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Kaffeebohne. Bohnenkaffee. / Coffee bean.

21.10.2015 Paksong / Laos / N15°08’51.9“ E106°15’01.3“

 

Tee wird uns eingeschenkt. Grüner, den ich so mag. Geübt sind seine Hände beim Abmessen der Teemenge. Oft getan. Ohne Aufhebens. Keine Zeremonie. Doch ein ehrlicher Geschmack. Umgeben von Kaffeesträuchern sitzen wir in dem hochhackigen Holzhäuschen. Mit Lümmelflächen, auf denen Frauen zum Schwatz versammelt sind. Die Männer sitzen am Tisch. Beim Tee, ihrem Lieblingsgetränk im Land des Kaffees. Ein Mann aus dem drei-Häuser-Dorf lädt uns ein. Auf ein Gläschen sitzen wir beisammen. Das Telefon liegt zwischen uns. Als Brückenpfeiler. Dann, wenn die Worte nicht reichen, kommt das Übersetzungsprogramm rettend zu Hilfe, um den begonnen Satz ans andere Ufer zu bringen. Gestampfter Lehmboden, verwundene Holzbalken, spärliches Licht einer Glühlampe, ein Tisch, den vielleicht schon die Franzosen kannten und genau darauf liegt das funkelnde Technikwunder, das Smartphone, welches auch hier das Leben vollkommen umgekrempelt hat. Es ist, als stünde der Mann mit einem Bein in der Vergangenheit und mit dem anderen in der Zukunft. Die Frage ist, was ist mit der Gegenwart? Das vor und zurück ist täglicher Begleiter hier in den Dörfern auf dem Bolaven Plateau. Strom gibt es erst seit kurzem. Der Weg hierher, ein off road Park für Mäuse, Gänse, Hühner, Schweine und Rinder. Nen Rummelplatz mit Riesenrad und Achterbahn brauchen die nicht. Das große Vergnügen bietet schon der Schlammweg zur Genüge. Kühl ist es heute Abend. Wenn ich mal zwanzig Grad als „kühl“ bezeichnen darf. Die klebrige Hitze der Nächte haben wir vorüber gehend am Mekong sitzen gelassen. Hier oben vergnügen wir uns mit frischer Abendluft, die vom See herüberzieht, über unsere dampfendenden Teegläser hinweg.

„Wann hast Du zum letzten Mal etwas zum ersten Mal getan?“ Die Frage ist mein Tag. Noch nie fand ich mich in einer Kaffeeplantage stehend. Noch nie sah ich, was mit den Kaffee-Kirschen geschieht. Noch nie hielt ich grüne Kaffee Bohnen in meinen Händen. Mein erstes Mal! Ich beobachte mich selbst dabei, wie ich lerne und verstehe. Zu Beginn versuche ich mir die Vorgänge durch mein Sehen selbst zusammen zu reimen. Ganz eigene Geschichten entstehen dabei. Ich liebe meine Gehirngeschichten. Auch wenn dann kaum eine davon Bestand hat, wenn die fachkundigen Erklärungen bei gemischt werden. Mein Phantasiebild behalte ich für mich. Wie ist das nun mit dem Kaffee und dem Espresso? Wo liegen die Unterschiede und was macht einen Kaffee gut?

Wir halten an einem handgeschnitzten Schild mit der Aufschrift „Lao Coffee“. Hier wollen wir es wissen. Auch wenn wir nicht von der „Sendung mit der Maus“ kommen, oder als „Peter Lustig“ hier herein spazieren. Die Erntezeit kommt langsam ins Rollen. Normalerweise beginnt sie Ende Oktober. Doch da es in den letzten Wochen sehr warm war, geht’s jetzt schon los. Dicht aneinander gedrängt klebt Kaffee-Kirsche an Kaffee-Kirsche. Entlang eines Zweiges wachsen sie. Gut ist, wenn nur die Roten geerntet werden und den anderen Zeit gelassen wird, um das Erlebnis des Rot Werdens zu haben. Meist wird maschinell geerntet. Von Hellgrün bis Dunkelrot ist dann alles dabei. Das ist der erste Fakt, der über die Qualität eines guten Kaffees entscheidet. Masse zu Lasten der Güte. Weiter geht es mit den geernteten Kirschen. Zwei Wege stehen ihnen offen. Der Eine, das Ausgebreitet werden auf großen Planen, oder einfach auf dem Boden liegend. Die Sonne trocknet die Schalen. Aus glatt und Rot wird Schwarz und schrumpelig. Beim allmählichen Trocknen im Sonnenbad dringt der Geschmack der Schale in Teilen in die Bohne ein. Durch häufiges Wenden trennen sich allmählich Außenschale und Bohne. Diese hat wiederum ein Silberhäutchen um sich herum gekleidet, welches ebenfalls mit Hilfe der Sonnenwärme aufspringt und abfällt. Bis die nackige grüne Bohne vor einem liegt. Es ist der ehrlichste Weg, wenn er auf diese Weise gegangen wird. Denn an Hand der nackigen Bohnen sieht man, welche Bohnen gut sind, und welche als hohl ausgesondert werden müssen. Die sortierten grünen Bohnen sind eine gute Basis für einen berauschenden Kaffee. Falls die Bohnen beim Rösten nicht verbrannt werden. Der andere Weg nennt sich „Waschung“. Dabei gibt man die hellgrünen bis dunkelroten Kirschen in einen großen Trichter. Nachdem sie einen Zermalmungsprozess durchlaufen haben, fallen die Bohnen mit Silberhäutchen in einen großen Wasserbottich und die Außenschalen fliegen auf einen großen stinkenden Haufen. Acht Stunden lang bleiben die Bohnen im Wasser. Dort weichen sie auf, so dass sich die Silberhäutchen beginnen zu lösen. Das Eintrocknen der Aromastoffe von der Schale in die Bohne entfällt. Der Geschmack ist folglich ein anderer. Klar, geht diese Methode schneller und sieht lustig aus. Wie sich in Windeseile Schale und Bohne voneinander trennen. Sie anschließend ins Wasserbad hüpfen und ihnen das Erlebnis der feuchten Abkühlung beschert wird. Die nassen Bohnen werden in Säcken zu 50 Kilogramm verpackt und zu großen Trocknungsanlagen gefahren. Von der Qualität der Bohnen erfährt man immer erst, wenn sie nackt und grün vor einem liegen. Wird die Bohne mit Silberhäutchen verkauft, ist es quasi die Katze im Sack. Erst nach dem Trocknen und Abfallen der Häutchen kann man sehen, wie groß der Prozentsatz an guten Bohnen und Abfall ist. Ihre weiten Reisen in alle Teile der Welt, treten die grünen Bohnen an. Geröstet wird später in den Ankunftsländern. Um die Frische des Aromas zu garantieren. Denn selbst mit Höchstpunktzahlen bewertete Kaffees verlieren nach einem Jahr an Geschmack. Dann ist es noch immer ein gut trinkbares Tässchen. Doch ne Goldmedaille wird ihr nicht mehr um gehangen. Schnelles Rösten bei zu hohen Temperaturen geht ebenfalls zu Lasten des Geschmacks und führt wohl auch zu den Unverträglichkeiten im Magen, wie uns in dem kleinen Café erklärt wird, welches einem Amerikaner gehört. Zwanzig Minuten lang bei ca. 210 Grad sollte laut den Berichten das Rösten dauern. Bewegt werden die Bohnen dabei die ganze Zeit. Kaffee- und Espressobohnen können von ein und demselben Strauch kommen. Die Espressobohnen werden einfach länger geröstet und dadurch dunkler.

Alle diese Informationen sind heute ganz neu in meinem Kopf eingetroffen. Nichts davon wusste ich vorher. Außer, dass ich den einen Kaffee nicht vertrage und den anderen Espresso doch. Dass es nicht an Kaffee oder Espresso schlechthin liegt, hat die Silberhäutchen von meinen Augen entfernt. Es liegt einzig am Weg, den die Bohnen erfahren. Und so landet in normal abgepackte Kaffeetüten offensichtlich meist die schnell getrocknete und im Speed-Verfahren geröstete gemahlene Bohne. Die mich jahrelang glauben ließ, es läge am Kaffee oder Espresso, den ich gerade trinke. Die sorgsame Zeremonie des Kaffee Zubereitens tut ihr übriges dazu. So geschiegt es mir, dass ich heute seit zwanzig Jahren das erste Mal wieder eine Tasse KAFFEE trinke. Mein linker Arm dabei nicht taub wird, mein Gleichgewichtssinn nicht beeinträchtigt ist und ich mich rundum wohl fühle. Goldbraun schimmert er und blinzelt mir zu. MEIN BOHNENKAFFEE.

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