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Anfernen und Entnähern /Remove and approximate

21.08.2015 Luus / Mongolia / N45°31’52.9“ E105°48’24.8“

Mit jedem Kilometer den wir fahren, mit jedem Schritt den wir gehen, entfernen wir uns. Von unserem zu Hause, von Deutschland, von unseren bereisten Ländern, von Ulaan Bataar. Die Distanz wird größer. Die mächtige Zahl der zurückgelegten Kilometer nimmt zu. Größer als sechsundzwanzigtausend ist sie inzwischen. Im gleichen Maß wie wir uns von einem Ort entfernen nähern wir uns einem nächsten an. Da wir ihn noch nicht kennen, spüren wir die Annäherung weniger als das Entfernen von dem uns Bekannten. Ein ganz logisches physikalisches Gesetz, möchte man meinen. Das ist die eine Seite. Es gibt für mich eine Zweite. Mit den Menschen scheint es mir auf eine magische Art anders zu sein. Je mehr Land zwischen uns liegt, je weiter wir zu gehen haben, um uns wieder zu sehen, umso näher kommen wir uns. Es war eine meiner Ängste vor unserer Abfahrt, die Beziehung zu den mir lieben Menschen unterwegs zu verlieren. Doch auf eine wundersame Weise habe ich das Gefühl, dass Nähe zunehmen kann wenn der Abstand größer wird. Das Band zwischen uns wird stärker, die Verbindungen drohen nicht zu reißen sondern scheinen an Stabilität zu gewinnen. Zu den Menschen zu Hause kommen die neu entdeckten von unterwegs dazu. So wird der Strang der Beziehungen immer tragender, je weiter wir gehen. Ein Geschenk, von dem ich nie geglaubt hätte, dass es möglich sein kann. Doch die Wunder nehmen zu, mit jedem Tag, mit jedem Erleben.
Ich bin gerade damit fertig geworden das Abendessen auf unsere Teller zu verteilen. Eine Schale voll bleibt erst einmal noch übrig zum Nachnehmen. Von Ferne und kurz darauf aus der Nähe hören wir, während unserer ersten gefüllten Gabeln die wir in die Münder schieben, wie sich ein Motorrad in unsere Richtung bewegt. Und schon steht er da. Der Mongole mit Hut, Sonnenbrille, gelebten Stiefeln und langem, in der Taille gebundenem Mantel. Sein prüfender Blick hellt sich sofort auf, als wir ihm einen schon bereit stehenden Hocker und die dritte Schale zum Essen anbieten. Schmatzend, was hier ein Zeichen für Wohlgefallen ist, isst er munter vor sich hin. Eine Unterhaltung mit Worten ist nicht möglich. So nehmen wir Stimmlage, Gesten und unsere Körper zu Hilfe. Im nächsten Ort wohnt er und seine Herde steht ein paar hundert Meter entfernt von uns. Er findet unseren Weg beeindruckend und mag den Leo. Jedes Detail schaut er sich mit großer Ruhe an. Eine Schale mit Abendessen, eine Cola und drei Zigaretten, die wir für Besucher immer parat haben, später, setzt er sich wieder auf sein Motorrad und knattert durch die inzwischen aufgekommene Dunkelheit davon. Es ist wirklich erstaunlich. Fast an jedem Abend kommt pünktlich zum essen ein Mongole vorbei. Mit unserem Leo nehmen wir da den gleichen Platz ein wie jede Jurte. Man kommt, setzt sich dazu und geht, sobald man satt ist. Eine lustige Nomadentradition.
Steine lagen heute auf unserem Weg. Große, rote waren es, in Scheiben zerteilt. Vielleicht von der Kälte im Winter. In einem Gebiet, ungefähr zwanzig Kilometer lang, ragen die aufgetürmten Steinsäulen aus dem sonst flachen Boden heraus. Burgen, Schlösser, Tiere und Gesichter können wir darin erkennen. Wir zwinkern ihnen zu bevor wir uns auch von ihnen entfernen.

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