In Wasser aufgelöst / Distraught in water
30.09.2015 Luang Namtha / Laos / N21°00’09.3“ E101°24’36.8“
Was bitte macht das Gefühl eines Landes aus? Ich kann es nicht begreifen, warum ich in dieser ersten Nacht in Laos so unglaublich entspannt geschlafen habe. Gerade einmal zwanzig Kilometer haben wir uns von der Grenze weg bewegt und alles scheint verändert. Nicht zuletzt ich selbst. Die Verspannung hat meinen Nacken verlassen. Ich fühle mich seltsam luftig und frei. Und das, obwohl ich überhaupt nichts über Laos weiß, ich keine Ahnung habe, was auf mich zukommen wird und uns das vom Himmel fallende Wasser zeigt, was sich „Regenzeit“ nennt.
Wir nehmen Abschied von einander. Lilian und Guido auf ihren Motorrädern, Jamie in seinem VW-Bus und wir mit unserem Leo. Ein Bohnen-Eier-Speck Frühstück, bei dem wir mit unseren Gabeln Happen für Happen aus der Pfanne angeln, beschließt das Ritual. Wochenlang haben wir gemeinsam mit unseren Stäbchen von den gleichen Tellern gegessen. Eine Form der Verbindung die uns Nähe gebracht hat.
Nach schwitzig-feuchten Umarmungen macht sich jeder auf seinen Weg. Nur, dass dieser eigenwilliger Weise der Gleiche ist. So geschieht es, dass wir uns vierzig Kilometer weiter, im Ort Luang Namtha, mit seinen 18.000 Einwohnern, Mango Juice schlürfend wider finden. Irgendeine Kraft hält uns zusammen. Wir scheinen noch keine Lust zu haben, voneinander zu gehen. Wie Kinder freuen wir uns über das aus dem Holzofen huschende Brot und den leckeren Espresso. Wann hatten wir das zum letzten Mal? Der Tag schleicht dahin. Doch für uns scheint selbst Schleichen zu viel Bewegung zu sein. Wir gönnen uns den Gedanken, dass es nichts zu tun gibt und finden ihn kein bisschen verwerflich. So schaffen wir es gerade einmal, unseren prall gefüllten Schmutzwäschesack zu schnappen, um uns damit auf die Suche nach einer Wäscherei zu machen. Bis nach China habe ich in allen Ländern Familien gefunden, bei denen ich unsere Wäsche waschen konnte. In China dann entdeckte ich zwei Mal eine Waschstube, um das Nötigste reinigen zu lassen. Einmal waren unsere Klamotten dran. Das andere Mal die Bettwäsche. Wie haben wir uns gefreut, als Die mal wieder frisch duftete! Nun, bei annähernd 100 Prozent Luftfeuchtigkeit ist es so eine Sache mit dem selber waschen. Und Wasser halten wir im Leo immer knapp, da wir es uns zum Trinken aufsparen und nicht zum Waschen vergeuden wollen. Hier in Laos scheint es uns einmal Wichtiger, sauberes Trinkwasser bei uns zu haben.
Nach einigem Zeigen auf unseren Wäschesack und fragenden Blicken in alle Richtungen werden wir von Ecke zu Ecke geschickt, bis wir vor einem mit Segeltuch überspannten Haus stehen. Eine Frau sitzt an ihrem Webstuhl. Der Rest der Familie schaut dem strömenden Regen zu, der unseren Nachmittag begleitet. Doch bei dreißig Grad ist uns das Wasser von oben ein Riesenspaß. Als spüle es allen Staub mental von uns. Auch den aus unseren Köpfen. 10.000 KIP pro Kilogramm Wäsche möchte die Frau von uns haben. Das ist gerade einmal 1,00 Euro pro Kilo… Wie anders das Leben von Land zu Land ist, zeigt sich für mich selbst an solch kleinen Details. In China habe ich dreißig Dollar bezahlt, wofür ich hier fünf Euro geben soll. Wie entstehen Preise in einem Land? Und wie viel brauchen die Menschen um davon leben zu können?
Nun, der Zeitpunkt für schwerwiegende Gedanken ist heute für mich nicht. Ich gönne mir, LANGSAM in Laos anzukommen. Bis vor wenigen Stunden hatte ich kaum eine Ahnung, ob ich mich wieder auf ein neues Land einlassen möchte. Die Frage scheint sich gerade in Wasser aufzulösen. In dem Land, von dem ich bis gestern nichts weiter kannte als seinen Namen.