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Hochzeit auf Persisch / Persian wedding

26.02.2015 Iran / Isfahan / N32°38’31.9“ E051°38’33.5“

In Iran Gläser aufzutreiben, die einem Weinglas ähneln ist gar nicht so einfach. Doch Teegläser gefüllt mit Cola tun es auch… Eine Kerze zaubern unsere Gastgeber auch noch hervor und fertig ist die mitternächtliche Geburtstagszeremonie für Sten. Mich überrascht, dass das Lied „Happy Birthday“ auch in einer persischen Version existiert und so singen und tanzen wir alle gemeinsam für Sten, der heute 53 Jahre alt wird. Geburtstag in Iran, ich glaube das vergessen wir nicht in unserem ganzen Leben!

Und so springen wir in den Tag, der nach ein paar Stunden Schlaf gleich mit einem Besucher im Leo weiter geht. Es ist Paiman. Er hatte einen Tag zuvor unseren Leo gesehen mit unserer Internetadresse darauf. So flatterte einen Abend zuvor eine Email bei uns ein, in der er uns schrieb, dass er Deutsch lernt, um in Deutschland zu studieren und uns unbedingt treffen möchte. Also klopft es um 9 Uhr an unsere Tür und die Geburtstagsfeier geht weiter. Mit Tee, einer Mückenkerze und unserem restlichen Weihnachtsstollen, der es bis hierher geschafft hat. Deutschland ist für viele junge Iraner DAS Sehnsuchtsland. Alle kennen den tollen deutschen Fußball, alle kennen Miro Klose.

Wir gehen gemeinsam zu einer der 33 Brücken, die Isfahan aufzuweisen hat. Die Steinbrücke ist rund 500 Jahre alt doch in ihrer zeitlosen gelungenen Architektur wirkt sie auf uns absolut modern. Paiman führt uns später zu seinem Vater, der auf dem Basar ein Juweliergeschäft betreibt und die Wüste ebenso liebt wie wir. Sein Laden läuft gut, wie er uns erzählt, da in Iran der Handel mit Gold zum Alltag gehört. Keine Hochzeit kommt ohne Goldgeschenke aus. Jeder zweite Gast schenkt Goldmünzen oder Goldschmuck. Und geheiratet wird viel. Denn es ist die einzige Möglichkeit, um in eine gemeinsame Wohnung zu ziehen und zusammen zu leben.

Eine Verabredung löst die nächste ab. So wünschen wir Paiman viel Glück, dass es mit seinem Visum für ein Studium in Deutschland klappt und treffen Ali, den Sohn unserer Gastfamilie hier in Isfahan. Die schwingenden Moscheetürme, die durch Resonanz miteinander bewegt werden können und Weltkulturerbe sind, wie überhaupt ganz Isfahan von der UNESCO als solches eingestuft wurde. Ein Leben in Isfahan ist ein Leben in einem großen Freiluftmuseum. Und so liegt in unmittelbarer Nähe der Feuerberg. Es ist eine natürliche Erhebung am Stadtrand mit einem Turm aus Lehm auf dem Gipfel. In diesem Turm wurde zu früheren Zeiten ein großes Feuer entfacht, wenn von weitem kriegerische Truppen im Anmarsch waren. Auf die Art war die Stadt gewarnt und die Menschen konnten sich schützen.

Langsam kommt Unruhe auf. Denn die Zeit rückt voran und damit der Beginn der Hochzeit, zu der wir heute Abend von unserer Gastfamilie eingeladen sind. Es ist die Familie einer lieben Freundin aus Jena. Da sie leider nicht hier sein kann, sind wir sozusagen ihre Vertretung.

Es geht los. Oder nein, es geht erst mal gar nicht los. Es hieß, 19 Uhr müssen wir im Hotel sein in welchem gefeiert wird. Doch um 21 Uhr sitzen wir noch immer in der Wohnung und alle wuseln um uns herum, um sich für den Abend zu stylen. Allein das ist für uns so spannend zu sehen, dass uns die Zeit keinesfalls lang wird. Dann setzt sich unsere kleine Gesellschaft in Gang und reiht sich schon gut einhundert Meter vor dem Hotel in die Autoschlange der dreihundert erwarteten Gäste ein. Wir sind also absolut pünktlich und lernen immer wieder, dass Zeitpunkte hier sehr relativ zu sehen sind…

Im Auto dürfen wir noch zusammen sitzen. Im Hotel werden dann die Männer von den Frauen getrennt. So finde ich mich also gleich darauf in einem Saal voller Frauen wieder, die tanzen und lachen und dabei immerzu Trällerlaute von sich geben, ähnlich einem Ruf der Indianer.

Ich werde hineingezogen in die Traube der Tanzenden und lasse mich darin fallen. Alle scheinen hier zu wissen, dass ich die Deutsche bin. Und so werde ich am laufenden Band gebeten für ein Foto zur Verfügung zu stehen. Ich mache es gern und lerne auf diese Art fast alle der Frauen kennen. Außer dem Bräutigam darf kein Mann den Raum betreten. Oder doch? Ich weiß nicht einmal, ob ich das hier so schreiben darf, weil zusammen feiern im öffentlichen Raum verboten ist. Auf jeden Fall finden es die Männer in ihrem Saal irgendwann zu langweilig, wie mir Sten erzählt und so kommen sie urplötzlich zu den Frauen. Denn hier ist es bunt, hier ist es lustig, hier wird gefeiert! Die Aufregung ist plötzlich groß wie im Ferienlager als damals die Jungs und Mädchen zum ersten Mal zusammen auf der Disco tanzen durften. Ein Gekreische und Gekicher und Getuschel.

Tanzen tun hier alle, die Männer fast noch begeisterter als die Frauen. Hochzeit auf Persisch ist ein großes Tanzfest. Die Zeremonie des Ringe Tauschens findet bereits ein Jahr zuvor statt. Sozusagen als Verlobung. Doch zusammen ziehen darf man zu dem Zeitpunkt noch nicht.

Nach stundenlangem Tanzen und Essen und Tanzen geht’s dann weiter in ein privates Haus. Dort wird weiter getanzt und das Geschenk eines jeden Gastes wird benannt. Das läuft so ab. Alle tanzen, dann wird es ruhig, ein Name wird verlesen und der Geldbetrag genannt oder die Menge des Goldes, welche geschenkt wurden. Dann kommt der Gast in die Mitte, tanzt allein und der nächste Name und Betrag wird in die Runde gerufen.

Inzwischen ist es zwei Uhr am Morgen doch die Party geht weiter. Der ganze Zug der Feiernden begibt sich nun in die vollkommen neu eingerichtete Wohnung des Hochzeitspaares. Es ist Aufgabe der Eltern der Braut die komplette Wohnung einzurichten, samt einem gefüllten Kühlschrank für eine Woche.

Als wir die Wohnung betreten stehen sämtliche Schranktüren offen und alle Gäste begutachten den Inhalt auf das Genaueste. Vom Schlafzimmer bin ich beeindruckt! Es sieht aus, wie in einem Märchenschloss. Vor dem Bett liegen geschmückte Gebetsteppiche. Sie sind wichtig. Denn vor der ersten gemeinsamen Nacht wird gebetet.

Kurz vor vier Uhr am Morgen finden wir uns im Leo wieder und können kaum glauben was wir in den letzten Stunden erlebt haben. Ein Auffahrunfall, wegen der aufgeregten Hochzeitsgäste und ein Familiendrama wegen einer nicht offiziell angenommenen Freundin sind da nur noch würzende Randerscheinungen. Was für ein Fest! Was für ein Geburtstagsgeschenk für Sten…mit mehr als 300 Gästen.

Wir möchten es nicht versäumen, an dieser Stelle allen zu danken, die Sten zum Geburtstag gratuliert haben. Ich schreibe das hier, da in Iran Facebook und Co verboten sind und wir somit darauf keinen Zugriff haben.

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