Ich heiße Oli / My name is Oli
03.07.2015 Almaty / Kasachstan / N43°14’37.5“ E076°56’13.5“
Ja das bin ich. Oli. Wie ich zu meinem Namen kam, weiß ich nicht genau. Er war plötzlich in der Luft und allen, die um mich herum standen war klar, dass ich so heißen müsse. Nun, warum nicht? Vorher war ich nur eine nichtssagende Nummer. Jetzt trage ich einen Namen! Ich bin mir darüber bewusst, dass das auch Einiges mit sich bringt. Ich kann mich nicht hinter meiner Bedeutungslosigkeit verstecken. Ich werde bei meinem Namen gerufen. Die Leute sprechen über mich. Ich habe gehört, dass der Leo lange auf mich gewartet hat. Nun, da war ich ja auch gespannt, was das wohl für einer ist. Für wen ich diese weite Reise in Kauf genommen habe? In Trier hatte ich es lange gut. Ich lag in einem Lagerregal und es war kaum damit zu rechnen, dass mich mal jemand brauchen würde. Es war nicht so toll für mich, das Rumliegen. Ich hatte mich damit abgefunden. Bis eines Tages im März Leute kamen und etwas suchten. Ich döste vor mich hin, konnte ja nicht gemeint sein. Doch plötzlich blendete mich Taschenlampenlicht. Männer redeten irgendwelches Zeug. Ich verstand nichts. Nur ein Wort hörte ich immer wieder: „Kasachstan“. Ich konnte nichts damit anfangen, mir nichts darunter vorstellen. So blieb mir dieses Wort ein Rätsel. Für mich begann eine unglaublich spannende Zeit. In Trier wurde ich verpackt, in schwarzer Folie. Nun, das war nicht ganz so angenehm. Doch ich wollte mich nicht beschweren, wenn sich schon einmal was bewegte, in meinem Dasein als Ersatzteil. Von Trier aus kam ich mit einem Transport nach Tschechien. Dort war erst mal wieder Pause und ich fürchtete schon, dass es das gewesen sein könnte. Doch zwei Wochen später kam wieder Bewegung auf und ich wurde erneut verladen. Dann wurde es spannend. Die Straßen waren offensichtlich sehr holperig. Jedenfalls hat es mich ziemlich durchgeschüttelt. Da war ich schon froh auf einer Holz-Palette festgebunden zu sein. Denn es ging durch Polen, Weißrussland, Russland. Und dann kam das Land, dessen Name mir lange ein Rätsel war: „Kasachstan“. An den Grenzen standen wir lange mit dem LKW. Die Fahrt war beschwerlich. Doch alles roch für mich nach Abenteuer. Zumal ich schon in Trier gehört hatte, dass dieser Leo eine Asientour fährt und zwei Leute an Bord hat. Das klang für mich verlockend. In Kasachstan landete ich dann wieder in einem Lager. Oh. In diesen Tagen ging es mir nicht gut. Ich hatte das Gefühl gestrandet zu sein. In dem dunklen, stickigen Lager war es nicht wirklich schön. Hatte man mich vergessen? War alles nur ein Traum gewesen? Dann kam die Erlösung. Mich holten drei lachende Leute ab, die sich offensichtlich sehr über mich freuten. Dann ging alles super schnell. Verladen, auspacken, anmontieren. Seit heute hänge ich nun am Leo. Wir verstanden uns auf Anhieb. Und ja, ich werde alles tun, dass diese Reise weiter gehen kann. Würde mir ja nur selbst schaden, wenn ich nicht mitspiele. Nein, ich will die Mongolei sehen! Hammer. Was im Leben alles werden kann. Da kommen mir doch glatt vor lauter Freude ein paar Öltränen…