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Keine halben Sachen / No half measures

 

21.05.2015 Altyn Emel Pass / Kasachstan / N44°15’39.7“ E078°29’08.0“

 

Kein Aktionismus am Morgen. „Bleib, wenn es gut ist.“, lautete der Tipp einer guten Freundin aus Istanbul. Sie reiste selbst für einige Monate und gab uns diese Worte mit auf den Weg. Heute Morgen fühlt es sich gut an, also bleiben wir. Der Rancher im Nationalpark hat sich hier, zwischen den zweihundert Jahren alten Bäumen, ein Paradies eingerichtet. Hühner gackern, die Hunde sitzen geduldig neben uns beim Frühstück und bekommen natürlich ab und an einen Happen ab, eine kleine Quelle lässt klares Wasser aus dem Boden sprudeln, die Vögel genießen den Schatten, den der Leo spendet. Sten zeichnet, ich lese. Weiter ziehen wir erst, als unsere inneren Stimmen meinen, es wäre nun gut. Den Vormittag ausgekostet, nicht schnell, schnell weiter. Getriebenheit hat Jahresurlaub. Ganz da. Ganz hier. Ne ganze Sache. Ganz wundervoll.

Am Ausgang des Nationalparks war uns schon am Vorabend eine große sprudelnde Wasserstelle aufgefallen. Offensichtlich die Überreste eines fehlgeschlagenen Erdöl-Bohrversuchs. Uns gereicht es zur puren Freude. Harren unsere Wassertanks doch seit Wochen des Wassers was da irgendwann einmal wieder kommt. Und hier nun ist es da! Es schmeckt gut, es ist klar, es kommt aus den Bergen. Das hatten wir in der Osttürkei zum letzten Mal. Seit dem ist Trinkwasser immer ein Thema für uns. Pumpe auspacken, Schlauch anschließen, Konstruktion zum Auffangen bauen sind quasi Eins. Es funktioniert auf Anhieb. Das Wasser fließt, den Leo freuts. Fünfhundert Liter frisches Wasser! Ne ganze Sache. Was für ein Vergnügen! Vor uns tauchen zwei Motorradfahrer auf. Das geschieht selten, bis nie. Also halten wir an, um nach dem woher und wohin zu fragen. Es sind zwei Deutsche. Die Ersten, die wir auf unserer Reise treffen. Gestartet im Dezember war es eine Zeit, in der außer uns niemand unterwegs zu sein schien. Und auch jetzt bewegen wir uns offensichtlich meist an Orten, wo sich nur Einheimische aufhalten. Hier im Nationalpark ist es eine Ausnahme für uns und so lachen unsere Gesichter über die spontane Begegnung. Kleine Reparatur der kaputten Pedale, zwei kalte Biere geschenkt, kurz verschnauft und weiter geht’s. Einen Pass wollen wir heute noch überqueren. Ist ja für Leo immer Schwerstarbeit im Schneckentempo. Bringen wir es hinter uns. Und dann liegt er vor uns. UNSER See. Ein kleiner Bergsee voll Unschuld und so schön, als habe ihn jemand erträumt. Die Natur hat einfach Geschmack. Sie kennt sich aus mit Proportionen. Sie hat Gespür für den geeigneten Platz und passende Accessoires. Ne ganze Sache. Nichts weiter.

Plötzlich Motorengeräusch. Zwei Punkte tauchen auf. Es werden Motorräder daraus. Dirk und Martin steigen ab. Sagen, die kurze Begegnung mit uns war so schön. Also versuchten sie uns zu finden. Wie eigenwillig. Ist es Vorsehung? Soll es so sein? Noch nie hatten wir, von der Piste aus sichtbar, unser Lager aufgeschlagen. Heute ist es anders, heute können die beiden uns sehen. Alles klar. …Jeder Zufall ist eine Verabredung… Es wird ein grandioser Abend zu viert daraus. Der Überraschungen noch nicht genug. Nachts. Taghell. Ausdauern, stark, gewaltig, voller Wucht und Groll zieht ein Gewitter über uns hinweg, welches einen neuen Namen verdient hätte. „Gewitter“ scheint nur in Ansätzen zu skizzieren, was wir in dieser Nacht an Kraft der Gewalten zu spüren bekommen. Der Leo schwankt, wir ziehen uns die Decken über die Köpfe wie Kinder. In dem Hoffen, wenn wir die Blitze nicht sehen, sehen sie uns vielleicht auch nicht. Zwanzig Grad Abkühlung beschert uns das Toben der Nacht. Halbe Sachen gibt es nicht. Die sind hier einfach nicht drin.
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