Feuerboote / Fire boats
27.10.2015 Khong / Laos / N14°06’58.5“ E105°51’19.6“
Da schwimmen sie dahin. Getragen vom Mekong. So viele Wünsche, Gebete, Hoffnungen. Manchmal ganz stille, manchmal stehen sie direkt auf den Gesichtern der Leute geschrieben, ihre Sehnsüchte. Aus Bananenblättern kunstvoll zusammen gesteckt mit Blumen verziert, von Kerzen und Räucherstäbchen erleuchtet, mitunter durch Geldscheine angereichert, gleiten sie zu Hunderten übers Wasser. Bevor sie auf dem Mekong fahren dürfen, wurden sie an die Stirn gehalten, um im Gebet dem kleinen Hoffnungsboot mit auf den Weg zu geben, was erhört werden soll. Wer auch immer sich um alle diese Wünsche kümmert. Der hat in der nächsten Zeit echt eine Menge zu tun!
Es kracht und knallt wie zu Silvester. Vielleicht ist es unser Nachgeholtes. Vor zehn Monaten feierten wir zwei ganz leise vor uns hin. Da krachte nichts und knallte. Vor Kälte zitternd saßen wir da mit unserer kleinen Wunderkerze in den Händen, an einem menschenleeren Strand in Griechenland. Gespannt auf das, was kommen würde.
Heute ist hier die Ausgelassenheit am Start. Die Kinder auf der Straße haben ihre Freude daran sich gegenseitig mit den Böllern zu erschrecken. Auch die Mönche sind heute einfach „Jungs“ die Spaß am Krach ihres Feuerwerks haben. Dass heute das Ende ihrer Fastenzeit eingeläutet wird, es sich also um einen religiösen Feiertag handelt, merke ich ihnen nicht wirklich an. Die Atmosphäre ist weniger spirituell getragen, denn sommerlich ausgelassen. Ich mag dieses Natürliche und Ungezwungenen, wie die Leute in den Dörfern zusammen mit ihren Mönchen leben. Nichts schottet sich ab. Alles ist durchlässig und zugänglich. Als fielen Weihnachten und Silvester auf ein und denselben Tag, so leuchten die Augen aller. Spannung und Vorfreude liegen in der Luft, die sich in den vielen, in den Himmel geschossenen Lichtraketen, entladen. Große Boote aus Bananenholz und kleine stehen überall herum und warten darauf, ins Wasser gelassen zu werden. Mal reich geschmückt, mal ganz schlicht. Die meisten schaffen es zu schwimmen, manche gehen untern. Wochenlang haben die jungen Mönche in allen Klöstern des Landes, die Feuerboote „Heua Fai“ für das „Boun Awk Phansa“ Fest gebaut. Grazile Konstruktionen, verziert mit buddhistischer Symbolik. Der Vollmond macht die Nacht zum Tag. Als wüsste er, dass es heute ganz besonders auf ihn ankommt, strahlt er, was das Zeug hält. Richtet sich das Datum des Festes „Boun Awk Phansa“ ja in jedem Jahr nach dem Tag des vollen Mondes Ende Oktober.
Auch wir beide setzen unsere kleinen „Heua Fai“ auf den Mekong. Freudig zuckende Blitze geben sie von sich, wie beim Zünden eines Tischfeuerwerks in einem deutschen Wohnzimmer. Nur dass wir eben gerade am Ufer des Mekongs stehen, uns 35.000 Kilometer von zu Hause weg bewegt haben, erfüllt sind, von so viel tiefem Erleben und vor zwei Tagen unserer Abfahrt von zu Hause vor zehn Monaten gedacht haben. In mein kleines Boot setze ich nur einen Gedanken mit hinein. Und der heißt „Danke“.