirkt. Nachhallt. Ich winke Dir zu, mit dem roten Fächer Deines Tanzes. Mach’s gut. Meine Liebe. China.

Elke.

Am 28. September 2015 in Pu’er / China.

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Kommentar

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    Liebe Katrin, wir kennen uns nicht wirklich und doch freue ich mich immer sehr über Deine Post! Wenn wir zurück sind, sollten wir uns einmal treffen!!!! Liebe Grüße zu Dir nach Dresden, alles Liebe, Elke

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    Hallo liebe Elke,
    WElch wundervoller Brief an China!
    Ich habe es genossen, diesen zu lesen und das widersprüchliche Land lebhaft vor mir gesehen….wir kennen nur Hongkong 1997 und 2013…ein besonderer Teil „Chinas“, aber die Gerüche, Farben und Stimmen sind mir noch sehr gut in Erinnerung!
    Alles Gute weiterhin…
    Gruß aus Dresden


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