Stundenwasser / Wather for one hour
30.07.2015 Dund Us / Mongolia / N48°07’39.0“ E091°22’44.9“
Die Milchkannen klappern, während sie auf den Wagen über die Wege gezogen werden. Doch nicht alle. Manche quietschen auch im Rhythmus der Schritte, denn nicht jeder hat einen eigenen Wagen. Zehn Uhr. Nun aber mal los. Das Wasser kommt! Ein kleines viereckiges Häuschen. Davor Kinder über Kinder. Es ist ihr Job. Der mit dem Wasser. Morgens von zehn bis elf Uhr, nachmittags von siebzehn bis achtzehn Uhr. Der Fluss des Wassers ist rationiert. „Der Wassermann“ ist ein Staatsbeamter und am Ort eingesetzt, um den Hahn auf- und wieder zu- zu drehen.
Doch es ist kein Kinderspiel. Es ist echter Kampf. Ich stehe mit den Kindern in der Wolke der Wartenden und bin ob der Härte schweigsam, mit der es hier zur Sache geht. Rücksicht geht anders. Hier geht es ums Ganze. Und da scheint es egal, wie viele schmerzende Schienenbeine der eine oder andere mit seinem Eisenkarren verursacht. Die kleinen Mädchen haben die schlechtesten Karten. Sie müssen zusehen wo sie bleiben. Zwei Mal pro Tag diesen Kampf zu bestehen ist mit Sicherheit eine harte Lebensschule. Elka hat es endlich geschafft, sich nach vorn zu arbeiten und die abzuschütteln, die sich dazwischen drängen wollen. Seine Kanne ist voll. Schon steht die nächste Frage in seinem Gesicht. Wo ist der Wasserkarren? Mehrere Familien teilen sich einen. Das heißt, auf die Suche gehen. Und bitte nicht zu lange, sonst ist die Kanne auch noch weg. Diese Stunde am Wasserhaus hat alles, was das Leben selbst ist. In Reinform. In aller Klarheit. Elka erzählt, dass es oft zu Streit und Kämpfen kommt. Mit welchem Gefühl er sich wohl jeden Morgen aufs neue zum Wasser holen auf den Weg macht? Heute brauchen wir besonders viel. Es ist Waschtag. Das heißt, die Prozedur zwei Mal in einer Stunde zu bestehen. Und wenn man zu spät kommt, wie wir vor ein paar Tagen, dann gibt es bis zum nächsten Morgen einfach keinen einzigen Schluck. Ich bin bewegt, ergriffen, berührt. Wie kuschelig ist doch das, was wir oft als Alltag leben? Auch wenn die Gesetzmäßigkeiten des oben und unten, des stark und schwach, des vorn und hinten überall die gleichen sind.
Nach dem Spektakel am Wasserhaus scheint mir jeder Tropfen kostbar. Die Waschmaschine räumen wir vor das Haus. Auf dem Herd das Wasser erhitzen. Dann ab damit in die Maschine. Wäsche dazu, Waschmittel auch. Fünfzehn Minuten Rühren ist eingestellt. Das Wasser ist schwarz, doch das ist egal. Weiter geht es mit der nächsten Fuhre. Eine Schüssel zum Spülen, und ab in die Schleuder. Ich erinnere meiner Kindertage. Der gleiche Vorgang. Lange her und doch so nah. Wie viel hat sich in unserm Alltag in den vergangenen vierzig Jahren verändert? Fast kommt es mir vor als sei es in einem anderen Leben gewesen. Nun bin ich hier und wasche mit. Esen ist begeistert, was „Vanish“ kann. Da werden Hemdkragen sauber wie von Zauberhand, verabschieden sich Flecken, die für die Ewigkeit bestimmt schienen. Das Waschen zieht sich. Der Tag nimmt sich seine Stunden. Zur Freude aller wieder Schwimmen üben. Täglich werden es mehr Kids, die sich lachend kraulend über Wasser halten. Glücksgefühle pur. Ganz nah am Leben dran. Und schon ist es siebzehn Uhr und Elka zieht wieder los. Auf in das Gerangel ums Wasser.
Heute und morgen wieder.
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