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Ostersonntag / Easter Sunday

05.04.2015 Kasachstan / Ustjurt-Plateau / N43°07’42.4“ E054°53’32.7“

 

Seit Tagen bewegen wir uns nun am Rande des riesigen Canyons und auf dem gigantischen Ustjurt-Plateau entlang. Funkempfang ist hier keiner und das wird wohl auch in Zukunft so sein, dass wir nur noch ab und zu Telefon- und Internetverbindungen haben. Zu unserer Sicherheit tragen wir ein Satellitentelefon bei uns, so dass wir anrufen, wenn es notwendig ist und auch angerufen werden können. Das Notieren dessen, was täglich geschieht, ist für mich wie Tagebuch schreiben. So kann der Tag noch einmal an mir vorbei ziehen und die Ereignisse bekommen ihren Platz in meinem Gedächtnis. Wenn wir dann wieder einmal eine Internetverbindung haben, laden wir die Bilder und Texte hoch. Doch die Abstände dazwischen werden größer. Die Distanz nach Hause nimmt täglich zu und es ist sicher auch ein Sinn unserer Reise, den Dingen mehr Spielraum zu geben. Sind wir irgendwo eingetaucht, dann bleiben wir erst einmal, ohne Kontakt und eine Verbindung nach außen. Das ist eine neue Etappe, ein neues Gefühl in diesen frühen Tagen im April. Langsam gewöhne ich mich daran. In den ersten Tagen war es wie das Stehen auf dem Startblock am Wasserrand. Ich wusste, dass ich springen muss, doch meine Beinmuskeln wollten nicht mitspielen. Inzwischen bin ich gesprungen und „lerne schwimmen“ in dem neuen Empfinden hier weit, weit draußen zu sein.

Heute ist Ostersonntag. Der Kalender hat es uns gesagt. An sonstem spüren wir davon nichts. Es ist verrückt, wie eng Feiertage mit dem direkten Umfeld verknüpft sind, oder eben auch nicht. Wir erinnern uns daran, wo wir im vergangenen Jahr zu Ostern waren und was wir taten. Heute nun sitzen wir an unserem Frühstückstisch und sagen uns: „Hey, heute ist Ostersonntag!“ Doch es stellt sich kein Gefühl ein, was zu diesem Satz passen könnte. Also lassen wir es bei dem bloßen Wissen darum und machen uns auf in den Tag. Es regnet und der Himmel ist wolkenverhangen. Alles um uns herum ist in einen Pastellton getaucht. Die Kamele, die Gräber, an denen wir vorbei kommen, der Brunnen und auch die Ustjurt-Mufflon Herde, die wir von weitem sehen. Diese Lichtstimmung hat etwas sehr bizarres. Schade nur dass uns somit die einzigartigen Aussichten in den Canyon verwehrt bleiben. Also machen wir nach ein paar Stunden Halt, um unser Lager aufzuschlagen. Zeit zum lesen, zum schreiben, zum Film ansehen, zum kochen und schlafen. Sten fühlt sich heute nicht ganz so fit. Eine Erkältung macht ihm zu schaffen. So fühlt es sich genau richtig an, etwas Ruhe in den Tag zu bringen. Am Abend gibt es vor unserem Fenster noch eine kleine Aufführung. Die Wolken waren wohl gerade im Dramatik Kurs und zeigen nun was sie gelernt haben. Sie bäumen sich auf, ballen sich zusammen, lassen die Sonne hervor lugen, bevor sie alles in einen Nebel kleiden, der die Nacht einläutet. Zum Abschluss steigt der Mond auf und setzt mit seiner erhabenen Fülle einen gewaltigen Punkt am Himmel.

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