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Es war einmal / Once upon a time

12.10.2015 Vang Vieng / Laos / N19°01’07.0“ E102°26’46.6“

„Es war einmal ein Mann. Der Mann heißt Mister T. Er hatte 1996 einen Traum. Die Seidenproduktion wollte er wiederbeleben. Für die Seidenraupen brauchte er Maulbeerpflanzen. Da die Blätter die Nahrung der Raupen sind. Er gründete eine ökologische Farm, etwas außerhalb eines kleinen Orts mit dem Namen „Vang Vieng“. Junge Leute, die interessiert an ökologischen Ansätzen waren, kamen, um ihm bei der Farmarbeit zu helfen. Doch oft es war heiß, zudem das Geld mehr als knapp und die Helfer mitunter missgestimmt. Mister T. sann nach einer Idee, um die Lebensgeister der jungen Leute aufzufrischen.
Er dachte nach und dachte nach. Vor seiner Farm schlängelte sich ein Fluss entlang. Auf den schaute er beim Denken. Plötzlich erinnerte er, dass er einmal Männer sah, die gemütlich in Autoreifenschläuche saßen, damit auf dem Wasser schwammen, und auf diese Weise angelten. „Nun gut“ sprach der Mann zu sich „ich will es einmal ausprobieren.“ Gedacht, getan. Er kaufte ein paar Schläuche, pumpte sie auf, warf sie ins Wasser und lud seine Gehilfen ein es sich darin gemütlich zu machen. Von diesem Tag an war die Stimmung gerettet. War es zu heiß, nahmen die Helfer ein entspanntes Bad, vor sich hin treibend auf dem Wasser. Mister T. war glücklich und die jungen Leute auch. Eines Tages wollten sie in den fünf Kilometer entfernten Ort „Vang Vieng“. Doch die Fahrräder auf der Farm waren knapp. Eine andere Lösung musste her. Und die sah so aus. Auf den Schläuchen ließen sie sich flussabwärts treiben. Vorbei an der wunderschönsten, märchengleich verwunschenen, hoch auf getürmten Karstlandschaft, glitten sie dahin und landeten drei Stunden später tatsächlich in dem Ort. Was für ein Spaß?! Wieder und wieder trieben sie ihr neues Spiel. Die wenigen Gäste, die Vang Vieng aufsuchten, fragten überall nach, wo man derartige Schläuche kaufen könne. Fortan boten alle möglichen Shops Schläuche für umgerechnet fünfzig Cent zur Miete an. Die Idee des „Tubing“ war geboren und sprach sich blitzschnell herum. Im fernen Jahr 1996 waren es gerade einmal eintausend dreihundertachtzig Menschen, die den verschlafenen Ort „Vang Vieng“ besuchten. Innerhalb weniger Jahre waren es gigantische einhundertsiebzigtausend Besucher pro Jahr geworden. Der kleine Ort wurde von der Gästewelle förmlich überrollt und mental platt gemacht. Denn mit den Gästen kamen die chinesischen, vietnamesischen und thailändischen Investoren. Sie bauten mehr als einhundert Gasthäuser und Hotels. Doch das war erst der Anfang der Geschichte. Nach allen Seiten uferte die Idee aus, bis plötzlich entlang des Ufers Bars aus dem Boden gestampft wurden, die neben Schnaps, Whisky-Cola und Mojito halluzinierende Pilze, Haschisch, Marihuana und Opium auf der Speisekarte stehen hatten. Um die Vorbeischwimmenden ans Ufer zu holen, wurden Seile ausgeworfen, mit deren Hilfe die Leute an Land kamen. Animateure heizten zum kübelweise Trinken an. Über zehn Meter hohe abstruse Konstruktionen, auch „Todesschaukeln“ genannt, stürzten sich die Vollgedröhnten wieder ins Wasser. Der reine Horror. Allein in dem Jahr 2011 sollen mehr als siebenundzwanzig Reisende bei diesen Aktionen tödlich verunglückt sein.
„Vang Vieng“ war nicht zu halten. Die Einheimischen verzweifelten, weil sie nicht mehr wussten, wie sie in einer solchen Umgebung ihre Kinder groß ziehen sollten. Eine Stadt außer Kontrolle. Im Herbst 2012 zog die Regierung die Notbremse, indem sie Trupps entsandte, zum Abriss aller Ufer-Bars. Gleichzeitig ist man seitdem bemüht, andere Formen der touristischen Betätigung zu installieren.“ Soweit das leider tatsächlich wahre Märchen, von dem hier jeder weiß. Wir halten kurz an der Farm von Mister T. Doch das Gegröle der Trinkenden in dem angrenzenden „was auch immer“, mit anschließendem Sprung in den Schlauch, reichen uns schon nach kurzer Zeit. So ganz scheint die alte Zeit wohl noch immer nicht vergangen zu sein. Wenn sie meinen, sollen sie. Wir finden unseren Platz weitab der Stadt am Fluss. Machen ein Feuer, gabeln unsere Spagetti und sind glücklich.
Hm, Mister T. hatte da mal so ne Idee…
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