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Sorry Russland / Sorry Russia

13.07.2015 Kurday / Russland / N50°14’40.0“ E087°51’43.9“

Es scheint mir, als habe der Altai meine Worte von gestern gelesen. „Mittelgebirge“ und „viele Menschen“. Das wollte er offensichtlich nicht so stehen lassen und hat uns heute eine ganz andere Seite von sich gezeigt. Mit den Dörfern und Menschengewimmel hörte es schlagartig auf, nachdem wir über einen 2.500 Meter hohen Pass gefahren waren. Nicht nur das Wasser floss dann in die andere Richtung. Das Land räkelte sich. Breitete seine Arme, streckte den ganzen Körper weit. Die Täler öffneten sich zu großen genüsslichen Ebenen. Mit jedem Augenaufschlag ein neuer Platz zum Verweilen. Hier war wieder einmal jemand am Werk, der wusste wie es geht. Frischer Wasserlauf an seichter Flussbiegung mit Kiesfläche bestreut. Dazu eine saftig grüne Wiese, vom Wind kurz gehalten, neben Schatten spendenden flachen Gewächsen. Ganz ehrlich, so schön hatte ich mir Russland nicht vorgestellt. In meinem Kopf sitzt das Bild der kahl geschorenen, blassen und abgekämpften Soldaten, die einem nie in die Augen sahen und in Kasernen hausten, deren Fenster zu gespritzt wurden, wenn es einen „neuen Farbanstrich“ gab, so dass kein Tageslicht mehr eindringen konnte, offensichtlich hammerfest. Mit Schönheit hatte das ganz und gar nichts zu tun. Und mit Gefühl für geglückte Details gleich überhaupt nicht. Stärke und Kraft kam nicht zum Ausdruck durch gesund aussehende offene Gesichter und gut gebaute Körper. Einzig die dunkle Präsenz zeigte mir, dass es sich hier um ne ernste Sache handelte. Als Kind konnte ich wenig mit den russischen Kasernen anfangen. Sie waren für mich nur der Ort zu dem mich mein Vater ab und an schickte, um „Smetana“, die fetthaltige saure Sahne, zu kaufen. Da stand ich dann in diesem kleinen dunklen Laden, der mir so fremd erschien, als hätte ich eine andere Welt betreten. Diese russischen bunten Bonbons gab es da, die gewünschte Smetana auch. Beim Bezahlen schob die Kassiererin an einem Gestell mit Holzkugeln herum. Offensichtlich addierte sie damit meinen Einkauf. Gezahlt habe ich mit dem Geld der DDR. Das hat funktioniert, Rubel brauchte ich nicht. Ich erinnere noch, dass ich immer etwas schneller ging, wenn ich den Laden verlassen hatte, um die Gegend zügig hinter mich zu bringen. In Weimar, wo ich aufwuchs, lagen die Kasernen in einer schönen Gegend. Große alte Bäume gab es dort. Und trotzdem war es kein Ort zum Wohlfühlen. Irgendwie wurden wir Kinder auch fern gehalten von den russischen Soldaten. Es gab da keine gewollt hergestellte Verbindung. Kein aufeinander Zugehen, so dass man sich hätte kennen lernen können. Es waren Fremde in unserer Stadt. So habe ich es als Kind wahr genommen. Das ist meine Erinnerung, welche ich leider als Gefühl auf das ganze Land übertragen habe. Doch es ist nie zu spät für neue Erfahrungen. Ich schaue heute um mich und bin stiller Freude, über die Herrlichkeit dessen, was als kopfstehende Bilder in meine Augen gelangt. Von meinem Gehirn gedreht sehe ich aufrechte Landschaften voller Stolz und natürlicher Würde. Den Abend verbringen wir mit Uwe und Horst. Unseren beiden Motorradfahrern, die wir vor einigen Tagen schon einmal trafen. Gelacht haben wir miteinander, bis uns die Bäuche wehtaten. Das hallte gewaltig über das von mir einst so verkannte Land. Sorry Russland. Du bist wunderschön!

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