Ein halbes Jahr / A half year
25.06.2015 Almaty / Kasachstan / N43°14’37.5“ E076°56’13.5“
Ich erinnere es noch so unglaublich genau. Der Moment, in dem ich unsere Wohnungstür hinter mir zuzog, mit dem letzten Gepäck die Treppe hinunter zum Leo lief und der Klos in meinem Hals immer dicker wurde. An herunter schlucken war gleich gar nicht zu denken. Der Klos saß dort an diesem 25. Dezember 2014 und sollte sich auch in den darauf folgenden ersten Wochen nicht von der Stelle rühren. Das Abschiednehmen, auf Zeit, fiel mir unglaublich schwer. Ich hatte Angst vor allem Möglichen und Unmöglichen. Auch vor den Veränderungen, die mit mir selbst auf der Reise vor sich gehen könnten. Ich glaube heute sagen zu können, dass die Veränderungen wohl noch größer sein werden, als ich es damals festhaltend befürchtete. Ich kannte nur meinen Alltag, wie ich ihn seit vielen Jahren lebte und liebte. Immer war er, neben dem Zusammensein mit unserer Familie und Freunden, auf irgendeine Weise mit viel Arbeit und voll gestopfter Zeit verbunden. Plötzlich ohne alles dazustehen, was mir bis dahin Normalität und Struktur bedeutete, war mir nicht vorstellbar. Ich hatte keine Ahnung davon was ich bin, wer ich bin, wie ich bin ohne ALLES. Dieser Eindruck des „ohne alles“ begleitete mich eine ganze Weile.
Mal gab es kurze Momente einer Ahnung, doch lange war da einfach nur ein großes Fragezeichen.
Im Januar und Februar dieses Jahres und mehr noch heute sage ich, dass es offensichtlich höchste Zeit war, mich einmal von meinem enorm manifestierten Selbstverständnis zu lösen. Loslassen und loslaufen um zu sehen was geschieht, war alles andere als einfach zu Beginn.
Heute, am 25. Juni 2015 sitzen wir mit unseren Edelstahlgläsern voll Rosé Wein da und können es kaum glauben. Einerseits, dass schon ein halbes Jahr vergangen ist, andererseits, dass erst ein halbes Jahr vergangen ist. Wir beide haben den Eindruck, dass unglaublich viele Dinge in den vergangenen sechs Monaten geschehen sind, im Innen und Außen. In uns, mit uns, durch uns, für uns.
Wir haben keine Ahnung davon, wie die kommenden Wochen und Monate verlaufen werden. Noch weniger wissen wir, als was und wie wir irgendwann nach Hause kommen werden.
Doch eines sagen wir beide in dem Moment, als wir uns mit den Gläsern zuprosten. Es war die richtige Entscheidung, uns auf den Weg zu machen!
Das „ohne alles“ Gefühl existiert nicht mehr.
Als wir endlich angekommen waren auf unserer Reise begann viel Spannendes, Neues, Unentdecktes in uns zum Vorschein zu kommen. Wir hatten nur keine Ahnung davon, damals, am 25. Dezember 2014.
Wunderbar! Schön zu lesen, wie ein Leben lang gelernte Muster brechen, Routinen hinterfragt und Neues gefunden wird. Auch beneidenswert. Auf jeden Fall ist Euer Blog weiterhin lesenswert und für die Daheimgebliebenen täglich aufs Neue mindestens auch eine kleine gedankliche Reise aus den Prozessen und Gewohnheiten. Was auch immer in den nächsten Monaten vor Euch liegt, schreibt bitte weiter so fleißig und nah 🙂
Hallo Ihr Zwei,
vielen Dank für die offenen Gedanken. Ich denke, jede Reise verändert uns, mal mehr – mal weniger. Auch wenn wir noch nie 6 Monate unterwegs waren, spätestens nach den ersten 100 km ist der Blick zurück bei uns eher vergessen. (Mülleimer leer, Kühlschrank, Kind, Oma, …) Familie, Haus, Freunde, all die Dinge bleiben ja. Plötzlich empfinden wir das kleine Auto als „zu Hause“ und denken unterwegs auch so.
In Planung unserer kommenden längeren Reise sind wir eher gespannt darauf, wie uns die neuen Eindrücke verändern werden. Wie werden wir wieder nach Hause kommen? Was wird sich in uns verändern? Bleiben die Veränderungen? Oder ticken wir ein paar Wochen später so, wie zuvor?
Ich glaube, man ist nie „ohne alles“, man wird reicher.
Euch weiterhin eine gute Zeit und viele positive Erlebnisse.
Conny & Frank