Drachenläufer / Runner with paper dragon
11.05.2015 Usbekistan / Taschkent / N41°19’31.2“ E069°15’38.6“
Wir schöpfen am Morgen gleich mit der ganz großen Kelle. Es zischt und dampft und brodelt in den Kesseln des „Plov Center“. Probieren können wir in dieser frühen Stunde noch nichts von all der Deftigkeit. Unsere Mägen plädieren für Ruhe. Doch den Leuten um uns herum scheint eine deftige Portion Plov zu jeder Tageszeit zu munden. Wir durchqueren laufend die Stadt und merken, dass wir uns inzwischen gut auskennen. Die Fremdheit der ersten Tage ist für uns von den Hausfassaden gefallen und wir genießen diese vertraute Atmosphäre. Heute ist „Bürozeit“. Das bedeutet, wir suchen uns ein Café mit Wifi und erledigen alles an email Beantwortungen und Telefonaten, was ansteht. In Kirgistan geben wir all unseren Kontaktpersonen Bescheid, dass sich unser Besuch bei Ihnen noch etwas verzögert, da wir wegen des Getriebes erst nach Kasachstan fahren. Die Berge Kirgistans würde der Leo gerade nicht verkraften. Für die nächsten angedachten Etappen in der Mongolei und China sind heute ebenfalls Vorplanungen zu treffen. Es ist Teil unseres Alltags, mit all unseren Bekannten des Weges, die wir trafen und die wir noch treffen wollen, in Kontakt zu sein. So ist es wie eine kleine Communité, die uns von Land zu Land begleitet und von Begegnung zu Begegnung anwächst. Ein Andenken möchten wir uns aus Taschkent mit auf die weitere Strecke nehmen. So suchen wir uns im kleinen Altstadtteil die Moschee aus dem 16. Jahrhundert aus, die Sten zeichnet. Allein ist er dabei nicht. Pausenlos kommen Kinder oder Gruppen an Erwachsenen vorbei, die ihn umlagern und einfach schauen. Sten spielt seine Rolle gut und lässt sich beim Zeichnen nicht aus der Ruhe bringen. Und dann, dann hören wir es laut Rauschen und Knattern, fast als wäre ein Mofa in der Luft unterwegs. Doch es ist ein Drachen, der ungestüm durch die Luft saust. Er ist groß und die Jungs haben alle Hände voll zu tun, um ihn zu bändigen. Die „Drachenläufer“. Wir haben sie gefunden! Ich sitze gebannt da und fühle mich von einer Sekunde auf die nächste in das Buch mit dem gleichen Namen versetzt. Ich habe es gelesen, ich habe den Film gesehen und nun rennen die Jungs vor meinen eigenen Augen auf dem Platz hin und her, wickeln mit vollkommenem Geschick die Schnüre auf und wieder ab. Sie sind ein eingespieltes Team, bei dem jede noch so kleine Bewegung zu sitzen scheint. Ich glaube, die Jungs hier würden den Wettbewerb unter den Läufern mit Abstand gewinnen! Von den Drachenläufern zum „Stammtisch der Deutschen Wirtschaft“. Zwei Mal pro Monat treffen sich die Deutschen Unternehmer Taschkents. Dariusch ist so freundlich, uns dazu einzuladen. Wir versuchen aus unserer Reisekleidung eine Kollektion zusammen zu stellen, die einem solchen Anlass einigermaßen gerecht wird und sehen wohl trotzdem wie die bunten Vögel aus. Macht nichts. Wir haben ein paar gute Gespräche mit einigen Herren am Tisch und finden es interessant, neben der sonst ganz privaten Seite, die wir kennen lernen, auch einmal einen Blick auf die Business Welt zu richten. Nach zwei Stunden löst sich die Runde auf. Genau passend, um sich nun noch bei Saule und ihrer lieben Familie zu verabschieden. Wir waren für ein paar Tage gefühlt ein Teil davon und liegen uns lange „Auf Wiedersehen“ sagend in den Armen. Unseren ganz eigenen Abschied von Taschkent nehmen wir auf einem Divan. In lauer Sommerluft und einem kühlen Bier.