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Im grünen Kleid / In green dress

12.07.2015 Shebalino / Russland / N51°15’41.5“ E085°39’11.1“

Nach purer Einsamkeit sah unsere Strecke aus, als wir sie mit dem Finger auf der Landkarte abgefahren sind. Weit und breit keine Menschenseele. Nichts als Berge um uns herum.
Kurvig schlängelt sich die Strecke durch die Täler, passiert Pässe, begleitet reißende Flüsse in ihrem Lauf. Das mit den Tälern, Pässen und Flüssen finden wir auch genau so vor. Doch von Menschen wimmelt es hier nur so. Kleine Dörfer reihen sich, wie aufgefädelte Perlen, aneinander. Es qualmt, es hämmert, es tuckert. Ich fühle mich in eines dieser Computerspiele versetzt, in denen man Holzstapel umsortieren muss, sein Gemüse anbaut, Wasserdämme abdichtet und zur Ernte Leute anheuert. Diese Dörfer hier waren vielleicht die Vorlage für die Game-Entwickler. Anders herum kann es nicht sein. Denn die Menschen hier scheinen bereits seit Ewigkeiten zu machen, was sie auch heute tun. In Holzhäusern wohnend, mal windschief und eingefallen, mal aufrecht und neueren Datums. Das Leben wirkt satt, reichhaltig und gesund. Wasser gibt es, saftige Böden auch und wenn das Wetter mitspielt, ist alles prima. Das Leben ist sich hier selbst genug. Tatendrang springt uns aus jedem Bergfluss und noch so kleinem Bach entgegen. Die Sommer sind kurz. Die Energie darauf konzentriert. Leben im Augenblick. Das, was wir uns in unserer heimischen Welt oft mühsam bewusst machen, nämlich im Jetzt zu sein, ist hier selbstverständlichster Alltag. Doch nicht, weil sich die Menschen großartig Gedanken darüber machen, sondern weil es das Leben genau so von ihnen verlangt. Etwas anderes als bewusst im Moment zu sein kommt hier gar nicht in die Tüte. Diese pure Natürlichkeit atme ich heute auf jedem Meter und merke, dass es mir beim Reisen ganz genau so geht. Ich bin damit beschäftigt, Beeren zu sammeln, wir hacken Holz, machen Feuer. Wir wissen nicht, was im nächsten Moment passiert, also genießen wir, wie es gerade ist. Es ist ein einfaches Leben welches wir gerade leben. Vielleicht ist es das, was es uns möglich macht, ganz selbstverständlich im Augenblick, in dem zu sein, was uns gerade umgibt. Fernab aller Theorie und Denkkonstruktionen. Die Natürlichkeit hat bei uns angeklopft.
Ein Schamane am Wegesrand versetzt uns mit seinen Trommelschlägen in Schwingungen. Ich schaue ihm ins Gesicht. Eine ganz gerade Nase, schwarze, nach hinten gekämmte lange Haare und kleine dunkel blitzende Augen sind seine Merkzeichen. Er erinnert mich an einen Indianer. Dabei fällt mir ein, dass sowohl die Inuits, die Japaner, die Chinesen, die Sibirier als auch die Indianer von der mongoliden Menschengruppe abstammen. Während der letzten Eiszeit gab es eine Landbrücke der Beringstraße zwischen Sibirien und Amerika, über welche die ersten Menschen auf den amerikanischen Kontinent gelangten. Ich schaue den Mann an und bin baff über die weltumspannende Verbindung, die sich in meinem Kopf herstellt, während ich ihn sehe.
Der Altai ist ein Hochgebirge mit seinem 4.506 Meter hohen Berg, dem „Belucha“. Wir ahnen die Höhe und erleben heute erst einmal mittelgebirgsähnliche Landschaften. Ich bin selig über die seichten, saftig grünen Hügel, die mir milde zuzulächeln scheinen. Ich mag ihre Formen, ich liebe ihre weiten einladenden Wiesen. Ich bin angetan von dem leuchtend grünen Kleid des Altai.

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