Grüße aus Iran / Greetings from Iran
03.03.2015 Iran / Meybod / N32°14’57.4“ E054°00’26.8“
Vogelgezwitscher als Aufwachgesang. Jetzt, da wir es hören merken wir, wie lange wir ohne dieses muntere Auf und Ab der Melodien erwacht sind. Hier in der Oase ist es an anders. Von Palme zu Palme springen die Spatzen und genießen das Bad in den Wasserläufen. Wir setzen uns gleich dazu und frühstücken auf einem umgefallenen Palmenstamm. Normalerweise gibt es hier draußen nur heiße Sommer bis 60 Grad Celsius. Doch vor sieben Jahren gab es einen Winter mit einem Monat lang Schnee und minus 20 Grad. Der Schnee ist willkommen, da er die Wasserspeicher auffüllt. Doch der Frost hat Unmengen an Palmen absterben lassen. Deshalb sind wir nun umgeben von unzähligen jungen Palmen, die es hoffentlich schaffen groß zu werden, bevor wieder ein so harter Winter hereinbricht. Wir freuen uns, dass es heute nach Frühling riecht und nach Frühling anfühlt. Und so verabschieden wir uns von Garmeh und seiner 2.000 Jahren alten Lehmburg, die noch aus der Zeit stammt, als hier ein großer See das Landschaftsbild bestimmte, der einem Erdbeben zum Opfer fiel und das Land zur Wüste werden ließ. Unsere Strecke führt heute durch diese riesengroße Ebene, die gehalten wird von am Rand liegenden hohen Bergen. Salzkrusten auf der Oberfläche des Sandes erzählen davon, dass es hier manchmal Wasser gibt. Wir brausen mit unserem Leo, gemeinsam mit all den anderem LKWs die wir schon 50 Kilometer weit sehen, weil die Straße hier schnurgerade durch das Wüstenland führt, durch diese für uns so einmalige Landschaft. Wir schauen uns heute immer wieder an und müssen lachen, weil es uns in der Wüste so gut wie selten geht. Warum das so ist kann ich schwer zu sagen. Vielleicht fühlen wir uns besonders lebendig in der Nachbarschaft dieses leblos erscheinenden Raumes. Am Nachmittag erreichen wir „Karanaq“ ein verlassenes Dorf. Wir sind fasziniert von der Architektur der Häuser, vom Einfallsreichtum wie sich Schattenflächen geschaffen wurden. Es ist wie in einem Schachtelsystem. Indem ich von einer Schachtel, also einem Raum, in die nächste steige und somit von Haus zu Haus gelange, ohne der im Sommer so heißen Sonne ausgesetzt zu sein. Die dicken Lehmwände strahlen eine angenehme Wärme und Kühle zugleich aus. Warum das Dorf verlassen wurde wissen wir nicht. In manchen Häusern wirkt es wie ein plötzlicher Aufbruch. Da angefangene Bauarbeiten auf ihre niemals eintretende Vollendung warten. So genießt das Dorf nun seine Ruhe und lässt uns entdecken und stauen.
Unser Ziel ist heute Meybod. Eine Stadt in der Wüste. Dort werden wir von der Familie eines Freundes aus Jena schon sehnsüchtig erwartet. Wir sind übermannt von so viel Gastfreundschaft und Herzlichkeit und können uns nur darin treiben lassen. So geht es gleich los mit dem gemeinsamen Kochen, bevor wir zum ersten Mal die traditionelle Sportart „Zurkhaneh“ zu sehen bekommen. Allabendlich treffen sich überaus durchtrainierte Männer zur Ausübung dieser Ertüchtigung. Wir lassen uns erklären, dass „Zurkhaneh“ wesentlich älter ist als der Islam und dazu diente, die Männer für den Kampf zu stählen. So gibt es einen singenden Trommler, der laut rhythmische Ferse vorträgt, nach denen sich bewegt wird. Was sage ich „bewegt“. Mir bleibt der Mund offen stehen bei all der Beweglichkeit, Muskelkraft und dem Rhythmusgefühl welches diese Gruppe an Männern zeigt. Es ist in meinen Augen eine Art Kampftanz mit vielen Drehsprüngen und dem Schwingen von massiven großen Holzkeulen oder Metallrasseln. In den reich verzierten Hosen hat das Schauspiel der Männer auch etwas Künstlerisches. Und das schnelle Drehen scheint sie in eine Form von Transe fallen zu lassen. Unsere Köpfe sind voll von die Eindrücken der Tagesstrecke, dem Geisterdorf, der Familie und dem Sport, doch der Tag ist noch lange nicht zu Ende. Wir werden durch verwinkelte Gassen geführt und finden uns in einem historischen Haus wider. In dieser Abendstimmung wirkt es ruhig und beschaulich, doch in dem Moment, als die Tür sich öffnet, ändert sich alles sofort. Ungefähr 30 Augenpaare sind auf uns gerichtet, als wir den Raum betreten. Es sind Onkel, Tanten, Nichten, Neffen, Cousins, Cousinen, Geschwister, Enkel, Großeltern. Manche Kinder schlafen in mitten des Trubels, das eine oder andere Baby schreit und wird von Hand zu Hand gereicht. Dabei sitzen alle auf dem Fußboden und sind einfach darüber glücklich, dass wir da sind. Die Frauen in ihren schwarzen Roben sitzen im Nachbarraum und schauen durch die Tür zu uns herüber. Es ist unglaublich spannend für uns in diese sehr traditionelle Welt Einblick nehmen zu dürfen. Nach ein paar kleinen Gesprächen, vielen freundlichen Gesten und Verbeugungen werden wir weiter in die Altstadt Meybods geführt. In Meybod erlebe ich wirklich in Reinform die Zurückhaltung der Männer den Frauen gegenüber, aber auch die Schüchternheit der Frauen selbst. Hand geben ist hier ein vollkommenes Tabu und so manche Frau isst aus Schüchternheit nicht mit uns gemeinsam auf der großen Decke im Wohnraum sondern allein auf dem Boden sitzend in der Küche.
Später in unseren kleinen eigenen Wänden liegend können wir es wieder einmal nicht fassen was wir heute alles an Eindrücken gewonnen haben.