Insgesamt… / All in all…
11.11.2015 Kep / Kambodscha / N10°28’45.3“ E104°17’39.6“
Ich sitze am Meer. Schaue auf das Wasser und bin sprachlos. Sprachlos darüber, dass nun bereits November ist. Sprachlos, dass wir es bis hierher geschafft haben. Sprachlos auch, was und wem wir alles begegnet ist. Unterwegs. Auf unserem langen verwundenen Weg vom Mittelmeer bis zum Golf von Thailand. 37.000 Kilometer inzwischen. Jeder der 37.004.252 Meter eine Bewegung die uns weg führte um uns gleichzeitig hin zu führen. Der Abstand wurde größer, die Weitsicht besser. Raum kam dazwischen, doch nicht zwingend Distanz. Manchmal ist Entfernung Nähe. Weil das Unnötige abfällt und der Kern zum Vorschein kommt. Eigenwillig. Ich vergrößere die Anzahl an Metern zwischen mir und einem Menschen und kann doch stärker in sein Inneres sehen. Das Gleiche mit Situationen, Gegebenheiten, Routinen und Gewohnheiten. Was geschieht, wenn ich den Abstand in Metern wieder verringere? Sehe ich dann unschärfer? Oder bleibt das Doppelbild? Kann ich es mir erhalten, den Blick aus der Ferne bei gleichzeitigem Nah sein? Verrücktes Spiel, wirre Gedanken. Während ich hier sitze. Am Meer.
Anfang Februar hatten wir uns zu verabschieden von den Wellen, dem Wind, dem Blick in die tiefe Unendlichkeit. Wir waren nicht froh dabei. Doch die Neugier war stärker und trieb uns voran. Sie half uns zu gehen. Weg vom Meer, hinein in den Winter des Kontinents. Hinauf in die Berge, hinab in die Täler. Flüsse waren zu durchqueren. Mancher orten gab es Brücken, sie zu überwinden. Der Frühling kam und ging auch wieder. Der Sommer blieb. Staubige Pisten, mal mit kraterartigen Löchern oder auch ohne. Hinter dem Staub und mittendrin entlang unseres Weges immer wieder freudige Gesichter. Den Staub lachen sie einfach weg.
Ich habe das Meer gerochen, heute. Mit jedem Kilometer schien der Geruch der Frische intensiver zu werden. Oder war es meine wünschende Einbildung, die ihr Spiel mit mir trieb? Wie dem auch sei. Plötzlich war es so weit. Nach knapp zehn Monaten stehen wir wieder da, am Meer. Ach nee, Sten hockt erst mal. Eine Glasscherbe hat sich als Willkommensgeschenk gleich tief in seine Ferse gerammt. Nachhaltiger Eindruck nennt man so was wohl. Desinfiziert und verbunden strahlt sein Fuß nun im Licht der untergehenden Sonne. Mit Götz gönne ich mir ein Bad im Badewannen warmen Golfwasser. Der Salzgeschmack auf meiner Haut hat seine Nuancen gewechselt. Aus Schwitz-Salz wird Meer-Salz. Und so sitzen wir noch eine ganze Weile, mit Gläsern voll Wein und Bier in Händen. Der Blick verfängt sich im Geflacker der Fischerboote. Und denken: „Insgesamt sitzt man viel zu selten am Meer“.
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