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Karakalpakstan / Karakalpakstan

30.04.2015 Usbekistan / Nukus / N42°27’57.0“ E059°36’34.6“

Es ist Sommer! Die Zeit der feuchten Kälte im Leo scheint vorbei. Wir beschließen, dass die allerdicksten Schuhe und Jacken nun verstaut werden können. Ob wir sie später wieder brauchen interessiert uns nicht. Heute ist heute. Das allein zählt. Bei 27 Grad und Sonnenschein verlassen wir Muynak, nicht ohne am Morgen noch den einen oder anderen Gast am Leo begrüßt zu haben. Unser Polizist, den wir am Vorabend mitgenommen hatten, kommt mit drei seiner Kollegen, um uns und den Leo zu inspizieren. Wie sie uns hier draußen gefunden haben, bleibt mir ein Rätsel. Doch wer weiß welche Fähigkeiten in einem Nomadenvolk stecken, von denen wir keine noch so leise Ahnung haben. Er ist in jedem Falle stolz uns schon zu kennen und erklärt seinen Kollegen, was er über uns weiß. Ein großes Buch im A4 Format haben sie mitgebracht. Da hinein wird alles geschrieben, was es laut den Pässen und der Grenz-Zettel über uns zu sagen gibt.

Drei Männer mit einer Schildkröte im Arm statten uns ebenfalls einen Besuch ab. Sie alle sind freundlich, interessiert und vor allem erfreut, dass Gäste von weit her den Weg zu ihnen gefunden haben. Denn die Geschichte mit dem ausgetrockneten Aralsee ist für alle hier eine Katastrophe und sie wollen, dass die Welt darüber erfährt. Wir setzen unsere Fahrt Richtung Süden fort, um am Nachmittag in Nukus anzukommen. Es ist der Sitz der Regierung „Karakalpakstans“, einer autonomen Republik auf dem Territorium Usbekistans. „Karakalpakstan“ bedeutet „schwarze Mütze“ und steht für die großen Schaffellmützen, die in dieser Region in der Vergangenheit getragen wurden. Wir sind verabredet mit Bakhitjan Khabibullaev. Er ist der Regionalkoordinator der „GIZ“ in Nukus. Die „Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit“ ist eine deutsche Hilfs-Organisation, die in Usbekistan an mehreren Standorten vertreten ist. Hier im Westen des Landes drehen sich alle Projekte um den Aralsee. Wir sind beeindruckt davon, was uns Bakhitjan Khabibullaev über die in den vergangenen Jahren gelaufenen Aktivitäten erzählt. Zuerst einmal stellt er klar, dass die Austrocknung des Aralsees nicht mehr umkehrbar ist. Zu viele Menschen haben sich im Laufe der Jahrzehnte an den Ufern der beiden Flüsse Amudarja und Syrdarja angesiedelt. Zu viel Leben hängt entlang der Flüsse von dessen Wasser ab. Es ist ein trauriges Bild für uns, den großen Amudarja in einem weiten sandigen Flussbett ersterben zu sehen. Er hört mit einem Mal auf ein Fluss zu sein. Vor unseren Augen erstreckt sich ein riesiges sandiges Flussbett, welches wohl nie mehr Wasser in sich bettet. Welcher Wassermassen würde es bedürfen, um die klaffende Distanz von 300 Kilometern bis zu den heutigen Resten des Aralsees zu überwinden? Das Wasser ist weg. Das ist die eine Tatsache, doch die salzigen Rückstände des einstigen Seebodens werden mit dem Wind und dem Regen nun ins Land getragen und versalzen somit das gesamte Gebiet und dessen Grundwasser. Das wiederum führt zu komplett unfruchtbaren Böden. Und so ist aus einer Gegend, die einst reich an Obst war, ein weiße Wüste geworden, in der die Kinder auf einem Fußballplatz spielen, der von einer dicken weißen Salzkruste überzogen ist. Das Salz schadet zudem der Gesundheit aller. Da es über die eingeatmete Luft und das getrunkene Wasser in die Lungen und anderen Organe der Menschen gelangt und sich dort ablagert. Was wiederum zu folgenreichen Erkrankungen führt. Die Projekte, die Bakhitjan Khabibullaev anschiebt und betreut versuchen unter anderem den versalzen Boden wieder kultivierbar zu machen, indem auf weiten Flächen frischer Sand aufgebracht wird, in den Tamarisken gepflanzt werden. Tamarisken vertragen salzhaltige Böden und können sie sogar wieder wandeln. Ein weiteres Projekt kümmert sich um die extremen Heuschreckenplagen die hier herrschen. Die Heuschrecken legen ihre Eier in den Sandboden. Fließt Wasser darüber, bleiben die Eier im Boden. Doch trocknet dieser aus, schlüpfen mit einem Mal unbeschreibliche Mengen an Larven, die dann über Monate zu Heuschreckenplagen führen. Ich bin sprachlos, wie groß und dramatisch die Folgen dessen sind, was durch das zerstörte Ökosystem des Aralsees ausgelöst wurde. Die Projekte werden mit der einheimischen Bevölkerung gemeinsam mit Leben versehen. Denn nur so kann es zu Nachhaltigkeit und einem bewussten Handeln der Menschen hier führen. Bakhitjan Khabibullaev leistet eine gewaltige Arbeit für sein Land und dessen Menschen. Wir freuen uns, ihn kennen gelernt zu haben. Am Abend nimmt er uns mit in sein Haus und so können wir auch seine herzliche Familie treffen. Sie alle sprechen sehr gut Deutsch, da Bakhitjan Khabibullaev mit seiner Familie viele Jahre in Deutschland lebte, wo er im diplomatischen Dienst tätig war. Als wir zum Leo zurück kommen, der die ganze Zeit wartend vor einem Hotel steht, fragen wir uns wieder einmal, ob das heute tatsächlich nur ein einziger Tag war. So reich ist er an Eindrücken und Informationen.

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