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Der Linie folgen / Follow the line

07.04.2015 Kasachstan / Ustjurt-Plateau / N42°37’35.6“ E053°06’52.3“

Auf geht es in den Tag. Alles beginnt von neuem. Jeder Tag hat sein ganz eigenes Wesen. Stürmisch geht es heute los. Der Wind hat uns die ganze Nacht begleitet und ist auch jetzt zur Stelle. Irgendwie ist das Wetter heute wie ein Sinnbild für uns. Wir fühlen uns heiter gestimmt, wie die Sonne die scheint, und in uns windet und braust es, genau wie um uns herum. So Vieles ist in Bewegung. Die Frage ist, was ist zuerst da. Das Wetter, welches uns beeinflusst oder ist es umgekehrt? Vielleicht ist auch alles einfach ein und dasselbe? Ich komme mir hier draußen ehe mehr und mehr als ein kleines Teilchen im großen Zutatenkessel vor. Gleich den Schildkröten und Vögeln, die uns begegnen. Zufällig heiße ich nun „Mensch“. Mehr an Unterschied gibt es nicht. Jeder muss sehen wie er hier zu recht kommt. Mal ist es wundervoll, wenn der Vogel sich durchs Tal gleiten lässt. Mal ist es anstrengend, wenn der Wind ihn wild durch die Luft wirbelt. Nicht anders geht es uns.

An uns ist es heute den Linien zu folgen. Wir fahren noch eine Weile am Rande des Canyons entlang und suchen dann einen Weg aus den Talkesseln heraus. Mal ist es sandiger Boden, mal ist er lehmig und schwer. Es scheint hier geregnet zu haben, so klebrig fühlt sich der Untergrund mitunter an. Dann können wir nur schnell versuchen das Weite zu suchen. Wir haben unsere alten russischen Karten auf dem Rechner. Und die gefahrenen Wege unserer Freunde, die vor Jahren einmal hier waren. Sie sind uns Anhaltspunkt, wo ein Weg langführen könnte. Die Landschaft selbst ist weiträumig. So orientieren wir uns an den Himmelsrichtungen und unserem Gefühl, wenn es darum geht, welche Piste wir wählen. Denn erst einmal sind wir noch in dem Talkessel und wollen einen Ausgang finden. Rundherum nur hohe Berge, die das Tal begrenzen. Doch am Horizont sehen wir eine Linie. Dort scheint es heraus zu gehen. Einfach darauf losfahren und nachschauen. Die Piste ist lehmig und der Boden klebt an den Reifen, doch wir kommen durch und schaffen den Ausstieg. Oben angekommen eine Überraschung. Vor uns entfaltet sich eine neu gebaute Eisenbahnlinie. So richtig nach modernem Standard. Hohe Beton Wälle, davor eine höher gelegte Rohrleitung. Es ist einfach kein Durchkommen möglich. Und das hier mitten auf dem freien Feld, wo sonst weit und breit nichts ist als flache Sträucher, Sand und Lehm. Unsere Karte sagt uns, dass es einige Kilometer weiter einen anderen Weg gibt. Zu diesem fahren wir in der Hoffnung, dass dort vielleicht ein Überqueren der Schienen möglich ist. Und tatsächlich. Obwohl es sich auch hier einfach um einen Piste handelt, haben sie doch tatsächlich einen Bahnübergang eingebaut. Wir können unser Glück kaum fassen und fahren vergnügt auf die andere Seite. Viel weiter wäre es für uns auch nicht mehr gegangen. Denn wir sind hier nur noch zehn Kilometer von der turkmenischen Grenze entfernt und suchen nun schnell in entgegengesetzter Richtung das Weite. Immer gen Westen, dem Sonnenuntergang entgegen in Richtung Kaspisches Meer. Bis dorthin ist es noch ein Stück Weg. Doch wir machen Halt für heute, um im letzten Moment des Sonnenlichtes mit unserer Wodka-Cola auf den Tag anzustoßen.

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