Menschenleer / Without people
20.07.2015 Altanzugz / Mongolei / N48°46’47.1“ E090°33’41.9“
Das müssen wir erst einmal verdauen. Die Unmengen an ausgelassen feiernden Menschen. Das Stimmengewirr, welches sich zu einem Dauerton zusammenbraute. Die Farben der Kleider, die unsere Rezeptoren in den Augen pausenlos befeuerten. Gestern.
Heute ist Zeit zum Augen schließen, zum Hören der Ruhe, zum Ausholen unserer weiten Schritte, die uns quer durch die Ebene führen. Wo in der Welt habe ich schon so viel freien Raum gespürt? Noch nie, nie, nie. Nicht nur wir brauchen eine Verschnaufpause. Den Mongolen geht es wohl genau so. Ganz still ist es am Morgen. Nur das Zupfen der Pferdemäuler am spärlichen Gras kann ich hören. Ab und an eine meckernde Ziege. Dann wieder Stille. Was für ein unglaublicher Kontrast zu den permanent übersteuert plärrenden Lautsprechertönen des Festivals. Sie klingen noch in meinen Ohren.
Heute galoppieren die Männer um die Wette. Irgendwo weit draußen, erfahren wir. Uns genügt das Wissen darum. Dabei sein müssen wir nicht. Die Frage kommt in mir auf. Wie weit ist „weit draußen“ wenn wir schon „weit draußen“ sind? Der Welt entrückt, ohne jeden Telefonempfang. „Kein Netz“, wo gibt es das noch? Und wieder die Antwort: hier, hier, hier. Kein Netz und doch nicht ohne Halt. Wir fühlen uns wohl unter den Einheimischen, die einfach ihrem Tagwerk nachgehen. Jeder für sich. In großem Abstand zueinander. Mit einem Eimerchen zum Wasser laufen um irgendetwas zu reinigen. Vergnüglich in kleinen Gruppen auf dem bloßen Boden zusammen sitzen. Mit dem Pferd locker dahin traben. Vielleicht ein wenig Plastikmüll aufsammeln, bevor ihn die Kühe komplett verspeist haben. Oder die leeren Flaschen doch lieber sich selbst überlassen. Mal sehen. Es gibt ja Zeit genug.
Hier im westlichen Teil der Mongolei sind die meisten Mongolen kasachischer Abstammung. Sie seien die Fleißigsten im Land, eilt ihnen als Ruf voraus. Dann bin ich gespannt auf die anderen. Wie viel ist es, wenig zu tun? Kurz blitzt in meinem Hirn der Gedanke an zu Hause auf. Immerzu sind wir alle beschäftigt mit Unmengen an Wichtigem, was zu tun und zu erledigen ist. Termine, Termine. Und hier? Hier genügt es, geradeaus zu schauen. Das ist die Übung. Das ist der Tag nach dem Fest.