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Am Tag davor / One day before

31.07.2015 Dund Us / Mongolia / N48°07’39.0“ E091°22’44.9“

Er ist angekommen. Er ist gelandet. Götz aus Jena ist da. Der letzte ist er, der ganz gemächlich aus dem Flugzeug steigt. Winken. Freuen. Uns fragen: „Wie ist das jetzt, wenn nach so vielen Tagen ein Freund zu uns kommt, aus einer, wie uns inzwischen scheint, ganz anderen Welt? Haben wir uns verändert? Was ist die beständige Verbindung?“.
Schön, dass er da ist. Freude und Freund haben denselben Wortstamm, wird mir bewusst. Zufall kann das nicht sein. Vorfreuen auf in die gemeinsamen Tage und sehen was geschieht. Geschehen ist heute viel. Daran denken fällt mir nicht leicht. Es zu erinnern noch viel weniger. Doch wir wollen das Leben mitbekommen wie es hier gelebt wird. Nicht verzerrt und beschönigt, tauglich für die Außenwelt. Sondern so wie sie ist. An jedem einzelnen Tag. Fleisch ist in der Mongolei das Gemüse. Und morgen ist Hochzeit. Dreihundert bis Vierhundert Gäste werden erwartet. Auf der großen Wiese im Tal sind fünf Jurten aufgebaut. Zum Essen und Trinken und Sitzen und so. Sitzen, das ist einfach. Aus allen Häusern und Jurten des Ortes werden die Teppiche, Stühle, Hocker und Bänke zusammen getragen. Wie ausgeräumt sieht es in Tileks Haus aus.
Trinken, leicht zu beantworten. „Kumis“, die angegorene Stutenmilch, wird in einem riesengroßen Behälter von allen Pferden der Umgebung gesammelt, Tee mit Milch wird immerzu gekocht. Aus Wodka scheint der Fluss im Tal zu bestehen. So viel ist davon da. Und das Essen? Bonbons und Kekse, Zuckerwaffeln und getrockneter Käse stehen bereit. Doch Gäste verköstigen heißt hier Fleisch auf die Tische zu stellen. Das Fleisch einer ganzen Menge an Tieren. Frisch. Von heute. Ich weiß nicht wohin ich zuerst sehen soll. Rund um mich herum werden Tiere geschlachtet. Ziegen, Schafe und ein Pferd. Die Bilder, eingebrannt in meinem Kopf, sind sehr speziell. Kann ich verstehen was da vor sich geht? Wie ordne ich es für mich ein? Und wo packe ich es in mir selbst hin, so dass ich ein Stück weit begreifen kann was ist. Um eine neutrale Sicht bin ich bemüht. Doch es fällt mir nicht leicht, das Pferd fallen zu sehen und die Schafe und Ziegen auch. Die Würde die gebeugt wird, wenn ein Tier zu Boden geht… Die Häufigkeit des Stürzens macht es nicht einfacher. Kurz vorher hatte ich meine Hand noch am Hals des Pferdes und habe leicht darüber gestrichen. Ich sehe große Wannen voll tiefroter Flüssigkeit und jede Menge Hände, die das Fleisch in handliche Stücke teilen. Massenhaft Töpfe stehen bereit, angefüllt mit allem, was ein Tier an Masse ausmacht. Därme sind zu spülen, Eisenwerkzeuge kommen zum Einsatz. Zehn Öfen werden aufgebaut und angeheizt. Qualm zieht durch das Tal, als es in den Töpfen zu kochen beginnt. Ich sitze und stehe daneben. Untätig. Nur meine Augen sind schnell. Das Gefühl kommt nicht hinterher. Irgendwann habe ich genug gesehen. Wir gehen. Während die anderen weiter tun. Denn morgen ist Hochzeit. Da gehört Fleisch auf den Tisch.
Einen erlösenden Freudenschrei höre ich aus mir selbst über den See hallen. Max kann schwimmen. Zum ersten Mal. Kraulend bewegt er sich durch das Wasser. Die Angst der ersten Tage in seinem Blick ist purem Stolz gewichen. Die ganze Gruppe an Kindern hat es geschafft innerhalb von fünf Tagen schwimmen zu lernen. Wie wild wollen sie es immer wieder sich selbst und uns beweisen, wie gut sie es nun können. Leicht gleiten die Jungs durchs Wasser. Wir stehen dabei und staunen.
Erst die Tiere, dann das Schwimmen und nun der Pfarrer. Wir sind in Khovd in der Jurte der christlichen Gemeinde. Bibeln liegen unter einem Tischchen, weiche Teppiche laden zum Ankommen ein, gelbe Stoffe an den Wänden strahlen voll Behaglichkeit. Ich bin froh hier zu sein. Es ist, als wäre der Tag eine Waage. Der Vormittag brachte viel Gewicht in die eine Schale. Nun füllen wir die andere Seite. Gleichgewicht. Balance. Ich komme zur Ruhe, finde mich wieder vor dem Rohbau einer kleinen Kirche, die gerade dabei ist zu entstehen und drehe wenig später an den Gebetsmühlen eines buddhistischen Tempels. Den gibt es in direkter Nachbarschaft. Ich mag das Mit- und Neben-Einander. Darum geht es doch im Glauben, meine ich.
Das Flugzeug ist gelandet. Vielleicht vierzig Menschen sind ausgestiegen. Götz war auch dabei. Um den Spannungsbogen zu halten, bleibt das Gebäck auf der dreißig Meter entfernten Rollbahn stehen. Jeder könnte hingehen, seine Tasche schnappen und gut wäre es. Aber nein. Das muss professionell in Angriff genommen werden. Mit einem Wagen oder so und dann die letzten Meter auf nem Förderband. Ist ja schließlich ein internationaler Flughafen hier. Uns kann es nur erheitern, wie wir mit Götz durch einen kleinen Schlitz, in der nicht ganz so exakt gebauten Zwischenwand, reden. Ein Auge, ein Mund, eine winkenden Hand. Und dann ist er da. Bereit zur Umarmung. Am Abend davor. Wenige Stunden vor der Hochzeit.
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