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Made in Mongolia / Made in Mongolia

24.07.2015 Dund Us / Mongolei / N48°07’39.0“ E091°22’44.9“

 

Erst mal eine Grundlage im Magen schaffen. Das ist mein Vorhaben am heutigen Morgen. Auch wenn ich nach dem deftigen Gelage des gestrigen Abends noch nicht wirklich wieder hungrig bin. Doch dass wir jetzt gleich zu einer Jurte fahren, in der Wodka hergestellt wird, verlangt mir allen Respekt ab. Ich ahne, was auf mich zukommt und beiße noch einmal kräftig in meine Schnitte! Vier Mal im Jahr ziehen die Mongolen mit ihren Jurten um. Für jede Jahreszeit haben sie einen eigenen Platz an dem sie leben. Verlassen sie nach dem Sommer ihr Lager können alle sicher sein, dass sie im darauf folgenden Sommer an die gleiche Stelle zurückkehren. Das ist der Grund, warum Tilek genau weiß, wo er die Familie finden kann, deren Tagwerk es ist, Wodka zu destillieren. An jedem Tag aufs Neue werden morgens um sechs Uhr die fünfzehn milchgebenden der fünfundvierzig Kühe gemolken. Eigentlich macht das die Mutter, doch jetzt sind Sommerferien und die drei Töchter sind vom Studium aus Ulan Bataar und Khovd nach Hause gekommen. Also übernehmen sie den Job. Der Vater ist vor Jahren an einer halbseitigen Lähmung erkrankt und so bleibt der größte Teil der Last im Alltag an der Mutter hängen. Da ist sie froh, dass ihre mittlere Tochter das dreistündige Stampfen der Milch übernimmt, um sie zu fermentieren. Sie schmeckt danach leicht sauer und hat einen gewissen Alkoholanteil. Die zwei anderen Töchter liegen noch an den Rand der Jurte gekuschelt und schlafen. Sie hatten die ganze Nacht die Kühe zu beaufsichtigen, die am Abend zuvor halb verrückt geworden waren und wegrennen wollten da ein riesiger Schwarm Mücken sie plagte. Das gleichmäßige Stampfen in den sechzig Litern Milch mit dem Holzschlägel trägt einen beruhigenden Takt in die lichtdurchflutete bunte Jurte. Als wir eintreten umfängt uns diese Ruhe und lässt uns selbst erst einmal ankommen. Salztee gibt es, Würmchen aus getrockneten Milchresten stehen bereit und natürlich eine erste Schale randvoll mit Wodka. Ich bin froh, gut gefrühstückt zu haben, denn ablehnen was uns angeboten wird geht nicht. Ich versuche mich wieder in der „kleinen Schluck Methode“ und falle natürlich gleich auf damit.

Zwanzig Liter der gestampften Milch gießt die Mutter nun in eine Schüssel, die auf dem Feuer steht. Obenauf setzt sie eine Metallröhre, welche die Schüssel mit der Milch abdichtet. In die Röhre hängt sie einen kleinen leeren Topf hinein und setzt auf die Röhre wiederum eine Schüssel auf, die sie mit kaltem Wasser füllt. Das ist die ganze Apparatur, die sie mehrmals am Tag auf- und wieder abbaut. Als das Feuer knackend brennt heißt es einfach Warten was passiert. Das ist im Winter bestimmt schön, wenn die Familie drinnen am warmen Feuer ist. Heute ist es nicht ganz so genussvoll, in der aufgeheizten Jurte zu sitzen, wo doch draußen schon 35 Grad herrschen. Doch wir sind so fasziniert von den vielen kleinen Details, die wir sehen, so dass die Hitze nur schmückendes Beiwerk ist. Fleischknochen hängen zum Trocknen über den schlafenden Mädchen an der Jurtenwand. Ein Bettgestell, das Einzige im ganzen Raum, ist mit einem Strick abgesperrt. Dort hat bis vor einigen Jahren die Großmutter gelegen. Seit sie tot ist steht das Bett da ohne dass sich jemand darauf setzen oder legen darf. Damit zollt die Familie der verstorbenen Großmutter ihren Respekt. Alle anderen, auch der kranke Vater, schlafen auf dem Boden.

Nach einer Weile beginnt die Milch zu brodeln. Der Prozess des Wodka Herstellens ist in Gang gekommen. Der Wasserdampf, mit dem Alkohol aus der Milch, steigt nun nach oben und kondensiert am Boden der mit kaltem Wasser gefüllten Schüssel. Dadurch tropft der fertige Wodka von der Unterseite der Schüssel in den eingehängten Topf und wird dort aufgefangen. Nach einer guten Stunde ist der Spuk vorbei und die Apparatur wird langsam entpellt. Etwa ein Liter Wodka findet sind im Topf. Warm darf er nur IN der Jurte getrunken werden. Also wird er uns gleich eingeschenkt und schmeckt tatsächlich gut! Ich finde ihn warm leckerer als ihn kalt zu trinken. Doch das betone ich lieber nicht zu stark, sonst wird mir zu oft nachgegossen… Die restliche Milch wird in einen dichten Sack gegossen, so dass das Wasser ablaufen kann. Alles was übrig bleibt stopfen die Mädchen in eine Presse, die ein wenig wie eine Sahne Presse zum Verzieren eines Kuchens aussieht, und quetschen die kleinen Joghurt Würmer heraus. Sind sie später in der Sonne getrocknet, schmecken sie als Snack wunderbar und sind gesünder als aller Zuckerkram. Mit einer abgefüllten Flasche voll Wodka im Arm verabschieden wir uns von den vier Frauen, die uns eine ganz neue Art des „Silk Route Cookings“ beschert haben und machen uns leicht angeheitert auf den Weg zum Bergsee. Unterwegs sammeln wir noch eine ganze Fuhre voller Kinder auf, die alle mit zum See fahren. Dort angekommen geht es gleich ab ins Wasser. Dabei fällt mir auf, dass niemand von all den Kindern und Erwachsenen schwimmen kann, die hier im Wasser sind. Eins gibt das andere und schwupp diwupp finden wir uns als Schwimmlernschule wieder. Wir machen Trockenübungen der Arm- und Beinbewegungen an Land, üben das Atmen und probieren es mit den Kids gleich im Wasser aus. Sie sind voller Eifer dabei, schauen aufmerksam zu und wollen gar nicht mehr aufhören zu üben, obwohl sie schon vor Kälte schlottern. Die Mädchen sind etwas schüchtern, machen aber genau so gern mit, als einmal das Eis gebrochen ist. Auf das Bitten aller schwimmt Sten einmal bis zur Mitte des Sees und kommt unter großem Gejohle der ganzen Truppe wieder an Land. Völlig geschafft kommen wir ins Dorf zurück und brauchen erst einmal eine Verschnaufpause nach dem spaßigen wilden Treiben. Die Kinder sind so dankbar wenn sie etwas beigebracht bekommen. Das ist stark zu spüren und geht mir sehr nah. Auch wenn wir ihnen beim Fahren sagen, dass sie die leeren Flaschen, die sie im Wasser als Schwimmhilfen genutzt haben, nicht aus dem Auto werfen sollen, akzeptieren sie es und bringen sie tatsächlich zu Hause zum Müll. Nicht ohne noch einmal zu zeigen, dass sie es auch tatsächlich getan haben. Wir freuen uns dann miteinander. Abends wird doch tatsächlich wieder gekocht. Das achtundzwanzigste Mal auf unserer Reise. Der Onkel Tileks mit seiner Familie möchte es sich nicht nehmen lassen „Huushuur“, flache, mit Gehacktem gefüllte Teigtaschen für uns zu bereiten. Ich finde, es ist eine richtige Kunst, wie sie aus den runden Teigplatten gefüllte Bälle und dann wieder flache Fladen zaubern. Sten stellt sich total gut an beim Ausprobieren und ist schnell Profi darin. Ich weiß nicht wie viel Bier am Abend in uns hinein läuft. Wenig ist es nicht. Doch die Runde ist so lustig, dass wir kaum ein Ende finden bei den Witzen und deutsch-russisch-kasachisch-mongolischen Gesängen. Ein Tag, so vollkommen „Made in Mongolia“ im vielfachen Sinne. Für schallendes Gelächter sorgte der Satz, als Tileks junge Cousine auf die Frage: „Where dou you live?“ antwortete: „Made in Mongolia“.

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