Bei Sonnenschein kann ja jeder / With sunshine everybody is able
23.06.2015 Almaty / Kasachstan / N43°14’37.5“ E076°56’13.5“
Innerhalb von fünfzig Kilometern drei verschiedene Arten des Wetters. Wo gibt’s das schon? Offensichtlich sind wir hier, um es zu erleben. Almaty klebt förmlich an den Bergen. Die Häuser in den hinteren Reihen, die Edelvillen, sind denn auch die am Gefährdetsten, wenn die Berge wieder einmal grollen. Und ihre Massen an Steinen, Wasser und Geröll ins Tal schicken. Vielleicht sind die Häuser dort oben so teuer weil sie einen Abenteuer-Aufschlag zahlen? Keine Ahnung.
Die MAN Werkstatt liegt im Norden der Stadt. Dass heißt der Bergseite komplett entgegen gesetzt. Bei 34 Grad und Sonnenschein machen wir uns auf den Weg. Das Stehen an der Straße, das kennen wir nun gut. Das Warten auf ein Schwarztaxi auch. Doch was anhält ist zu unserer Überraschung heute ein Sammelkleinbus. „Der fährt zum Bahnhof.“, sagt eine Frau, die mit uns einsteigt. Wir wissen zwar nicht wo der Bahnhof ist. Doch alles ist besser als an der staubigen Ausfahrtstraße zu stehen. Alle möglichen Leute sind im Bus versammelt. Von jungen Typen, die wie Studenten aussehen bis hin zur kleinen schrumpeligen Oma ist alles vertreten. Und wir. Wir sitzen mal wieder mittendrin und werden beäugt als kämen wir vom Mond. Am Bahnhof steigen alle aus. Wir auch. Wissen nicht wo wir sind, haben aber eine Adresse, zu der wir wollen. Leider nur den Straßennamen. Der nützt in Almaty nicht viel, wenn man die Kreuzungsstraße dazu nicht weiß. Denn die Straßen sind ewig lang und nur die Kreuzungen dämmen die Suche ein. Na gut, wir finden trotzdem einen Mann der mit uns losfährt. Der Rest klärt sich per Telefon. Zweitausend Tenge will der Fahrer von uns haben. Mit sich handeln lässt er nicht. Nun, wir sind in der misslichen Lage nicht zu wissen wie weit es bis zu unserem Ziel ist und zahlen. Vollgestopft bis oben hin sind die Straßen heute Nachmittag. Ganze zwei Stunden brauchen wir für fünfzehn Kilometer. Es ist der Wahnsinn. Doch wir sehen es als kleines Kammerstück an. Eine Szenerie an der wir vorbeifahren. Drei Unfälle alleine, die nicht ohne sind. Zum Glück trotz Totalschäden alles nur Blech was da kaputt ging und keine Menschen. Das Gemisch an Moderne und Tradition prallt in dieser Stadt aufeinander wie Gewitterwolken. Sowohl was die Architektur der Stadt betrifft als auch ihre Menschen. Glitzerglas bis zum Himmel hoch, und kleine Katen gleich daneben. Mädchen in high heels und Kleidern die enger und kürzer kaum zu nähen sind, treffen auf muslimische, schwarz eingehüllte Frauen. Alles unter dem Himmel derselben Stadt.
Apropos Himmel. Der war bei unserer Abfahrt vor zwei Stunden noch strahlend blau. Inzwischen regnet es wie aus Zinkeimern, so dass wir die Berge hinter der Stadt kaum noch sehen. Trotzdem treffen wir Irina und Roman. Und trotzdem fahren wir gemeinsam zum „Großen Almaty See“. Serpentinen winden sich steil an den Bergen entlang. Mir wird übel. Doch ich halte durch. Irgendwann muss das Gekurve ja ein Ende haben, sage ich mir. So knapp unter der Schneegrenze auf knapp 3.000 Metern Höhe. Die Alternative wäre laufen. Bei gutem Wetter mit Sicherheit ein Erlebnis. Doch wir haben uns für Regen, zehn Grad und einbrechende Dunkelheit entschieden.
Und ganz plötzlich taucht er hinter einer Kurve auf. Der azurblau glitzernde Bergsee. Auf dessen Oberfläche ein Lichterspiel aus Millionen von Farben seinen Spaß hat. Die weißen Kuppen der umliegenden Berge spiegeln sich bis auf den Grund des Trinkwassersees, der für große Teile Almatys das Wasser liefert. Verzückung stellt sich ein im gleißenden Licht der Abendsonne. Doch all das erleben wir leider heute nicht. Etwas unscheinbar liegt der nur halb gefüllte See mattgrün in seinem Bett. Ein kleiner Rinnsal aus den Bergen speist ihn. Es plätschert. Doch das ist der Regen, der auf die Uniformen der Soldaten tropft. Sie stehen hier oben Wache, nah der kirgisischen Grenze. Wir genießen unser Picknick unterm Autodach gemeinsam mit Roman, Irina und Agatha.
Bei schönem Wetter kann das hier ja jeder.