Wie lange ist lang? / How long it’s long?
29.06.2015 Almaty / Kasachstan / N43°14’37.5“ E076°56’13.5“
Am 28. April war uns klar dass wir mit der gerade eingebauten Zwischenlösung im Verteilergetriebe nicht weit kommen würden. Am 01. Mai begannen wir umher zu telefonieren. Auf der Suche nach einer Lösung, die es uns möglich machen sollte, unsere Fahrt fortzusetzen, ohne dass am Ende der Motor auch noch kaputt ginge. Da die nicht passende Zähne Anzahl im nun eingebauten Getriebe alles in Mitleidenschaft zog und der Leo wie ein Herzpatient an jedem noch so kleinen Hügel streikte. Uns war klar: „So wie er momentan fährt, gelangen wir mit ihm nicht bis nach Singapur.“ Weder kommen wir so durch Kirgistan, noch durch das Altai Gebirge, geschweige denn die Mongolei oder gar über die bergigen Strecken in China.
Mit Hilfe von Hans, Stens Vater, und Herrn Langemann, dem Chef der MAN Werkstatt in Jena, fanden wir übers Internet tatsächlich ein einziges Getriebe welches in unseren Leo zu passen schien. Also wir hoffen das ganz sehr!!!! Derartige Ersatzteile sind inzwischen besondere Fundstücke, da unser Leo nicht mehr der Jüngste ist und die Teile für ihn nicht mehr produziert werden.
Unsere Route mussten wir ändern, Länder auf unserem Weg wegfallen lassen, uns um neue und veränderte Visa kümmern. Wir sind auf Reisen. Da müssen wir mit allem rechnen. Das ist uns klar.
Das war Anfang Mai. Wir waren zuversichtlich, dass das Getriebe innerhalb der nächsten Wochen seine Wege nehmen würde.
Parallel zu allem was wir erlebten, war das Thema „Getriebe“ für uns allgegenwärtig.
Auf dem kürzesten und einfachsten Weg machten wir uns auf den Weg nach Almaty, da zwischen Deutschland und Kasachstan eine offizielle MAN-Vertriebsbeziehung bestand. Diese zu nutzen war die einzig gangbare Möglichkeit, um das Getriebe von Deutschland in die Region zu befördern.
Auf dem Landweg sollte das geschehen. Allein der Prozess in Deutschland war lang, aufwändig, kurvenreich und überraschend. Doch Hans gab sein Bestes, uns auf dem Laufenden zu halten und die notwendigen Schritte ins Laufen zu bringen.
Wir flogen derweil nach Kirgistan, da unser Kasachstan Visum ausgelaufen war. Zurück in Almaty gingen wir davon aus, dass es sich nun nur noch um wenige Tage handeln könne, bis das Getriebe in der Stadt und wenig später an unserem Leo zu finden sei.
Wir genossen die Tage in Ruhe verbringen zu können, schwammen im Pool, der gleich neben der MAN Werkstatt sein Domizil aufgeschlagen hatte, lernten Einheimische kennen, verbrachten unsere Zeit mit ihnen, machten zwischendurch mal krank und wurden auch wieder gesund.
Das Getriebe, es kam näher und näher. Bis es dann vor zehn Tagen tatsächlich Almaty erreichte. Wir freuten uns, doch hatten gelernt, es verhalten zu tun. Denn wer weiß…?
Yuliya, unsere gute Seele hier bei MAN, die es momentan alles andere als leicht hat in der eigenen Firma, da gerade ein Eigentümerwechsel von Deutschen zu Usbeken statt findet, mühte sich täglich für uns. Wir wussten und wissen, dass sie uns hilft, in diesem Dschungel irgendwie ans Licht zu gelangen. Täglich telefoniert sie mehrmals mit dem Broker, den sie extra für uns gefunden hat. Und der wichtig ist, um beim Zoll überhaupt Gehör zu finden. Spricht mit den Leuten an der usbekisch-kasachischen Grenze, die wir im Mai passierten und die es damals versäumten, uns einen Stempel zu geben, der uns bescheinigte, rechtmäßig mit unserem LKW in Kasachstan zu sein. Wir lernten am vergangenen Freitag dass wir illegal mit unserem Leo im Land sind, dieser konfisziert werden müsse, und so die Probleme eine ganz neue Form der Eskalation bekämen. Nur Yuliya haben wir es zu verdanken, dass wir im Nachhinein nun dieses überaus wichtige Papier in Händen halten. Momentan wartet der Broker auf Antwort vom Zoll was als Nächstes zu tun ist. Doch Behörden haben hier eine vollkommen andere Ausprägung der Mentalität des Aussitzens, als wir es aus Deutschland gewohnt sind. Und da denken wir uns schon manchmal…
Zeit scheint hier einfach überhaupt keine Rolle zu spielen.
Vor unserer Abfahrt sagte ein guter Freund zu uns: „Im Westen hat man die Uhren. Im Osten die Zeit.“
Wir sind uns absolut darüber bewusst, dass wir in den vergangenen sechs Monaten viel über uns gelernt haben, was unsere innere Unruhe und deren Ursachen anbelangt. Wir sind gelassener geworden, haben gelernt, dass Dinge ihr ganz eigenes Zeitempfinden haben und wir nur mittelbar Einfluss nehmen können. Yuliya klärt uns fast täglich über die Mentalität ihrer Landsleute auf und wir begreifen es als Chance, an genau dem Ort, an den es uns hier gespült hat, zu lernen, zu erfahren, zu erleben und auch ein Stück weit zu verstehen. Uns und überhaupt.
Doch vielleicht stehen wir mit alldem auch noch vollkommen am Anfang?
Und das Getriebe? Das liegt nach wie vor beim Zoll. Nicht weit von hier, doch zu weit für uns.
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