Leben leben – australische Lebenskonzepte in der remote area
07.01.2015 Cooktown / Australien / S15°28’10.4“ E145°15’23.1“
Das Gattertor öffnet sich knarzend. Wir rollen hinein in ein Anwesen, mitten im Irgendwo-Land, „Frog whole“ genannt. Hier ein paar Mangobäume, dort Papayas und Passionsfrüchte. Dazwischen ein Sonnenunterstand für die Geländewagen, dort ein großer Regenwassertank. Vorbei an Wurzelstumpen alter Bäume, die Platz gemacht haben, um hier zu leben. So geht das hier. Man erwirbt ein Stück Wald. Darauf dichter Bewuchs von Eukalyptusbäumen, und Dschungelgewächsen. Läuft das Gelände ab. Erkundet dabei die „höchste“ Stelle. Um wenige Zentimeter kann es sich dabei handeln. Und schon wird vom „Berg“ gesprochen. Auf und um den Berg herum wird nun gerodet. Bis Licht den Boden berührt und eine Lichtung entsteht. Container rollen heran, Zelte spannen ihre Häute auf, Blech biegt sich, um als Dach zu dienen. Fertig ist ein Wohnplatz. Der Wind fegt hindurch, die Hitze macht es sich auf den Dächern bequem. Man lebt draußen vom frühen Morgen bis tief in die Nacht. 32 Grad im Dezember im Durchschnitt. 27 Grad im Juni. Das Ganze durchweg, am Tag und in der Nacht. Da braucht es keine Heizung und keine dicken Wände. Da ist Leben im Sommerhaus angesagt, vom ersten Januar an, bis zum einunddreißigsten Dezember. Wir sind zu Gast bei John und Carol. Sie, als Elfjährige mit ihren Eltern aus England hierher gezogen. Er geboren in Australien. Heute haben beide ihre Arbeitsleben längst hinter sich. Die Kinder wohnen, in einem Bild gerahmt, ein wenig mit hier. Das Leben in der Stadt. Nur so lange man musste. Seit zehn Jahren nun hier draußen. Da, wo Sommer ist, vierundzwanzig Stunden lang an dreihundertfünfundsechzig Tagen im Jahr. John liebt es, zu Angeln und Jagen. Carol baut Holzschalen aus den dicken Warzen der alten Bäume. Ein Leben in Freiheit, in Mitten der Natur. Das ist nicht immer schön. Carol, verbrachte viele Jahre ihres Lebens auf einem Schiff. Und ist den Winden seit diesen Tage leid. Kommt ein Zyklon, kommt auch die Angst. Die wird nicht kleiner, wenn das Auge des Sturms mitten über das eigene Grundstück fegt. Dann ist Überleben alles. Hab und Gut hat abgedankt und keinen Wert. Man scheint hier nicht zu „Besitzen“. Mehr Sinn macht es, hier zu „Leben“. Einen Tag lang leben wir einfach mit. Die selbsternannten Großeltern von Emma genießen es, die fröhliche Plappertasche plantschend in der Wasserwanne um sich zu wissen. Wir Großen schaukeln in der Hängematte, werden auf dem Quad durch Gelände gekarrt, und lassen auf allerliebste Weise unser Kochprojekt aufleben. Selbstgefangene Fische, die Kräuter aus dem Garten. Ich fühle mich, als sei ich in eine australische Koch-Show geraten. Das Ambiente, inmitten des sommerlichen Waldes, ganz wunderbar. Kameras entdecke ich keine. So können wir genießen, was nur für uns bestimmt ist. Lebenskonzept das Wievielte? Ich weiß es nicht und spüre doch, wie sich in einem Jahr die Ideen in meinem Kopf vervielfacht haben, wie Leben leben kann.
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