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In Watte / In wadding

14.11.2015 Tuek Thla / Kambodscha / N10°36’15.3“ E103°55’59.7“

 

Schmatzend, schlurfend, brüllend, das Wasser klatscht. Geschlagen von der Wucht der schweren Körper. Wasserbüffelnachbarschaft. Sie schauen zu uns herüber, als säßen sie am Gartenzaun. Genau so fixiert ihre Blicke. Keine Regung bei uns versäumend. Ich sitze im Leo. Kann die vielen Menschen davor heute schlecht verkraften. Zu viele Stimmen reden allein in meinem eigenen Kopf durcheinander. Um die zu verstehen, ziehe ich mich zurück. Wobei „verstehen“ viel verlangt. Ich höre ihnen einfach zu. Eine Freundin schreibt: „Wie in Watte…“ das trifft es gut. So fühlt es sich an. Heute. In mir. Paris, Europa, unser Land… Die Ereignisse lassen mich nicht los.

In meinen Wattebausch gehüllt, rolle ich durch den Tag.

Der Morgen. Langes Reden. Langes Schweigen. Wir Drei sind hier und sind auch dort. Wasser hilft. Es kühlt uns ab. Im Außen. Wir verabschieden uns vom Palmenwedel-Schatten der vergangenen zwei Tage, von den Annehmlichkeiten des Resorts auch. Stürzen uns hinein ins Leben. Mein Wattebausch verliert im selben Moment sein Weiß. Der Staub der Straße verleiht ihm Patina. Wir sind am Meer. Und wir sind nicht am Meer. Sumpfwiesen, Hütten, keine Wege. Immer wieder nehmen wir Anlauf ihm näher zu kommen. Doch Wege führen hier nicht automatisch zu schönen Stellen. Ihre Bestimmung ist immer die nächste Behausung, ein Reisfeld oder Fischteich. Götz läuft mehr draußen, als dass er im Leo säße. Sein Job ist es, unentwegt Kabel mit einer Teleskopstange anzuheben. Unser Leo braucht Raum und nimmt ihn sich. Götz, der Mann mit der wundersamen Stange in der Hand, weckt das Interesse der Leute. Er ist mittendrin, im besorgt-freudigen Getümmel der Anwohner, die ihre tief hängenden Leitungen im Blick haben. Leo ist nach Meditation zu Mute. In China hat er es gesehen. Hier will er es nun ausprobieren. Das lange rückwärts Fahren. Die Menschen dort haben ihm erzählt, dass rückwärts laufen gut ist für die Konzentration, die Wahrnehmung und Achtsamkeit. Es trainiert beide Gehirnhälften zur gleichen Zeit. Habe keine Schimmer, wo Leos Gehirnhälften stecken. Trotzdem. Schöne Idee. Doch muss es unbedingt heute sein, wo ein langer, superschmaler Weg die Trennung zwischen Wasser, weichem Boden und Sumpf ist? Es muss. Also übernimmt jeder seinen Job. Sten legt den Rückwärtsgang ein und lenkt. Götz ist der Außenlotse. Ich übernehme den Innenposten. Mein Wattebausch weht tapfer im Wind.

Wie der Rattenfänger aus Hameln ziehen wir eine unglaubliche Traube an Menschen hinter uns her. Als wir zum Stehen kommen, halten sie mit uns.

Mit einer Vorführung werden sie belohnt. Denn Leo mangelt es offensichtlich noch immer an Aufmerksamkeit. Also gibt er merkwürdige Geräusche von sich und schaukelt was das Zeug hält. Ein Stoßdämpfer scheint sich verabschiedet zu haben. Um es zu sehen klappt Sten vor fünfzig Augenpaaren das Fahrerhaus ab. Was für ein Spaß?! Die Sensation des Monats. Die, die unseren Rückwärtslauf noch nicht bekleidet haben, kommen spätestens jetzt vorbei. Götz hält alle mit Fotos bei Laune. Sich selbst auf den Bildern zu sehen ist hier das Größte. Sten vollführt akrobatische Übungen im aufgeklappten Leo.

Und ich? Mein Wattebausch der stillen Fassungslosigkeit hält mich weiter umfangen. Er ist Schutz und Enge in Einem. So tauche ich auf, um gleich darauf einzutauchen. In eine der Blechhütten im Dorf. Wir wechseln die Wasserbüffelnachbarschaft mit der der ganzen Gemeinde. Der Dorfvorsteher besorgt uns Bier. Ein Huhn wird geschlachtet, gerupft, zerhackt, mariniert und gebraten. Alles vor unseren Augen. Es ist wie ein Spiel auf verschiedenen Feldern. Die Kinder, Frauen, Männer, Alten schauen genau was wir tun, wie wir aussehen und uns bewegen, was wir essen. Wir machen das Gleiche mit ihnen. Wie Pingpong ohne Ball. Der Regen vereint uns alle gemeinsam unter dem Blechdach der Hütte. Der Boden gestampfte Erde, das Bett der Familie ausschließlich ein Holzgestell. Eine Hängematte aus kratzigem Strick, eine Ecke zum Kochen. Das wars. Das ist das Leben hier. Ich krieche aus meinem verfilzten Wattebausch hervor, um tatsächlich bei den Menschen zu sein. Sie haben unsere Aufmerksamkeit mehr als verdient. Diese stillen Gesichter, diese großen wachen Augen, diese Münder die so gern lachen.

Die Watte hilft mir nicht weiter. Doch manchmal kommt vor dem Tun der Rückzug.

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