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Feuerboote / Fire boats

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Feuerboote / Fire boats

27.10.2015 Khong / Laos / N14°06’58.5“ E105°51’19.6“

Da schwimmen sie dahin. Getragen vom Mekong. So viele Wünsche, Gebete, Hoffnungen. Manchmal ganz stille, manchmal stehen sie direkt auf den Gesichtern der Leute geschrieben, ihre Sehnsüchte. Aus Bananenblättern kunstvoll zusammen gesteckt mit Blumen verziert, von Kerzen und Räucherstäbchen erleuchtet, mitunter durch Geldscheine angereichert, gleiten sie zu Hunderten übers Wasser. Bevor sie auf dem Mekong fahren dürfen, wurden sie an die Stirn gehalten, um im Gebet dem kleinen Hoffnungsboot mit auf den Weg zu geben, was erhört werden soll. Wer auch immer sich um alle diese Wünsche kümmert. Der hat in der nächsten Zeit echt eine Menge zu tun! Es kracht und knallt wie zu Silvester. Vielleicht ist es unser Nachgeholtes. Vor zehn Monaten feierten wir zwei ganz leise vor uns hin. Da krachte nichts und knallte. Vor Kälte zitternd saßen wir da mit unserer kleinen Wunderkerze in den Händen, an einem menschenleeren Strand in Griechenland. Gespannt auf das, was kommen würde.Heute ist hier die Ausgelassenheit am Start. Die Kinder auf der Straße haben ihre Freude daran sich gegenseitig mit den Böllern zu erschrecken. Auch die Mönche sind heute einfach „Jungs“ die Spaß am Krach ihres Feuerwerks haben. Dass heute das Ende ihrer Fastenzeit eingeläutet wird, es sich also um einen religiösen Feiertag handelt, merke ich ihnen nicht wirklich an. Die Atmosphäre ist weniger spirituell getragen, denn sommerlich ausgelassen. Ich mag dieses Natürliche und Ungezwungenen, wie die Leute in den Dörfern zusammen mit ihren Mönchen leben. Nichts schottet sich ab. Alles ist durchlässig und zugänglich. Als fielen Weihnachten und Silvester auf ein und denselben Tag, so leuchten die Augen aller. Spannung und Vorfreude liegen in der Luft, die sich in den vielen, in den Himmel geschossenen Lichtraketen, entladen. Große Boote aus Bananenholz und kleine stehen überall herum und warten darauf, ins Wasser gelassen zu werden. Mal reich geschmückt, mal ganz schlicht. Die meisten schaffen es zu schwimmen, manche gehen untern. Wochenlang haben die jungen Mönche in allen Klöstern des Landes, die Feuerboote „Heua Fai“ für das „Boun Awk Phansa“ Fest gebaut. Grazile Konstruktionen, verziert mit buddhistischer Symbolik. Der Vollmond macht die Nacht zum Tag.

Khong / Laos N14°06’58.5“E105°51’19.6“

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Als wüsste er, dass es heute ganz besonders auf ihn ankommt, strahlt er, was das Zeug hält. Richtet sich das Datum des Festes „Boun Awk Phansa“  ja in jedem Jahr nach dem Tag des vollen Mondes Ende Oktober. Auch wir beide setzen unsere kleinen „Heua Fai“ auf den Mekong. Freudig zuckende Blitze geben sie von sich, wie beim Zünden eines Tischfeuerwerks in einem deutschen Wohnzimmer. Nur dass wir eben gerade am Ufer des Mekongs stehen, uns 35.000 Kilometer von zu Hause weg bewegt haben, erfüllt sind, von so viel tiefem Erleben und vor zwei Tagen unserer Abfahrt von zu Hause vor zehn Monaten gedacht haben. In mein kleines Boot setze ich nur einen Gedanken mit hinein. Und der heißt „Danke“.

Wasserbüffel in Aspik / Water buffalo in aspic

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Wasserbüffel in Aspik / Water buffalo in aspic

26.10.2015 Khong / Laos / N14°06’58.5“ E105°51’19.6“

Wie sie da liegen. Mal ein Ohr anhebend und dann den Schwanz. Ihre Körper, fast vollständig von Schlammwasser umhüllt. Was wohl da unten ist? Wie es da aussieht? Und warum sind gerade hier so tiefe Löcher, so dass eine ganze Wasserbüffelfamilie darin verschwinden kann? Vielleicht haben sich die Büffel ihre eigenen Badewannen gebuddelt, indem sie mit den Beinen strampelten, dadurch den Sand weiter aufweichten. Super Doppeleffekt. Da haben sie nun ein Badewannenloch, so groß wie ein Swimming Pool. Für Nichtschwimmer ungeeignet! Gleichzeitig sparen sie sich das Geld für den Wellness Tempel. Die Schlammpackung für eine samtweiche Wasserbüffel Haut gibt es hier als Sahnehäubchen obendrauf. „Sahne“ ist nicht unbedingt der erste Begriff, der mir beim Anblick dieser braunen Soße einfällt. Doch den Wasserbüffeln scheint ihr Tag im „Spa“ zu bekommen. So gemütlich sieht es aus, dass sie gleich Nachahmer bekommen. Versucht sich unser Leo doch tatsächlich heute Morgen an einer Moorpackung Anwendung. Mir bleibt fast das Herz stehen, als ich sehe, wie er sich auf einer pitschnassen, von Wasser aufgeweichten Wiese tiefer und tiefer eingräbt. Zum Glück spricht Sten ein Machtwort und bereitet dem Spuk ein Ende. Wir machen ja viel für Leo. Doch was zu weit geht, geht zu weit! Wir haben das „Viertausend-Insel“ Land des Mekongs ganz im Süden von Laos erreicht. Der Mekong wird hier zum Tintenfisch, der seine Tentakeln in alle Richtungen ausstreckt, sich verzweigt und verästelt. „Hiddensee“ ist vielleicht ein Vergleich der hinkt. Und doch hat die Atmosphäre hier Ähnlichkeit mit der entspannten Gelassenheit, die ich erinnere, wenn ich „Hiddensee“ denke. Mönche gibt es hier definitiv mehr und Tempel auch. Doch die gemütlichen Sandwege und stillen Blicke übers Wasser können es durchaus miteinander aufnehmen. In meinem Kopf geht heute alles langsam von statten. An blitzschnelles Reagieren ist nicht zu denken. Wie in Aspik fühle ich mich. Lecker, doch unglaublich beschwerlich voran zu kommen. Fünfunddreißig Grad Wärme und einundneunzig Prozent Luftfeuchtigkeit, sind eine Mischung, die scheinbar die Charaktere verändern. Aus schnell und wendig, wird langsam und behäbig. Für mich ein Abenteuer und neues Erfahren, da ich mich selten so erlebe. Ein Zeitlupen Leben führen wir. Mit unseren Vergrößerungsgläsern vor den Augen entgeht uns kein Detail. Sekunden scheinen verlängert durch unser genaueres Hinsehen. Die Kinder, die mit Knallern Fische fangen, die Frauen, die mit einer Wippenkonstruktion Reis von den Schalen befreien, um Reismehl zu stampfen, die Mönche, die sich in ihren Tempeln auf das morgige Fest vorbereiten und Bambusboote bauen. Die Wasserbüffel überlegen derweil, ob sie sich von rechts nach links drehen, oder es einfach lassen. So genüsslich hat sich das Schlammwasser um ihre Körper geschmiegt. Erstarrt scheint es zu sein. Wasserbüffel in Aspik. Delikates Leben.

Khong / Laos N14°06’58.5“E105°51’19.6“

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Salto, Schraube, „gedrehter Rittberger“ / Somersault, backflip, „turned Rittberger“

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Salto, Schraube, „gedrehter Rittberger“ / Somersault, backflip, „turned Rittberger“

25.10.2015 Champasak / Laos / N14°55’23.5“ E105°54’35.5“

 

Unsere Fahrt im „Tuktuk“ schenkt mir die Illusion von wehenden Haaren im Wind. Nun, so lang sind sie nun auch wieder nicht. Und doch fühle ich mich beim, durch die Gegend düsen, herrlich durchgepustet. Tommy hängt sich in den Fahrtwind, als flöge er mit nem Fallschirm. Auch Sten macht Armbewegungen, als höbe er gleich ab. „Vat Phou“ hat uns beflügelt. Ein verwunschenes Heiligtum der „Khmer“. Aus dem sechsten Jahrhundert stammen die ältesten Bauten und sind somit noch vor dem in aller Welt bekannten „Angkor“ in Kambodscha entstanden. In diesen Zeiten dehnten sich die Herrschaftsgebiete des heutigen Kambodschas weit in das laotische Gebiet hinein aus, in dem wir gerade sind. So glaube ich, dass man gefühlt diese Orte im gleichen Licht sehen kann. Licht brauchen sie, so schwarz wie der verwitterte Stein der Säulen, Tempel und Treppen ist. Umso strahlender leuchten die goldgelben Buddha Statuen, die verträumt die schönsten Plätze in Kleinode verwandeln. Als religiöse Stätte wurde „Vat Phou“ von seinen Erbauern errichtet. Ursprünglich hinduistischen Göttern gewidmet, verehrt man seit dem vierzehnten Jahrhundert Buddha in dem Bergtempel „Vat Phou“. Spirituelle Empfindungen begegnen uns in jedem Fall, auf unserem Weg entlang der Säulenallee mit seinen phallisch anmutenden Formen, die hohen, von Gras überwachsen Stufen den Hang hinauf kletternd, bis wir vor dem sechzehn Meter hohen Steinmassiv mit seiner sprudelnden Wasserquelle stehen, dem Herzstück der Stätte. Als „phallisches Symbol Shivas“, in alten Schriften auch als „Berg des Lingam“ bezeichnet, den männlichen Genitalbereich als Schöpfungsort verehrend, steht die Stätte für die Schöpfungskraft Shivas, in seiner sowohl erhaltenden als auch zerstörenden Energie. Nach „Vat Phou“ zu gelangen ist heute ein Abenteuer für sich. Der Mekong liegt zwischen uns. Und die Frage bewegt, wie wir ihn überwinden. Fünfzig Kilometer weiter im Norden gibt es eine neu gebaute Brücke. Doch an der sind wir gerade nicht. Wir stehen an der ursprünglichen Stelle. Dort wo vor Jahren der Fährbetrieb das Hin und Her ermöglichte.

Champasak / Laos N14°55’23.5“E105°54’35.5“

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Eine alte wackelige Plattform gibt es auch heute noch, um mit nem Fahrzeug über den Fluss zu gelangen. Und Leute, die sich freuen das Kundschaft kommt, auch. Wir wollen den Männern hier gern ein Geschäft liefern. Doch den Leo halten wir lieber raus. Auch wenn er das Abenteuer sicherlich gemocht und es vielleicht sogar heil überstanden hätte, lassen wir ihn am Ufer stehen, um allein mit dem Boot ans andere Ufer zu fahren. „Stehen lassen“ klingt super einfach. In diesem ganz speziellen Fall wäre es fast unser Verhängnis geworden. Tiefer, klebriger Sandboden, der sich unter Leos Last weg schiebt, als gäbe es gerade einen Erdrutsch, macht aus Freude augenblicklich Ernst. Doch wir bleiben ruhig und schaffen es, Leo nicht umkippen, sondern auf festem Boden ankommen zu lassen. Meine Knie schlottern die kommende Stunde, ich fühle mich matt und extrem hungrig. Die Aktion hat offensichtlich komplett alles an Energie verschlungen, was wir aufbringen konnten. Umso glücklicher sitzen wir anschließend in dem kleinen Boot, um uns ans andere Mekong-Ufer schippern zu lassen. Tommy ist heute den ganzen Tag mit uns zusammen. Egal, ob bei der Zitter-Party mit Leo im Sand, dem Bootstripp, in „Vat Phou“, oder dem Baden mit den Kids. Die Strömung ist gewaltig, wie Sten von einem Augenblick auf den nächsten feststellt. Die Jungs müssen aufpassen, dass sie nicht abgetrieben werden. Schwimmen können hier alle. Zumindest die Jungs. Die Mädchen stehen still am Ufer. Genau so wie ich, müssten auch sie komplett bekleidet ins Wasser gehen. Ein Spaß für die starke Strömung, weniger für die Mädchen. Ich habe keine Ahnung, wie der aus meiner Kindheitsvorliebe für Eiskunstlauf in meinen Kopf getuckerte Begriff des „gedrehten Rittbergers“ im wirklichen Leben anzugehen ist. Doch das was die Jungs hier in dem Moment vor dem Klatsch ins Wasser vollführen, kommt dem in jedem Fall unglaublich nah.

Ukulele / Ukulele

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Ukulele / Ukulele

24.10.2015 Pakxe / Laos / N14°59’20.2“ E105°53’57.3“

Vier Griffe übe ich den ganzen Abend. Immer wieder. Minimal schneller werde ich beim Wechsel dazwischen. An eine fließende, wohlklingende Melodie ist noch nicht zu denken. Doch ein Anfang ist gemacht. Vergangenes Jahr hatten wir die Idee, unterwegs zu lernen, wie man auf der Ukulele spielt, um dann mit den Menschen entlang unseres Weges Musik zu machen. Soweit die schöne Idee. Doch irgendwie hat es sich bisher nicht ergeben. Für alles gibt es eben doch den einen Moment, zu dem es passt, an dem etwas Neues beginnt. Heute nun ist es der für die Ukulele. Tommy ist geduldig und zeigt uns immer wieder, wie es einmal klingen sollte. Auch wenn sich unsere Ergebnisse eher nach „Hühnerstallgegacker“ anhören. Zuschauer haben wir gleich an unserem ersten Abend genügend. Die Sensation für die Kinder des Dorfes am Mekong sind wir heute. Ja, unser geliebter Fluss hat uns wieder. Vom Bolaven Plateau, mit seinen angenehmen Temperaturen, vor allem in der Nacht, sind wir nun wieder eintausend Meter tief ins Tal gerollt, und haben die Handbremse direkt am Ufer des Mekongs gezogen. Die Dorfältesten kommen, um nachzusehen, was hier vor sich geht und nach längerem Reden mit Sten, der alles an Freundlichkeit auftafelt, ihr Einverständnis geben, dass wir für eine Nacht bleiben können. Skeptische Blicke nehme ich trotzdem wahr. „Noch nie waren hier fremde Menschen“, sagt der, der ein paar Brocken Englisch spricht. Dann ist mir die Aufregung völlig klar, die unser Erscheinen bei den Leuten hier auslöst. Gefühlt jeder aus dem Dorf kommt heute Abend irgendwann mal vorbei. Steht da, um eine Weile still zu Schauen und geht dann wieder seiner Wege. Was die wohl denken? Ich habe keine Ahnung. Ich selbst fühle mich ein wenig so, als wären wir die Ersten, die auf dem Mond gelandet sind. Nur dass der in unserem Fall bewohnt ist. Tommy kommt aus Russland, reist durch die Welt und baut nebenher jeden Tag an seiner digitalen Geschäftsidee. Täglich entwickelt er eine Seite seines zukünftigen Online Portals und schickt diese nach Hause. Als Beweis, dass er weiter gearbeitet hat. Die Welt hat sich wirklich verändert. Das Arbeiten an digitalen Projekten begegnet uns auf Schritt und Tritt, hier im Südosten Asiens. Da sitzt der Programmierer in Singapur und der Designer aus Kuala Lumpur ist gerade anderswo auf Reisen. Er liefert von unterwegs seine Arbeit ab. Tommy hat seine versprochene Seite für heute fertig und nun Zeit auf seiner Ukulele zu spielen.

Pakxe / Laos N14°59’20.2“E105°53’57.3“

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Getroffen haben wir ihn gestern in unserem Lieblingscafé „Jhai“ in Paksong. Er war dort am Arbeiten. Und heute? Gerade in dem Moment als wir losfahren wollen, steht Tommy vor uns. Eins plus Eins ist schnell addiert und so ist klar, wir laden sein Gepäck ein und nehmen ihn ein Stück mit. Nicht ohne uns lang, ausgiebig und herzlich von Tyson, Ken, Jackie, Isabell und Adrian verabschiedet zu haben. Unsere kleine „Familie auf Zeit“. Ein wenig Wehmut beschleicht uns alle. Doch irgendwie bin ich sicher, dass wir uns wieder sehen. Ein Gefühl, welches mich immer wieder auf unserem Weg befällt. Wie sieht das dann aus in der Zukunft? Bei so Vielen, die wir inzwischen getroffen haben... Ich finde es eine wunderschönes Gefühl, an so unterschiedlichen Orten vertraute Menschen zu kennen. Es ist, als trägt es mich durch die Welt. Adrian und Isabell wünsche ich Monate, die es für beide in sich haben. Wann kann man schon mal sagen: „Ja, da haben wir acht Monate an einer Hauptstraße in Laos gelebt“? Denn so offen wie alle Häuser hier sind, ist alles Drinnen auch gleichzeitig ein Draußen. VERSCHLOSSENE Türen gibt es hier nicht. Schon deshalb, weil es keine Türen gibt. Am Abend wird ein Rolltor herunter gelassen. Ansonsten ist alles offen. Das verändert das Lebensgefühl. Es macht die Wohnorte zu überdachten Behausungen, die vor dem Regen schützen, doch das Leben kann überall hindurch wehen. Genau dieses Empfinden ist es auch, was mich nun hier am Mekong sitzen lässt, um Ukulele zu spielen. Alle sind dabei. Ich bin offen für die Welt, fasziniert von den permanenten, plötzlichen Wechseln in meinem Erleben, habe Freude daran, etwas Neues zu lernen und irgendwann werde ich genau das in meiner Musik hören können. Auch wenn mir heute Abend meine Finger schmerzen.

Nudeln für alle / Pasta for anybody

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Nudeln für alle / Pasta for anybody

23.10.2015 Paksong / Laos / N15°08’51.9“ E106°15’01.3“

Ups, da ist es doch glatt schon wieder dunkel geworden. Punkt achtzehn Uhr wird hier das Licht am Himmel ausgeknipst. Die Nächte und die Tage sind hier über das ganze Jahr hin annähernd gleich lang. Da braucht es keine Zeitumstellung. Wäre auch irgendwie Sinn-frei. Am Morgen kommen wir in unser kleines Lieblingscafé, um uns von Isabells liebevoll zubereiteten Frühstück verwöhnen zu lassen. Knackfrisches Baguette, ein liebenswertes Überbleibsel der französischen Kolonialzeit. Darauf Honig und Marmelade. Selbst gemacht.Jackie stellt zwei Tassen dampfend duftenden Kaffees dazu und Adrian mixt die oberbesten Smoothies. Es fühlt sich für mich nach „Sonntagsfrühstück“ und „zu Hause“ an. Ich kann nicht anders, ich will nicht anders, als einfach dazusitzen und hier zu sein. Mehr als dreihundert Tage lang unterwegs, kann es nicht bedeuten, überall vorbei zu schrammen. Je länger wir reisen sind, umso mehr schätze ich die Zeiten, in denen wir einfach „bleiben“ wo wir gerade sind. Es spielt keine Rolle wo das ist. Wenn es sich so ergibt, ist es genau das Richtige. Vor drei Tagen hielten wir an, weil uns das Schild am Eingang gefiel. Und heute? Koche ich mit Isabell mittags Nudeln für alle. Auf Zeit eine kleine Gemeinschaft. Eilig hat es niemand. Gespräche ergeben sich mal zwischen dem einen und der anderen. Zwanglos, unkompliziert. Ken, der Amerikaner, erzählt Geschichten aus seinem Leben. Isabell hilft uns beim Übersetzen unseres Crowdfunding Projekt-Textes. Für Tilek. Unser Freund aus der Mongolei, muss sehen wie es für ihn und seine Familie in dem abgelegenen, aber wunderschönen, Dorf weiter geht. Er ist dabei, für sich ein neues kleines Business aufzubauen. Reisende will er am See in Jurten wohnen lassen. Mit ihnen kochen, reiten, die Gegend erwandern. Das Leben als Nomade kennenzulernen ist eine Erfahrung, die man wohl sein ganzes Leben nicht mehr vergisst. Vielleicht hat ihn die Zeit mit uns dazu animiert. Auf jeden Fall ist es eine gute Idee, die wir gern unterstützen. Denn er will selbst was tun und überlässt sich nicht seinem Schicksal. Das Ganze ist mehr als existentiell. Denn soziale Unterstützung gibt es in der Mongolei nicht. Jeder muss sehen, wie er durchs Leben kommt. Helfen wollen wir ihm, indem wir auf einer Crowdfunding Plattform sein Projekt publik machen und auf diesem Weg hoffen, das nötige Geld für seinen Start zusammen zu bekommen.

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Nun haben wir so etwas noch nie selbst gemacht, bisher immer nur darüber gehört. Also ist heute der Tag, um uns damit zu beschäftigen. Tyson, der amerikanische Besitzer des kleinen Cafés, hat sein eigenes Geschäft hier in Laos auf diesem Weg ins Laufen gebracht. Er gibt uns Tipps und greift uns unter die Arme. Das ganze Ding mit der digital vernetzten Bekanntheit ist mir immer wieder suspekt. Doch ich hoffe, dass der gute Zweck die Sache rechtfertigt. Wir drehen einen kleinen Film, der das Projekt erklärt, bauen uns eine eigene Facebook-Seite, auf der alle Aktivitäten zusammen laufen sollen. Sten kniet sich rein, verfitzt sich in der digitalen Netz-Welt. Und die Soße zu den Nudeln? Die schmeckt umwerfend nach Kokos. Was für eine Entdeckung für uns, Kokosnussöl. Gegen Sonnenbrand hilft es, Bakterien tötet es ab, die Haut macht es geschmeidig, dem Stoffwechsel tut es gut. Es reinigt und schützt von innen, außen, hinten und vorn, oben und unten. Und schmecken tut es sowieso. In Zukunft wird wohl neben meinem Lieblings-Olivenöl immer auch ein Pott voll Kokosnussfett stehen. Bei 24 Grad schmilzt es schon. Deshalb ist es in warmen Ländern, wie Laos, meist flüssig und wird als Öl bezeichnet. Im kühlen Deutschland kannte ich bisher nur den Begriff „Fett“. Ich habe Zeit mir anzusehen wo ich bin. Blumenvasen sind hier verrostete Granaten. Das Tischgestell auf Rollen, ein Erinnerungsstück aus dem Bergbau. Die Kochplatten stehen am offenen Fenster. Der Duft zieht raus, das Grün lacht rein. Nachbars Hahn schaut neugierig vorbei. Die Kinder aus der Straße kommen grölend angerannt, spielen lautstark mit den Rasseln und verschwinden wieder. Tyson bastelt an seiner neuen Kokos-Öl Geschäftsidee. Kaffee interessierte Kunden schlurfen herein. Andere hat der Begriff „Wifi“ angelockt. Der Duft des Essens ruft uns zusammen. Für Jackie das erste Pasta-Gericht seines Lebens, für uns alle ein ganz normaler Tag, und trotzdem so einmalig.

Teppichrolle / Carpet rolls

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Teppichrolle / Carpet rolls

22.10.2015 Paksong / Laos / N15°08’51.9“ E106°15’01.3“

Da liegt er da. Der neue Tag. Zusammengewickelt als Teppichrolle. Der erste Klecks Farbe zeigt sich. Ein Teil des Musters kommt zum Vorschein. Hellblau, dunstig gehalten ist es. Die Luft eines kleinen Sees steigt auf. Das Gras noch feucht vom Morgentau. Vielversprechend breiten sich die ersten Zentimeter vor mir aus. Ich bekomme Lust auf mehr. Rot und Hellgrün mischen sich als Farbtupfer unter. Ich schneide Tomaten, Knoblauch und frische Kräuter. Mische alles mit unserem leckeren Olivenöl aus Iran. Gebe Zitronensaft dazu. Baguette getoastet, und fertig sind unsere Frühstücks-Bruschettas. Der See vor unseren Augen, das Dorf mit seinen runkeligen Holzhäusern dahinter. Der Tag kommt in Fahrt. Er ist selbst gespannt, was der Teppich als nächstes preisgibt. Wir finden uns wieder, Körbe haltend, die roten Kaffee-Kirschen erntend. Eine kleine Gruppe sind wir. Michael ist dabei. Zufällig kommt er aus Jena. Am „Markt 11“ wohnt er dort, einem Café mit eigener Rösterei im Zentrum der Stadt, und kennt das Geschäft mit dem Kaffee. Adrian und Isabell leben für acht Monate in Laos. Bei „Coffee Circle“ haben sie vorher gearbeitet. Einer Kaffee-Vertriebsfirma in Berlin. Nun wollen sie in einem Hilfsprojekt dazu beitragen, dass die Leute hier verstehen, was zu tun ist, um die Qualität ihrer Ernten zu steigern. Denn höhere Punktebewertungen beim abgelieferten Kaffee bedeutet mehr Geld in den Schatullen der Leute vor Ort. Über die „Jhai Coffee Farmer’s Cooperative“ sind zweitausendzweihundertfünfzig Familien in den umliegenden dreiundsechzig Dörfern miteinander verbunden. „Jhai“ ist Laotisch und bedeutet „Herz“. Neben dem Verständnis zur Erzielung besserer Preise durch die langsam steigende Kaffeebohnenqualität hat es die Cooperative, der Tyson aus den USA angehört, auch geschafft vor einer Woche eine neue Schule zu eröffnen. Schulen mit weniger als einhundert Kindern werden vom laotischen Staat nicht unterstützt. So ist es schwer, für Gemeinden mit weniger Kindern in einer erreichbaren Entfernung Schulen zu errichten. Fünfzig Kinder, in einem der nahen Dörfer, sind nun vor sieben Tagen zu Schulkindern geworden. Das erfahren wir beim Pflücken der roten Kaffee-Kirschen. Und lernen, gemeinsam mit den Einheimischen, alle grünen Kirschen hängen zu lassen, um sie später zu ernten.

Paksong / Laos N15°08’51.9“E106°15’01.3“

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Bis Januar ist Erntezeit. Also genügend Gelegenheiten für rote Kirschen. Eineinhalb Stunden pflücken wir. Dann schüttet Jacky, der Mitarbeiter Tysons, unsere Ernte in eine große Schüssel mit Wasser. Schön sehen sie aus, die rot leuchtenden schwimmenden Kirschen. Doch leider geht hier das Problem los. Alles was schwimmt und nicht am Boden der Schüssel liegt, ist Abfall. Dann sind die innen liegenden Bohnen auf irgendeine Weise schlecht und können nicht weiter verarbeitet werden. Also schöpft Jacky gut zwei Drittel unserer mühsam geernteten Früchte aus dem Wasser, um sie auf den Kompost zu geben. Ein kleines Häufchen guter Früchte bleibt in der Schüssel zurück. Wie ernüchternd schon für mich. Wie sollen es dann die Einheimischen verstehen, dass sie erst nur rote Kirschen ernten sollen und dann trotzdem die Meisten davon nicht verwendet werden können? Anschließend werden Schalen und Bohnen in einer Apparatur mit manuellem Handbetrieb von einander getrennt. Trocknet man die Schalen, ergeben sie einen leckeren Tee. Denn tatsächlich schmecken sie ein wenig süß wie Kirschen.  Die nun frei liegenden Bohnen landen wieder im Wasser. Erneut kommt das Kontrollauge zum Einsatz. Alle oben schwimmenden dunklen oder anders komisch aussehenden Bohnen werden erneut aussortiert. Vierundzwanzig Stunden Wasserbad ist dann angesagt, bevor das wochenlange Bad in der Sonne auf dem Kaffee-Bohnen-Wellness-Programm steht. So lange können wir nun doch nicht warten. Verabschieden uns von den Männern und Frauen im Dorf und fahren zurück in die Stadt. Dort entrollt sich unser Teppich auf das Vorzüglichste. Düfte lässt er aufsteigen. Erst die nach frischem Brot, dann langsam schärfer werdend, bis es nach zwanzig Minuten langsamem Röstens nach Kaffee duftet. Über die Drehgeschwindigkeit der Rösttrommel und die Luftzufuhr kann Jacky die Temperatur in der Trommel regulieren. Zur Kontrolle zieht er immer wieder mit einem Testlöffel Bohnen aus der Trommel, um den Röstungsgrad zu überprüfen. Seine Nase hängt er dabei die ganze Zeit in den aufsteigenden Dunst. Der Geruch ist für ihn der entscheidende Gradmesser. Bis er beschließt die Bohnen auf ein großes Sieb zu geben, sie durch die Luft fliegen zu lassen, um die restlichen Silberhäutchen dem Wind zu übergeben. Dann darf der Kaffee ausdünstet. Eigentlich vierundzwanzig Stunden lang. Doch wir sind zu neugierig, wollen wissen, wie „unser“ Kaffee schmeckt. Köstlich, frisch, leicht, eine Fruchtnote kommt auf meiner Zunge zum Vorschein. Die Pingeligkeit des permanenten Aussortierens, selbst nach dem Rösten noch, hat sich gelohnt. Das ist ein Kaffee der Spitzenklasse! Goldbraune Farbe, nach Kaffee duftend, trägt die nächste Wicklung unseres Tagesteppichs. Es läuft sich gut darauf. So beschließen wir noch ein wenig zu bleiben. Tyson bietet mir an seine Waschmaschine zu nutzen. Ich nehme gern an. Da das Waschen in den öffentlichen Wäschereien inzwischen bei einigen Leuten, die unseren Weg kreuzten, Ausschlag verursachte.  Kurz bevor es dunkel wird, beschließen wir wieder an den kleinen See mit dem Dorf zu fahren. Der Motor läuft warm, die Druckluft baut sich langsam auf. Sten legt den ersten gang ein und löst die Handbremse. Da kommt Tyson über die Straße gerannt, um zu fragen, ob wir nicht Lust hätten gemeinsam zu kochen. Teppich, was für Überraschungen birgst Du in deinem Inneren! Zu Sechst stehen wir in der genial einfachen Holzküche in Tysons Haus. Reden über Gott und die Welt, schneiden Tomaten für erneute Bruschettas, und Ananas. Die braten wir mit Zimt und Kokosnuss-Öl in der Pfanne. Kokosnuss-Öl, unsere Entdeckung des Tages. So unglaublich lecker und natürlich gesund. Tysons neues Projekt...  Unser Teppich liegt nun in seiner vollkommenen Pracht vor uns. Bunt ist er, von anziehenden Gerüchen umfangen und der Begegnung mit herrlichen Menschen. Den Abend und die halbe Nacht verbringen wir auf ihm. Alle zusammen, zwei Amerikaner, William und Tyson, und vier Deutsche, Isabell, Adrian, Sten und ich, sitzen wir auf dem Teppich dieses einzigartig bunten Tages.   
 

Kaffeebohne. Bohnenkaffee. / Coffee bean.

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Kaffeebohne. Bohnenkaffee. / Coffee bean.

21.10.2015 Paksong / Laos / N15°08’51.9“ E106°15’01.3“

 

Tee wird uns eingeschenkt. Grüner, den ich so mag. Geübt sind seine Hände beim Abmessen der Teemenge. Oft getan. Ohne Aufhebens. Keine Zeremonie. Doch ein ehrlicher Geschmack. Umgeben von Kaffeesträuchern sitzen wir in dem hochhackigen Holzhäuschen. Mit Lümmelflächen, auf denen Frauen zum Schwatz versammelt sind. Die Männer sitzen am Tisch. Beim Tee, ihrem Lieblingsgetränk im Land des Kaffees. Ein Mann aus dem drei-Häuser-Dorf lädt uns ein. Auf ein Gläschen sitzen wir beisammen. Das Telefon liegt zwischen uns. Als Brückenpfeiler. Dann, wenn die Worte nicht reichen, kommt das Übersetzungsprogramm rettend zu Hilfe, um den begonnen Satz ans andere Ufer zu bringen. Gestampfter Lehmboden, verwundene Holzbalken, spärliches Licht einer Glühlampe, ein Tisch, den vielleicht schon die Franzosen kannten und genau darauf liegt das funkelnde Technikwunder, das Smartphone, welches auch hier das Leben vollkommen umgekrempelt hat. Es ist, als stünde der Mann mit einem Bein in der Vergangenheit und mit dem anderen in der Zukunft. Die Frage ist, was ist mit der Gegenwart? Das vor und zurück ist täglicher Begleiter hier in den Dörfern auf dem Bolaven Plateau. Strom gibt es erst seit kurzem. Der Weg hierher, ein off road Park für Mäuse, Gänse, Hühner, Schweine und Rinder. Nen Rummelplatz mit Riesenrad und Achterbahn brauchen die nicht. Das große Vergnügen bietet schon der Schlammweg zur Genüge. Kühl ist es heute Abend. Wenn ich mal zwanzig Grad als „kühl“ bezeichnen darf. Die klebrige Hitze der Nächte haben wir vorüber gehend am Mekong sitzen gelassen. Hier oben vergnügen wir uns mit frischer Abendluft, die vom See herüberzieht, über unsere dampfendenden Teegläser hinweg. „Wann hast Du zum letzten Mal etwas zum ersten Mal getan?“ Die Frage ist mein Tag. Noch nie fand ich mich in einer Kaffeeplantage stehend. Noch nie sah ich, was mit den Kaffee-Kirschen geschieht. Noch nie hielt ich grüne Kaffee Bohnen in meinen Händen. Mein erstes Mal! Ich beobachte mich selbst dabei, wie ich lerne und verstehe. Zu Beginn versuche ich mir die Vorgänge durch mein Sehen selbst zusammen zu reimen. Ganz eigene Geschichten entstehen dabei. Ich liebe meine Gehirngeschichten. Auch wenn dann kaum eine davon Bestand hat, wenn die fachkundigen Erklärungen bei gemischt werden.

Paksong / Laos N15°08’51.9“E106°15’01.3“

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Mein Phantasiebild behalte ich für mich. Wie ist das nun mit dem Kaffee und dem Espresso? Wo liegen die Unterschiede und was macht einen Kaffee gut? Wir halten an einem handgeschnitzten Schild mit der Aufschrift „Lao Coffee“. Hier wollen wir es wissen. Auch wenn wir nicht von der „Sendung mit der Maus“ kommen, oder als „Peter Lustig“ hier herein spazieren. Die Erntezeit kommt langsam ins Rollen. Normalerweise beginnt sie Ende Oktober. Doch da es in den letzten Wochen sehr warm war, geht’s jetzt schon los. Dicht aneinander gedrängt klebt Kaffee-Kirsche an Kaffee-Kirsche. Entlang eines Zweiges wachsen sie. Gut ist, wenn nur die Roten geerntet werden und den anderen Zeit gelassen wird, um das Erlebnis des Rot Werdens zu haben. Meist wird maschinell geerntet. Von Hellgrün bis Dunkelrot ist dann alles dabei. Das ist der erste Fakt, der über die Qualität eines guten Kaffees entscheidet. Masse zu Lasten der Güte. Weiter geht es mit den geernteten Kirschen. Zwei Wege stehen ihnen offen. Der Eine, das Ausgebreitet werden auf großen Planen, oder einfach auf dem Boden liegend. Die Sonne trocknet die Schalen. Aus glatt und Rot wird Schwarz und schrumpelig. Beim allmählichen Trocknen im Sonnenbad dringt der Geschmack der Schale in Teilen in die Bohne ein. Durch häufiges Wenden trennen sich allmählich Außenschale und Bohne. Diese hat wiederum ein Silberhäutchen um sich herum gekleidet, welches ebenfalls mit Hilfe der Sonnenwärme aufspringt und abfällt. Bis die nackige grüne Bohne vor einem liegt. Es ist der ehrlichste Weg, wenn er auf diese Weise gegangen wird. Denn an Hand der nackigen Bohnen sieht man, welche Bohnen gut sind, und welche als hohl ausgesondert werden müssen. Die sortierten grünen Bohnen sind eine gute Basis für einen berauschenden Kaffee. Falls die Bohnen beim Rösten nicht verbrannt werden. Der andere Weg nennt sich „Waschung“. Dabei gibt man die hellgrünen bis dunkelroten Kirschen in einen großen Trichter. Nachdem sie einen Zermalmungsprozess durchlaufen haben, fallen die Bohnen mit Silberhäutchen in einen großen Wasserbottich und die Außenschalen fliegen auf einen großen stinkenden Haufen. Acht Stunden lang bleiben die Bohnen im Wasser. Dort weichen sie auf, so dass sich die Silberhäutchen beginnen zu lösen. Das Eintrocknen der Aromastoffe von der Schale in die Bohne entfällt. Der Geschmack ist folglich ein anderer. Klar, geht diese Methode schneller und sieht lustig aus. Wie sich in Windeseile Schale und Bohne voneinander trennen. Sie anschließend ins Wasserbad hüpfen und ihnen das Erlebnis der feuchten Abkühlung beschert wird. Die nassen Bohnen werden in Säcken zu 50 Kilogramm verpackt und zu großen Trocknungsanlagen gefahren. Von der Qualität der Bohnen erfährt man immer erst, wenn sie nackt und grün vor einem liegen. Wird die Bohne mit Silberhäutchen verkauft, ist es quasi die Katze im Sack. Erst nach dem Trocknen und Abfallen der Häutchen kann man sehen, wie groß der Prozentsatz an guten Bohnen und Abfall ist. Ihre weiten Reisen in alle Teile der Welt, treten die grünen Bohnen an. Geröstet wird später in den Ankunftsländern. Um die Frische des Aromas zu garantieren. Denn selbst mit Höchstpunktzahlen bewertete Kaffees verlieren nach einem Jahr an Geschmack. Dann ist es noch immer ein gut trinkbares Tässchen. Doch ne Goldmedaille wird ihr nicht mehr um gehangen. Schnelles Rösten bei zu hohen Temperaturen geht ebenfalls zu Lasten des Geschmacks und führt wohl auch zu den Unverträglichkeiten im Magen, wie uns in dem kleinen Café erklärt wird, welches einem Amerikaner gehört. Fünfundvierzig Minuten lang bei ca. 200 Grad sollte laut den Berichten das Rösten dauern. Bewegt werden die Bohnen dabei die ganze Zeit. Kaffee- und Espressobohnen können von ein und demselben Strauch kommen. Die Espressobohnen werden einfach länger geröstet und dadurch dunkler. Alle diese Informationen sind heute ganz neu in meinem Kopf eingetroffen. Nichts davon wusste ich vorher. Außer, dass ich den einen Kaffee nicht vertrage und den anderen Espresso doch. Dass es nicht an Kaffee oder Espresso schlechthin liegt, hat die Silberhäutchen von meinen Augen entfernt. Es liegt einzig am Weg, den die Bohnen erfahren. Und so landet in normal abgepackte Kaffeetüten offensichtlich meist die schnell getrocknete und im Speed-Verfahren geröstete gemahlene Bohne. Die mich jahrelang glauben ließ, es läge am Kaffee oder Espresso, den ich gerade trinke. Die sorgsame Zeremonie des Kaffee Zubereitens tut ihr übriges dazu. So geschiegt es mir, dass ich heute seit zwanzig Jahren das erste Mal wieder eine Tasse KAFFEE trinke. Mein linker Arm dabei nicht taub wird, mein Gleichgewichtssinn nicht beeinträchtigt ist und ich mich rundum wohl fühle. Goldbraun schimmert er und blinzelt mir zu. MEIN BOHNENKAFFEE.            

Fallende Wasser / Falling waters

 

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Fallende Wasser / Falling waters

20.10.2015 Houayvay / Laos / N15°23’22.1“ E106°22’26.1“

Eintausend fünfhundert Meter Höhe. Das ist in der Mongolei das Normallevel des Landes und in China nicht minder. Dort ging es oft weiter nach oben noch. Mit Laos sind wir dem Meeresspiegel wieder näher gerückt, haben uns vom bergigen Norden nun in flachere Gebiete Laos begeben. Fast begegnen wir dem Meeresspiegel auf Augenhöhe. Ein schönes Gefühl, wie ich meine. Und doch. Fahren wir nun in mehrfacher Hinsicht „runter“? „Runter“ in den Süden? „Runter“ was die Höhen betrifft? „Runter“ auch, was den zeitlichen Verlauf unserer Reise angeht? Monatelang sind wir „bergauf“ gefahren. Es war die Zeit uns selbst auf unserer Reise einzurichten, ein Selbstverständnis zu entwickeln, dass das Unterwegssein jetzt unser Leben ist. Dass es um etwas anderes als einen kurzen Urlaub zum Kraft tanken geht. Steinig ging es Berg an. Die Motoren in uns liefen heiß. Das Laufen auf dem vermeintlich „dünnen Seil“ machte uns zu schaffen. Irgendwann hatten wir es dann drauf, das Gehen auf dem dünnen Seil, welches sich gar nicht mehr so schmal anfühlte. Wir konnten darauf rennen, hüpfen, uns sogar im Kreis drehen und Saltos schlagen. Die Zeit auf dem Plateau war gekommen. Wir waren eingerichtet, angekommen, verstanden uns plötzlich als Reisende. Die Frage nach dem WARUM hatte sich längst verflüchtigt. Wir waren eingetaucht, mittendrin, genossen die Selbstverständlichkeit des bewegten, beweglichen Lebens. Das alles ist noch immer so. Doch mit dem „Absteigen“ von dem Plateau der sechs mittleren Monate, schleicht sich nun ganz allmählich eine neue Farbschattierung ein. Wir bremsen uns, mit unseren mentalen Laufstöcken, auf dass wir nicht zu schnell werden, im Gang nach unten. Der Blick in die Weite da oben ist zu umwerfend, als dass ich ihn gern aufgebe. Und SCHNELL schon gleich gar nicht. Und doch richten sich unsere inneren Antennen in diesen Wochen Stück für Stück auf unseren nächsten Reiseabschnitt. Dem, des „nach Hause“ Bewegens. Wir sprechen leise darüber, weil wir es mitunter selbst noch nicht hören möchten. Und doch sitzen die Worte dazu mit uns abends am Feuer. Vorfreude auf unsere Familie und Freunde mischt sich mit Ungewissheit in so vielerlei Hinsicht. Doch das Gehen auf unbekanntem Gelände ist uns nun mehr als eigen. Also einfach weiter, um zu sehen was kommt.

Houayvay / Laos N15°23’22.1“E106°22’26.1“

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So denke ich heute auf unserem Weg zum „Bolaven-Plateau“. Es ist eine Fläche von vielleicht einhundert mal einhundert Kilometern, die sich von einhundertfünfzig Metern auf eintausend fünfhundert Meter Höhe über dem Meer erhebt und für mich die passende Metapher des Auf und Oben und Ab unserer Reise ist. Kaffee wird hier vor allem angebaut. Kaffee, auf den man in der DDR in den achtziger Jahren spekulierte. Die Franzosen machten die Region zur „Kaffeetasse“ des Landes. In den Kriegszeiten der sechziger- und siebziger Jahre litt die Region unter schweren Bombenangriffen und wurde vollkommen zerstört. Leute aus der DDR kamen nach Kriegsende hier her, um den Kaffeeanbau erneut voran zu treiben. Es war eine Investition in die Zukunft. Man erhoffte sich damals langfristig gute Konditionen in den Jahren der Ernte. Doch die Wende kam der Kaffeeidee in die Quere. Aus dem Profitieren wurde für die DDR nichts mehr. Doch Laos hat es geholfen. Bis heute. Die Region steigert Jahr für Jahr ihre Erntezahlen. Allein von 2008 bis 2014 konnte die Produktion von 15.000 Tonnen auf 30.000 Tonnen Kaffee gesteigert werden. Das entspricht einem Exportwert von neunundsiebzig Millionen Dollar. Neben Japan, Polen und den USA wird auch Deutschland mit den „Arabica“-Bohnen beliefert.  Also haben wir doch etwas davon, dass vor Jahren unsere Landsleute beim Wiederaufbau halfen.  Mit den Bergen kommt der Wald, kommt das Wasser, welches dem Mekong entgegen rauscht. Die Wasserfälle sind legendär für die Gegend. Der eine und andere kreuzt heute unseren Weg. Es heißt, dass der Tourismus die Fälle für sich entdeckt hat. Doch heute scheint das Entdecken Sendepause zu haben. Außer einem Berliner auf seiner Jahresreise begegnen  wir niemandem. So bleibt mir ein Haufen Zeit, dem Wasser in seinem Fallen zuzusehen. Wie es sich hineinstürzt in das tiefe, glucksende Unbekannte. Wie es gerade daraus neue Energie zu schöpfen scheint und mit Sauerstoff aufgeblustert seinen stürmischen Weg fortsetzt. Ist das die Magie der Wasserfälle? Ist es das, warum es heißt: „Da ist ein Wasserfall. Dort müssen wir hin.“ Die Erkenntnis, dass Fallen aus unberechenbaren Höhen kein Absturz ist, sondern eher eine erfrischende Wiedergeburt, ein neuer Anfang?!  
      

Rüttelplatte / Shaking plate

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Rüttelplatte / Shaking plate

19.10.2015 Saravane / Laos / N15°42’58.7“ E106°22’54.0“

„Go, go, go!“ ruft er uns immer wieder entgegen, und zeichnet wegfahrende Handbewegungen in die Luft. Wie „go, go, go“? Es ist jetzt dunkel. Wir sehen unsere eigenen Hände nicht mehr, zwanzig Zentimeter vor dem Gesicht, und sollen gehen? Warum und wohin? Bei Einbruch der Dunkelheit sind wir an einen Flusslauf abgebogen. Haben es geschafft mit Hilfe von Baumstämmen, in dem schrägen Gelände, einigermaßen gerade zu stehen. Sten hat ein Feuer gezaubert und ich mich im Fluss gewaschen. Der Fischer vom anderen Ufer watete zu uns, auf ein Bier und ein paar Pistazien aus Iran. Ein wunderschöner Abend versprach es zu werden. Dann kam er auf seinem Motorroller angefahren. Der Mann im hellen T-Shirt, mehr konnte ich von ihm nicht sehen, mit seinem schweigsamen, peinlich berührten Begleiter. Sten gab alles, was die Kunst seiner Körpersprache vermag zu sagen. „Nur für eine Nacht.“ Und „Es ist doch jetzt dunkel.“ Und „Wo sollen wir denn jetzt hin.“ Und „Wir kommen aus Deutschland bis hierher in das freundliche Land der Laoten.“ Und „Noch ein paar Pistazien?“ Und Körpersprachen-Schweigen, um die anderen reagieren zu lassen. Doch es kam als Antwort immer nur ein: „Go, go, go!“. Weiter reichte der Wortschatz des Mannes im Englischen nicht und mehr wollte er wohl auch nicht zum Ausdruck bringen. Nach den Monaten Dezember, Januar, Februar, März, April, Mai, Juni, Juli, August und September ist es das allererste Mal, dass wir an einem Ort für die Nacht nicht bleiben können, sondern weg geschickt werden. Ein guter Schnitt auf der einen Seite, dass es uns gerade in Laos passiert wundert uns hingegen auf der anderen. Nun, die Gründe kennen wir nicht. Wir wissen nur, dass hier offensichtlich immer irgendwelche Vorgesetzte gefragt werden müssen. Und der eine fragt dann den nächsten. Das scheint das System zu sein. Wir hatten den freundlichen Fischer gefragt. Der war einverstanden. Also dachten wir, das sei genug. Hier hatte jemand Schiss vor der Obrigkeit, dass haben wir gespürt. Warum, das wissen wir nicht. Also packen wir tastend zusammen und fahren ab. Die gute Energie des Ortes ist inzwischen sowieso verflogen.

Saravane / Laos N15°42’58.7“E106°22’54.0“

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Durch die Nacht zu fahren ist in Laos ein wenig wie Tappen im Dunkeln. Außerhalb des Scheinwerferkegels ist tatsächlich alles Schwarz. Licht gibt es hier einfach so gut wie keins. Und wenn, dann sind es kleine Birnen, die vor nem Laden hängen. Das ist unser Anker. Ein matt leuchtendes Schild mit einem abgebildeten Bier darauf. Sten steigt aus um zu fragen, ob es auf dem Acker vor der Hütte möglich sei zu halten. Vier Frauen schauen ratlos umher. Doch dann erscheint der Mann des Ladens. Ich sehe nur sein Nicken und bin erleichtert. Einen Platz für die Nacht haben wir. Eine scharfe Nudelsuppe wird uns serviert. Ein kühles Bier gibt’s zum Nachtisch. Die Dinge finden sich. „Wer weiß wofür es gut war.“ ist unser Resümee und legen uns schlafen. Der Tag, einer der aufrüttelnden Sorte. Nicht nur am Abend. Unser Weg entlang des Mekongs mauserte sich heute mehr und mehr zu einer Kraterlandschaft. Die Wochen des Regens haben hier Landschaftsbau betrieben, die teilweise einen Weg nicht mehr als solchen erkennen lassen. Stundenlang bewegen wir uns vorwärts als säßen wir auf einem Elefanten. Ein Rad sachte in ein Loch geführt, das nächste kommt nach, wobei das erste schon wieder aufwärts strebt und mit der zweiten Achse das gleiche Spiel. Der Leo ächzt. Verwindungen und Achsverschränkungen der Superklasse. Ich höre auf jedes Geräusch am Leo. Was da klappert und quietscht und scheppert, während ich selbst wie auf ner Rüttelplatte sitze und mich querverkeile. Dabei hoffe ich nur, dass wir heil hier hindurch kommen. Reparaturen in Laos... Das erscheint mir als nicht wirklich angebracht. Hier kennt man sich nur mit Motorrollern aus, wie ich glaube. Erschöpft erreichen wir nach Stunden die einzige durchs Land führende Straße weiter gen Süden. Doch das Rütteln in meinem Kopf hört nicht auf. Die schütteren doch aufwühlenden Nachrichten die uns aus Deutschland und Europa erreichen, sind es, die uns bewegen. Alles andere als vollständig und ein klares Bild ergebend, reichen sie aus, um uns seit Tagen gedanklich zu verfolgen. Einen Kommentar möchte ich dazu nicht abgeben. Derer gibt es eh genug. Außerdem ist mein Bild zu fragmentarisch, als dass ich mir anmaßen würde, darüber so etwas wie eine Meinung kund zu tun. Doch Fakt ist, da ist Schwerwiegendes am Laufen und ich kann allen, nach positiven Lösungen strebenden Kräften, nur wünschen zusammen zu stehen, Besonnenheit walten zu lassen auf der Suche nach gangbaren Wegen. Unser Job ist es nicht, eine von Halbwissen genährte Aussage zu treffen. Unsere Aufgabe ist es vielleicht vielmehr, von dem Guten und Wunderschönen in der Welt zu erzählen, von dem Beschützens-Werten und Einmaligen. Auf dass es Licht und Zuversicht spendet. Ich kann nur denken: „Rüttelplattentag“.

Brückentag / Day full of bridges

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Brückentag / Day full of bridges

18.10.2015 Nongbouatha / Laos / N16°14’27.9“ E105°01’32.2“

Es kracht, es knarzt, es ächzt. Ist das in mir oder kommen die Töne von Draußen? Wir fahren entlang des Mekongs weiter gen Süden. Schlängeln uns mit ihm gemeinsam Windung für Windung voran. Unser Weg, mal befestigt mal staubig, von den Regengüssen der letzten Wochen tief zerfurcht. „Die Highlights“ finden sich geschickt darin eingebettet. Kleine Wasserläufe führen zum Mekong hin und von ihm weg. Diese gilt es für uns zu überqueren. Brücken wurden für diesen Zweck gebaut. Brücken, über die man hier läuft, radelt, mit seinem Mofa oder dem Kleitransporter fährt. Nun kommen wir. Mit zwölf Komma sieben Tonnen Gesamtgewicht. Plus dreihundert Liter Wasser und siebenhundert Liter Diesel, plus Sten und ich. Blöd nur, dass vor den Brücken immer wieder auf den Schildern „8t“ zu lesen ist. Neu sehen weder die Schilder noch die Brücken aus. Das Holz gespreiselt, Löcher in den Bohlen, die Bleche verbogen und gebrochen. Als machte es mich leichter, halte ich jedes Mal aufs Neue die Luft an und drücke mich mit den Unterarmen aus meinem Sitz, wenn wir eines dieser Wunderwerke der Ingenieurskunst überfahren. Sten beruhigt mich, indem er väterlich erklärt, dass sich unser Gewicht ja auf zwei Achsen verteilt. Dass es auf die Längsträger ankommt, nicht die morschen Querträger. Und dass die Unterkonstruktion der Brücken aus Eisen sei. Ja, aus verrostetem Eisen. Ich sehe gut. Fünfzehn Mal, ich zähle mit, haben wir heute das Vergnügen der Querung. Ganz unserer Freundin Vero aus Südafrika folgend, verlasse ich mich auf ihren Lieblingsspruch: „Das Buch unseres Lebens ist geschrieben. Wir müssen es nur noch leben.“ Sie gebraucht ihn in heiklen Situationen und beruhigt sich auf diese Weise selbst. Nun, liebe Vero, Dein Spruch tut mir heute gut. Ich danke Dir! Savannakhet liegt in unser beider Rücken. Der Rhythmus der Stadt pulsiert noch immer durch uns hindurch. Bis morgens um drei Uhr, wummerten die Bässe der Nachwuchsband an die Wände unseres Leos, resonierten an allen möglichen Gegenständen, dröhnten durch meinen Körper. Eine Erfahrung der ganz besonderen Art. Bis in meine Zahnwurzeln hinein konnte ich Schlag für Schlag mitempfinden. Ein einmaliges Erleben. Und alles nur, weil wir gleich am Morgen nah am Geschehen sein wollten. Dann nämlich, wenn die Drachenboote für vierzig Mann zu Wasser gleiten.

Nongbouatha / Laos N16°14’27.9“E105°01’32.2“

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Tun sie aber nicht. Es geht heute weiter mit den Zwölf-Sitzern. Wir versuchen auf irgendeine Art und Weise Erkundigungen einzuholen, darüber, was denn nun sei mit der Königsklasse der Drachenboote. Hatten wir doch eindeutig beim Training in „unserem“ Dorf vor zwei Tagen jeweils vierzig Mann in den Booten der drei Tempel sitzen sehen. Nun, entweder starten die hier alle mit in den kleinen Booten, oder sie trainieren weiter für den 27. Oktober, von dem immer wieder mal die Rede ist. Zumindest liegen sehen wir die gut dreißig Meter langen schlanken Riesen, in dem ein- oder anderen Dorf, durch welches wir heute kommen. In einem von ihnen machen wir Rast. Ein großer Schatten spendender Baum lädt uns geradezu ein. Eine breite Sandfläche führt bis an den Mekong heran. Dort landen unentwegt Boote. Vollgepackt sind die mit Kisten und Kästen aller Art. Lieferungen aus Thailand. Vom anderen Ufer herüber geschippert. Über eine super Konstruktion werden voll geladene Karren den Hang hinauf gezogen, um die Ware dort auf Kleintransporter zu verfrachten. Wir sind offensichtlich am Warenumschlagplatz für die ganze umliegende Region. Auf einem Holzhochsitz sind Männer versammelt und reichen große Mengen an Scheinen hin und her. Fast wie am Hamburger Hafen geht es hier zu. Der Dorfpolizist überwacht die Szene. Er ist zuständig für die Grenzsicherung, wie er uns erzählt. Er spricht ein paar Worte Englisch, und ist so unser Mann, um ihn zu fragen, ob wir für heute Nacht in seinem Dorf bleiben dürfen. Er telefoniert kurz mit seinem Vorgesetzten. Der gibt das Okay, wenn wir im Dunkeln nicht mehr umher laufen, lautet dessen Anweisung. Wollen wir auch gar nicht. Ist es doch für uns spannend genug, das Treiben in dem Laden zu beobachten, der fünfzig Meter von uns entfernt ist. Aus der Dunkelheit entsteigen immer wieder Leute, die ne Kleinigkeit kaufen wollen. Andere kommen zum Reden, oder um Luft aufzupumpen, an ihren Mofas. Väter rollen mit ihren Kindern vor, um noch ne Süßigkeit zu finden. Waren vom Fluss werden angeliefert. Damit wir besser sehen können, legt der Ladenbesitzer Strom bis zu uns, hängt ne Energiesparlampe in den Baum und fertig ist das Paradies. Ich fange an Brückentage zu mögen. Sie haben es drauf Balance zu halten. Zwischen Anspannung während der wackeligen Querungen und Entspannung nun hier, unter unserem Baum.

Boun Xuang Heua / Boun Xuang Heua

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Boun Xuang Heua / Boun Xuang Heua

17.10.2015 Savannakhet / Laos / N16°35’38.5“ E104°44’56.5“

Geweckt werde ich von den kraftvollen, sonoren, gleichzeitigen Rufen der Drachenbootmannschaft. Fast wie Kampfesrufe klingt es, was da über das Wasser schallt. Trommler, die den Takt vorgeben, wie ich es in Deutschland schon sah, gibt es hier nicht. Die Trommelschläge sind die Stimmen der Männer. Sie sind ihr eigenes Metronom. Wieder hat es sie auf den Mekong getrieben, um ihre Muskeln zu stärken. Und das morgens um sechs Uhr. Beachtlich.
Noch einmal geht es mir durch den Sinn während ich langsam wach werde, warum wir nun gestern ausgerechnet an diesem Ort Halt gemacht haben. Und warum Juy uns sagte, dass morgen das große Drachenbootrennen statt findet. Wo wir doch so gern bei einem dabei sein wollte, aber nicht wussten wann und wie und wo. Was ist das, was sich da so fügt und ergibt, wenn wir einfach unserer Intuition folgen? Ich habe wirklich keine Ahnung. Die Morgenluft ist klar, noch nicht von der feuchten Hitze des Tages getrübt. Was ich sehe, beim öffnen meiner Augen, ist die lichtbeschienene Holzfassade des Klosters. Wie unglaublich. Hängen die orangefarbenen Gewänder der Mönche doch genau an der passendsten Stelle in der Morgensonne. Was für Orte es gibt! Voller Kraft und Einzigartigkeit. Leo ist wirklich ein Feinschmecker, was die Wahl seiner Plätze angeht. Und als oranger Truck zieht es ihn wie selbstverständlich zu seinen Freunden in Orange. Die Regenzeit ist vorbei. Drei Monate lang lag sie über der Gegend. Von Juli bis Oktober prasselt das Wasser vom Himmel herab. Es ist die Zeit in der auf den Feldern die junge Saat sprießt. Und so kam es, dass Buddha die Mönche einst anwies, in dieser Zeit nicht umherzuwandern, um die zarten Pflanzen zu schützen, sondern an einem Ort zu bleiben und „Vassa“ zu betreiben, zu Fasten. Mit einem Fest wird die Fastenzeit begonnen, mit einem Fest wird sie, drei Monate später, beendet. Das Drachenbootrennen „Boun Xuang Heua“, historisch am 15. Tag des 11. Mondmonats begangen, führt alle zusammen. Die Mönche genauso wie die Leute drum herum. Ein laotisches Wochenendfrühstück mit gedämpftem Reis und Bambusgemüse zwischen Bananenstauden, vor dem Haus von Juy bringt uns in Schwung. Dann erreichen wir einige Kilometer weiter Savannakhet. Mit seinen siebenundsiebzig tausend Einwohnern ist sie hinter der Hauptstadt Vientiane mit zweihundertsiebenunddreißig tausend Menschen, die zweitgrößte Stadt Laos.

Savannakhet / Laos N16°35’38.5“E104°44’56.5“

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Vom Wasser her hallt ein Stimmenmix aus all den Booten. An Land sind es die Bässe der Musik, die den Takt vorgeben. Durch alle Glieder fahren mir die Wummerschläge. Das scheint man hier zu mögen. Das Hämmern der Bässe ist das Eine. Wo es her kommt das andere. Direkt vor dem Tempel stehen die große Bühne und Soundanlage der Superklasse. Wimmeliges Treiben im Kloster. Fliegende Händler, Kinder auf der Hüpfburg, Glückspielritter, dazwischen die orangen Punkte der Mönche. Alle sind beieinander. Wie grandios. Der Tempel ist zum Leben da, dem irdischen und dem spirituellen. Kein museales Anschauungsstück. Schon heute Morgen im Dorf musste ich grinsen, als ich die Kinder mit ihren Fahrrädern über das Tempelgelände radeln sah, Motorrollerfahrer die Abkürzung übers Kloster nahmen und die Kühe sowieso die saftigen Wiesen neben der Buddha Statue bevorzugen. Heute sind die „Zwölf-Sitzer“ an der Reihe. Immer wieder starten fliegend vier Boote gleichzeitig, im Vorentscheid. Ist die Strömung einem Boot nicht so hold, hat es einen ungünstigen Startplatz. Später treten jeweils zwei Mannschaften auf dem Mekong gegeneinander an. Diesmal auf gleicher Höhe. Darauf achtet der Linienrichter. Von den Lautsprecherstimmen angeheizt, ziehen die Teams in Pink und Grün und Blau und Gelb und Orange und Rot wieder und wieder ihre Bahnen. Erklären kann uns leider keiner, nach welchen Regeln es hier geht. Jemanden der Englisch spricht, finden wir nicht. Wir sind auf unser Beobachten angewiesen. Auch nicht schlecht. Trotzdem kennen uns am Ende des Tages hier alle. Die zwei „Falang“, oder so ähnlich, übersetzt „Ausländer“, fallen auf, im Trubel der Einheimischen. Wir mögen es, hier einzutauchen, uns unters Volk zu mischen. Mal da zu kosten und mal hier. Denn Feiern heißt auch essen. Obwohl es mir den Magen förmlich herum dreht, wenn ich in den offenen Eierschalen die gegarten Küken durchschimmern sehe. Da halte ich mich dann doch lieber an getrocknete Bananenscheiben und zeige etwas umständlich, dass ich eine aufgespießte Tomate auf den Grill gelegt bekommen möchte, statt Froschschenkeln und Hühnerfüßen. Das kennen sie hier offensichtlich überhaupt nicht. Doch die Frau am Grill tut mir den Gefallen mit den Tomaten. Die Mannschaften haben sich mit großen geflochtenen Gefäßen voller gedämpftem Reis eingedeckt. Ihre Kraftspritzen zwischen den Rennen. So geht er dahin, der Tag des großen Rennens, unter der zweiten der drei Friedensbrücken in Laos hinüber nach Thailand. Das liegt am anderen Ufer. Morgen geht es weiter mit „Boun Xuang Heua“, dem Drachenbootfest zum Ende der Regen- und Fastenzeit.

Wie geht das? / How it works?

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Wie geht das? / How it works?

16.10.2015 Savannakhet / Laos / N16°39’58.5“ E104°45’33.8“

Das orangengelbe Nachmittagslicht bahnt sich seinen Weg durch die kleine Holzwerkstatt. Die neuen, noch unbenutzten umherstehenden Paddel segnend für den großen Tag. Morgen! Morgen geht’s ums Ganze. Drei Monate lang jeden Abend haben vierzig Mann trainiert. Den Gleichklang der Schläge, den Gleichklang ihrer Rufe, den Gleichklang ihrer kraftvollen Bewegungen. Heute ist Abschlusstraining. An den Feinheiten wird geschnitzt. Sowohl denen der Paddel als auch denen des Miteinanders im Boot.
Drei Tempel hat das kleine Dorf am Mekong. Drei Drachenbootteams treten gemeinsam an. Jedes Kloster hat sein eigenes Team. Die Mönche sitzen nicht im Boot, sondern betend im Tempel. Für den unterstützenden Segen. Das Gemurmel des Betens, der Gesang, und weithin schallende sonore Klang des Gongs durchdringen unsere Gehörgänge. Was für eine Unglaublichkeit, beim Auslöffeln unserer zuckersüßen Melone diese Rahmung zu erfahren. Normalität ist anders. Selbstverständlichkeit sowieso. Leo hat seine Lieblingsplätze gefunden. Zimperlich und schüchtern ist er dabei nicht. Neben den Tempeln will er stehen zur Nacht. Wir mögen seine Vorliebe und versuchen nach Kräften seinem Wünschen nachzukommen. Eine kleine Straße am Mekong fahren wir entlang. Das Wasser immer in Reichweite. Wir schöpfen das Gefühl aus, dem Fluss der Flüsse handtuchbreit nah zu sein. „Entlang des Mekongs“, für uns gerade ein einziges Erleben und Entdecken. Dorfszenen auf jedem neuen Meter. Gras mähende Mönche im Waldkloster, Reis erntende Männer verschwindend im hohen Feld, fischende Frauen, bauchtief im braunen Wasser des kleinen Teiches, grasende Wasserbüffel schmatzend durch den Matsch watend, Hühner, die hektisch über die Straße rennen, Kühe, die es weniger eilig haben. Menschen und Tiere und Bäume und Wasserläufe und Felder und hochhackige Holzhäuser, ein geschäftiges Gewimmel entlang der Wege, aufgefrischt durch Unmengen bunter Mofas. Mädchen sitzen darauf, zu zweit, zu dritt, zu viert. Ihre schwarzen Haare dem Wind übergeben. Das ist unser Tag. Wir sind mittendrin. Für genau solche Bilder wurde augenscheinlich das Wort „schön“ erfunden. „Schön“, denken wir uns. Die Sonne neigt sich uns entgegen. Zeit einen Platz für die Nacht zu suchen. Dunkelheit ist etwas, dass hier schlagartig herein bricht. Haben wir vorher nichts gefunden sieht es schlecht aus für uns.

Savannakhet / Laos N16°39’58.5“E104°45’33.8“

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Beleuchtung kommt hier mehr von Innen, weniger die Straße erhellend. Wie geht das? Wir sehen einen kleinen Weg. Der könnte uns direkt zum Wasser führen. Klingt gut. Wir sind in irgendeinem der unzähligen Dörfer. Kennen niemanden, verstehen die Sprache nicht. Laufen mal, um Nachzusehen. Den Tempel zur Linken, ein Drachenboot davor. Kinder spielen Fußball. Eine Frau gibt uns zu verstehen, dass morgen ein Fest ansteht. Unserem Interesse an dem Boot mit ihren Augen folgend. Für uns kommt einiges an Gutem zusammen. Der Tempel, der Mekong, das Boot und das Fest. Hier möchten wir gern bleiben. Hier stimmt die Energie.  Vor Tagen schrieb uns eine Frau einen Zettel, auf dem nun steht, dass wir gern an diesem Ort übernachten möchten. Wir richten in laotischer Sprache mit Hilfe unseres Zettels die Bitte an die Frau. Sie versteht. Doch ihr Gesicht verfinstert sich. Es geht nicht einfach um „Ja“ oder „Nein“. Das will genehmigt werden. Also, ich auf das Mofa hinter die Frau und ab geht’s. Zum Dorfältesten zuerst. Der hört sich an was gesprochen wir und mustert mich. Ich versuche meine tiefste erbittende Geste. Handflächen vor der Brust zusammen gefügt, tief verbeugend versteht er hoffentlich mein „Sabadii“. Den Gruß in allen Lebenslagen. Er nickt. Erstes Okay. Weiter knattert das Mofa zum Dorfpolizisten. Der will erst mal gefunden werden. Als das Versteckspiel sein Ende findet will er die Pässe sehen. Die habe ich so gut wie immer bei mir. Also Glück gehabt. Er blättert auf den Visaseiten ganz anderer Länder herum. Macht nichts. Ne Passkopie ist sein Wunsch, dann dürften wir bleiben. Auch hier bin ich vorbereitet und händige sie ihm aus.  Hm, wie geht das? Erst war es irgendein Dorf an der Straße. Ohne Beziehung für uns. Wie zufällig halten wir an. Nun sind wir seit drei Stunden in dem kleinen Ort am Mekong. Haben den Paddelbauer besucht, ein kühles Begrüßungsbier in einem der Häuser getrunken. Selbst mit einem der Mönche hat Sten geplaudert. Das Übersetzungsprogramm auf dessen Smartphone, was hier fast jeder Mönch zu haben scheint,  machte das möglich und feuern nun die Drachenbootmannschaft „unseres Tempels“ bei ihrem Abschlusstraining an.
Wie das geht? So.

Rosinenpicker / Raisins collector

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Rosinenpicker / Raisins collector

14.10.2015 Nakham / Laos / N18°23’53.0“ E103°15’45.5“

Mein Computer sagt mir, dass er seit 300 Tagen kein Sicherheitsupdate gemacht hat. Aus unserem Büro zu Hause kommt uns die frohe Kunde zu, dass ein kleiner Junge geboren wurde. Wobei wir von einer neun monatigen Schwangerschaft nichts wussten. Meine Haare haben sich ihre eigene Form und Länge gesucht. Im Winter sind wir von zu Hause los gefahren und heute erreichen uns die Nachrichten von dort über den ersten neuen Schnee. Nur einige der vielen Anzeichen, dass wir nun doch schon eine ganze Weile unterwegs zu sein scheinen. Wie fühlt es sich für mich an? Lang? Ja! Unglaublich viel ist an allen Orten der Welt in der Zwischenzeit geschehen. Manchmal habe ich das Gefühl die Welt nicht wiederzuerkennen, wenn wir denn eines Tages nach Hause kommen. Mein Blick wird sich verändert haben. Aber vor allem eben auch das was meine Augen sehen, wird etwas anderes sein. So wird mein Reisen weiter gehen. So wie für uns alle. Zu jeder Zeit, an jedem Ort, mit Gepäck und ohne. In dem Bewusstsein des unterwegs seins, oder auch nicht. Bin ich reisemüde nach zehn Monaten? Ich würde es als Phasen beschreiben, die ich durchlebt habe und durchlebe. Da war das nicht Begreifen und langsame Einlassen auf mein unterwegs sein am Anfang. Da war die Zeit des offenen Aufnehmens von ALLEM was um mich war. Wie ein kleines Kind habe ich mich dabei gefühlt, was abends hundemüde umfiel und sofort eingeschlafen ist, weil soooo viel auf mich eingestürmt ist. Jedes Land fordert neue Aufmerksamkeit. Jeder Ortswechsel verlangt meine Offenheit für das Neue und Fremde. DAS ist zu meinem Alltag geworden. Auf die Menschen zuzugehen, die uns begegnen. Mit ihnen Kontakt aufzunehmen und in eine, wie auch immer geartete Form des Austausches zu treten. Heute sehe ich mich, wie ich mit den Kindern des Dorfes die Zeichensprache der Tiere übe. Ich mache ihnen einen Elefant vor, und zwanzig Jungs machen ihn nach. Manche haben den Dreh gleich heraus, andere verdrehen die Arme und doch wird es kein Elefant. Oder den Hasen. Bei dem die Ohren in Form meines Zeigefingers und kleinen Fingers wackeln. Die Kamera lasse ich inzwischen gern einfach stecken. Ich muss nicht mehr alles fotografieren. Oft habe ich mehr Spaß daran, die Situationen einfach zu erleben und keine weitere Zwischenebene einzuziehen, indem ich meine Kamera zücke.

Nakham / Laos N18°23’53.0“E103°15’45.5“

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Würde ich jetzt aus Deutschland kommen und für drei Wochen Laos bereisen, wäre mein Erleben bestimmt irgendwie anders. Jetzt ist es Teil meines großen, ganzen Erlebens. Manches blende ich aus, weil es mir zu viel ist vielleicht. Anderes bekommt meine Aufmerksamkeit. Wie eine Rosinenpickerin fühle ich mich, wenn ich mich auf ein Detail ausschließlich konzentriere und alles andere sich selbst überlasse. Heute sind es die Schmetterlinge, die zu Hunderten um uns herum flattern. Nicht alle auf einmal. Doch über den Tag verteilt sind es echt Viele, die wir sehen. Mitunter geradezu schwerfällig erheben sie sich zum Fliegen, mit ihren Spannweiten von oft zehn Zentimetern. Groß sind die meisten und eher dunkel. Schwarz mit hellblauen Rändern. Schwarz mit einer türkisfarbenen Oberseite. Schwarz mit roten Sprenkeln. Aber auch Gelbe und Beigefarbene mit braunen Außenseiten sehe ich. Mal haben sie runde Formen und dann sind sie wieder eher gezackt. Am goldenen Tempel flattern sie genau so umher wie auf der staubigen Straße. Schmetterlinge begegnen mir hier wie bei uns die Spatzen. Wobei es an Vögeln nicht so viele sind, die sich uns zeigen. Wir hören sie oft, doch sehen sie selten. Angeblich soll ein Vogel hier gern auf den Mittagstischen landen, oder in einem Käfig, als Haustier gehalten. Doch ich hoffe für die Vögel, dass sie in den Tiefen des Dschungels doch ihre versteckten Oasen haben. In denen sie es nicht nötig haben, sich uns Menschen zu zeigen.
An fast jedem Tag an einem neuen Platz zu erwachen ist inzwischen unser Alltag. Manchmal brauche ich am Morgen etwas, um mich des Ortes zu erinnern, an dem wir am Abend Halt gemacht haben. Ich versuche dann die Geräusche einzuordnen und sie mit irgendwelchen Bildern in meinem Kopf passend zu machen. Heute wache ich an einem großen Stausee auf. Die Bergkuppen der alten Landschaftsform ragen noch aus dem Wasser. Alles andere ist überspült. Als sei eine große Glasscheibe über die Landschaft gelegt worden. Die Getränke-Verkaufsstände in den Blechhütten, zehn Meter von uns entfernt, haben ihren Betrieb schon aufgenommen. Die Kinder des Dorfes springen um unseren Leo herum und die Intensität der Sonne gibt uns morgens um acht Uhr unmissverständlich zu verstehen, dass es Zeit zum Aufstehen ist.
Ein kleines schwimmendes Restaurant wartet auf uns. Also esse ich dort fünf kleine asiatische Bananen und trinke Kokosnussmilch zum Frühstück. Mit einem Sprung vom Restaurant-Rand findet Sten für Sekunden Abkühlung im Wasser. Dann starten wir den Leo und der Tag kommt ins Rollen. Vorbei an Regenschirm tragenden Mönchen, Kindern und Alten. Doch der Schirm hat Sonnenschutz Funktion. So sehr brennt sie vom Himmel herab. Die fischenden Frauen behelfen sich mit ihren, mir aus Vietnam bekannten, Strohhüten. Im Wasser sitzen sie oder stehen. Vor sich einen großen Kescher. Ganz still halten sie den ins Wasser, um ihn dann ruckartig anzuheben um nachzusehen, ob sich ein paar Minifischchen im Netz verfangen haben. Die räuchern sie später und sind so ein kleiner Snack für Zwischendurch.  Am Straßenrand sehen wir oft kugelförmige Gummibehälter mit Deckel. Für den Müll sind die bestimmt. Ebenfalls am Straßenrand treffen wir heute auf eine Familie, die diese Kugeln herstellt. Aus alten Autoreifen machen sie das. Eine Vorrichtung hilft ihnen, die Gummi-Laken voneinander zu trennen, so dass aus dem Inneren eines Reifens eine „fast antik aussehende Amphore“ entsteht. Die ganze Familie ist am Machen. Und wie immer, finden das Leben und die Arbeit am gleichen Platz statt. Der eine Raum ist der mit den Matratzen zum Schlafen, gleich im Nachbarzimmer findet sich die Werkstatt mit all ihren Gummireifen.  In der Tankstelle ist es genau so. Die ganze Familie lebt dort. Auf Liegen strecken sich alle aus, wenn gerade kein Kunde kommt. Einer der Familie erhebt sich langsam, wenn wir mit Leo angefahren kommen um Diesel zu kaufen. Zwischen 60 und 70 Cent kostet umgerechnet hier ein Liter.  Den „Feuerball“ Laos lassen wir heute hinter uns. Soll heißen, dass wir den fast kugelrunden Norden nun beinahe durchfahren haben. Wir bewegen uns auf den langen „Schweif“ des Landes zu. Im Norden ist das Land hügelig, zerklüftet und von Bergvölkern bewohnt. Heute öffnet sich das Land vor unseren Augen und weite Ebenen machen Wasserbüffel Herden sichtbar, am Rande des Mekong. Die „Mutter aller Flüsse“ hat es mitunter faustdick hinter den Ohren. Vier komplette Häuser hat sie vor wenigen Tagen mit sich gerissen. Wir kommen gerade dazu, wie eine offizielle Delegation Umschläge mit Geld an die betroffenen Familien verteilt. Uferabstützungen gibt es nicht. Der lockere Boden macht, was ihm die Kräfte sagen.  Eigentlich wollten wir an dieser Stelle Halt machen für die Nacht. Doch dieses Ereignis lässt uns betroffen weiter fahren. Bis wir in einem Dorf ankommen. Dessen Dorfältester erst befragt werden muss, ob wir für eine Nacht hier stehen dürfen. Mit dem Dorfältesten kommen fast alle Bewohner des Dorfes zusammen, und stehen um unseren Leo herum. Was für ein Bild. Der Leo. Die Menschentraube und das gesamte Szenario eingebettet zwischen neonbeleuchteter Krankenstation und formvollendetem Klostereingang. Und ich, die Rosinenpickerin, stehe dazwischen und bin einmal mehr fasziniert über so viel zufällige Lebendigkeit, die meinem Leben widerfährt.

Geisterhaus / House of ghosts

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Geisterhaus / House of ghosts

13.10.2015 Ponhong / Laos / N18°31’20.3“ E102°33’23.4“

In Südostasien sind viele Geister zu Hause. Sie leben, anders als Götter, direkt mit den Menschen zusammen. Vor allen in den Bergregionen Laos wird ihnen viel Beachtung entgegen gebracht. Doch auch in allen anderen, buddhistisch geprägten Gebieten, haben die Geister ihre festen Aufgaben und Bestimmungen. Das Leben mit den Geistern verschmilzt mit dem des buddhistischen Glaubens. So gibt es Geister, welche die Klöster beschützen. Und auch das Drachenbootfest, welches die Mönche am 27. Oktober begehen, wird Geistern gewidmet. Die „Nagas“ spielen an diesem Tag eine ganz besondere Rolle. Sie sind Schlangenwesen, die zum Einen für Fruchtbarkeit stehen, zum anderen an Treppengeländern die Aufgabe habe, Buddha und die Klöster zu schützen. Im Alltag ist es wichtig, die Geister alle miteinander gütig zu stimmen. Und so steht vor fast jedem Gebäude, egal ob es ein Wohnhaus, eine Tankstelle oder eine Werkstatt ist, ein „Geisterhaus“. Wie kleine Tempel sehen sie aus. Jedes hat eine andere Farbe und Größe. Fast wie ein Palast kommt es mir vor, wenn ich nah an eines der Geisterhäuser heran trete. Gaben, wie Obst, Räucherstäbchen, Reis, Blumen, manchmal auch eine Flasche Cola, werden dort hinein gelegt, um die Menschen in ihrem Haus zu beschützen. Zum Schutz dienen auch große Tore, die an Eingängen von Dörfern und kleinen Orten stehen, um ungebetenen Feld- und Waldgeistern den Zutritt zu verwehren. Immer wieder geht es darum, die Geister um Unterstützung zu bitten und die bösen Geister abzuhalten. Die Ansprache den Geistern gegenüber bestimmt in vielen Gebieten den Rhythmus des Jahres. Die Menschen wissen, wann ein bestimmter Baum nicht gefällt werden darf, oder wann es gut ist, sich der Ernte zu widmen. Bevor sie sich ans Werk machen, gibt es in jedem Fall ein Fest, welches den Geistern gewidmet wird. Wie zum Beispiel die „Basi“-Zeremonie. Sie wird nach der Geburt, vor einer Hochzeit, zu Neujahr, bei einer Krankheit oder vor Abreisen abgehalten. Dabei geht es darum, die zweiunddreißig Seelen am Körper des Menschen festzubinden. Zweiunddreißig ist die Zahl der menschlichen Körperteile, laut den hiesigen Annahmen, und jedem ist eine eigene Seele zugeordnet. Gestecke aus Bananenblättern und Blumen dienen dazu, die Seelen am Körper zu halten, oder sie dazu zu bewegen, zurück zu kehren, falls sie sich gerade abgewendet haben.

Ponhong / Laos N18°31’20.3“E102°33’23.4“

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Denn nur so ist der Mensch geschützt. Wird man krank, dann hat sich gerade eine Seele abgewendet. Bei Kerzenlicht und mit verschiedenen Strophen der Ermutigung, besingt ein Mönch oder alter Mann die Seelen während der „Basi“-Zeremonie. Weiße Bänder wickelt er anschließend um die Handgelenke der betroffenen Person und bindet damit die Geister an den Körper. Diese Bänder trägt man, bis sie von selbst abfallen. Am Ende der Zeremonie steht ein großes Essen, an dem sowohl die Menschen als auch die Geister teilnehmen. Vor ein paar Tagen hat es abends unglaublich geregnet. Ich fühlte mich wie durchgeweicht und hatte an meinem ganzen Körper kalte nasse Kleidung. War das der Augenblick, als mich eine meiner Seelen verlassen hat? Habe ich deshalb gerade einen Schnupfen und Halsweh? Nun, ein Geisterhaus haben wir nicht vor unserem Leo stehen, doch Blumengestecke stelle ich gern in die Tempel. Ist doch schön, wenn alle meine Seelen mit mir gemeinsam reisen.

Es war einmal / Once upon a time

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Es war einmal / Once upon a time

12.10.2015 Vang Vieng / Laos / N19°01’07.0“ E102°26’46.6“

„Es war einmal ein Mann. Der Mann heißt Mister T. Er hatte 1996 einen Traum. Die Seidenproduktion wollte er wiederbeleben. Für die Seidenraupen brauchte er Maulbeerpflanzen. Da die Blätter die Nahrung der Raupen sind. Er gründete eine ökologische Farm, etwas außerhalb eines kleinen Orts mit dem Namen „Vang Vieng“. Junge Leute, die interessiert an ökologischen Ansätzen waren, kamen, um ihm bei der Farmarbeit zu helfen. Doch oft es war heiß, zudem das Geld mehr als knapp und die Helfer mitunter missgestimmt. Mister T. sann nach einer Idee, um die Lebensgeister der jungen Leute aufzufrischen. Er dachte nach und dachte nach. Vor seiner Farm schlängelte sich ein Fluss entlang. Auf den schaute er beim Denken. Plötzlich erinnerte er, dass er einmal Männer sah, die gemütlich in Autoreifenschläuche saßen, damit auf dem Wasser schwammen, und auf diese Weise angelten. „Nun gut“ sprach der Mann zu sich „ich will es einmal ausprobieren.“ Gedacht, getan. Er kaufte ein paar Schläuche, pumpte sie auf, warf sie ins Wasser und lud seine Gehilfen ein es sich darin gemütlich zu machen. Von diesem Tag an war die Stimmung gerettet. War es zu heiß, nahmen die Helfer ein entspanntes Bad, vor sich hin treibend auf dem Wasser. Mister T. war glücklich und die jungen Leute auch. Eines Tages wollten sie in den fünf Kilometer entfernten Ort „Vang Vieng“. Doch die Fahrräder auf der Farm waren knapp. Eine andere Lösung musste her. Und die sah so aus. Auf den Schläuchen ließen sie sich flussabwärts treiben. Vorbei an der wunderschönsten, märchengleich verwunschenen, hoch auf getürmten Karstlandschaft, glitten sie dahin und landeten drei Stunden später tatsächlich in dem Ort. Was für ein Spaß?! Wieder und wieder trieben sie ihr neues Spiel. Die wenigen Gäste, die Vang Vieng aufsuchten, fragten überall nach, wo man derartige Schläuche kaufen könne. Fortan boten alle möglichen Shops Schläuche für umgerechnet fünfzig Cent zur Miete an. Die Idee des „Tubing“ war geboren und sprach sich blitzschnell herum. Im fernen Jahr 1996 waren es gerade einmal eintausend dreihundertachtzig Menschen, die den verschlafenen Ort „Vang Vieng“ besuchten. Innerhalb weniger Jahre waren es gigantische einhundertsiebzigtausend Besucher pro Jahr geworden.

Vang Vieng / Laos N19°01’07.0“E102°26’46.6“

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Der kleine Ort wurde von der Gästewelle förmlich überrollt und mental platt gemacht. Denn mit den Gästen kamen die chinesischen, vietnamesischen und thailändischen Investoren. Sie bauten mehr als einhundert Gasthäuser und Hotels. Doch das war erst der Anfang der Geschichte. Nach allen Seiten uferte die Idee aus, bis plötzlich entlang des Ufers Bars aus dem Boden gestampft wurden, die neben Schnaps, Whisky-Cola und Mojito halluzinierende Pilze, Haschisch, Marihuana und Opium auf der Speisekarte stehen hatten. Um die Vorbeischwimmenden ans Ufer zu holen, wurden Seile ausgeworfen, mit deren Hilfe die Leute an Land kamen. Animateure heizten zum kübelweise Trinken an. Über zehn Meter hohe abstruse Konstruktionen, auch „Todesschaukeln“ genannt, stürzten sich die Vollgedröhnten wieder ins Wasser. Der reine Horror. Allein in dem Jahr 2011 sollen mehr als siebenundzwanzig Reisende bei diesen Aktionen tödlich verunglückt sein. „Vang Vieng“ war nicht zu halten. Die Einheimischen verzweifelten, weil sie nicht mehr wussten, wie sie in einer solchen Umgebung ihre Kinder groß ziehen sollten. Eine Stadt außer Kontrolle. Im Herbst 2012 zog die Regierung die Notbremse, indem sie Trupps entsandte, zum Abriss aller Ufer-Bars. Gleichzeitig ist man seitdem bemüht, andere Formen der touristischen Betätigung zu installieren.“ Soweit das leider tatsächlich wahre Märchen, von dem hier jeder weiß. Wir halten kurz an der Farm von Mister T. Doch das Gegröle der Trinkenden in dem angrenzenden „was auch immer“, mit anschließendem Sprung in den Schlauch, reichen uns schon nach kurzer Zeit. So ganz scheint die alte Zeit wohl noch immer nicht vergangen zu sein. Wenn sie meinen, sollen sie. Wir finden unseren Platz weitab der Stadt am Fluss. Machen ein Feuer, gabeln unsere Spagetti und sind glücklich.
Hm, Mister T. hatte da mal so ne Idee...

Achtsamkeit als Alltagsgut / Attention as an everyday value

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Achtsamkeit als Alltagsgut / Attention as an everyday value

11.10.2015 Phou Khoun / Laos / N19°30’29.2“ E102°24’45.7“

Wir haben es verschlafen. Oder wollten wir den Mönchen ihre Ruhe lassen? Ich interpretiere unsere schläfrige Müdigkeit mal um in ein „den Dingen ihren natürlichen Lauf lassen“. Klar, ein Teil in mir hätte gern gesehen, wie die Mönche Morgens um sechs durch die Straßen laufen, um die Almosen der Gläubigen einzusammeln.
Fotografierende Touristen sind ein Problem geworden. So steht es überall geschrieben. Sie mögen sich bitte zurück halten und den Gang der Mönche durch ihr spontanes in die optimale Fotoposition Springen, Sportreportern gleich, nicht behindern. Das dumpfe Hallen der Trommelschläge höre ich, welche die Mönche aufwecken. Auch die Frauen mit ihren Reis gefüllten Körben sehe ich am Leo vorbei gehen. Damit ist für mich das Gute im Gang und ich drehe mich noch einmal genüsslich um in meinem Bett. Okay, die Mönche laufen, wir schlafen. Leo ist heute stolz. Direkt neben einem Kloster steht er und schwatzt mit dem langen Drachenboot, was gleich neben ihm wohnt. Am 27. Oktober ist „Bun Nam“ das traditionelle Bootsrennen. Jedes Kloster hat sein eigenes Boot. Alle treten im Wettstreit gegeneinander an. Bevor am Abend tausende von Kerzenlichtern auf den Flüssen vor sich hin schwimmen. Das erzählen uns die jungen Mönche, die seit Tagen dabei sind die Dekorationen für ihre Boote zu bauen. Drachenköpfe aus Styropor, Kerzenhalter aus dünnen Hölzern und Transparentpapier, Schiffsrümpfe aus langen Bambusstreifen. In den Klöster-Höfen sieht es aus wie in der „Jenaplan-Schule“. Überall wird geschnitzt, genagelt, geschliffen und geklebt. Die Jungs haben sichtlich ihre Sonntags-Freude daran. Der „Theravada-Buddhismus“ wird in Laos praktiziert. Als die „Lehre der Älteren“ wird er übersetzt bezeichnet und beansprucht für sich, die älteste und damit unverfälschteste Schule der Lehren des Buddhismus zu sein. Sechzig Prozent der Laoten bekennen sich zum Buddhismus. Bis 1975 war er Staatsreligion. Und auch zu Königszeiten war der Glaube fest mit den Königreichen verknüpft. Ging es dem Reich gut, erblühte auch der Buddhismus unter den Menschen. Die Klöster stellten zu diesen Zeiten die Bildungseirichtungen dar. Egal, ob die Menschen danach eine religiöse oder weltliche Lebensbahn wählten. Mit der französischen Kolonialmacht hielt im 20. Jahrhundert ein staatliches Bildungssystem Einzug. Wodurch das Monopol der Klöster gebrochen wurde.

Phou Khoun / Laos N19°30’29.2“E102°24’45.7“

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Ein Auf und Ab des Ansehens und der Bedeutung des Buddhismus zieht sich durch die Geschichte Laos. Heute gibt es ungefähr zweitausendachthundert Klöster im Land. In denen knapp achtzehntausend Mönche leben. Außerhalb der Regenzeit, ist wichtig zu sagen. Denn während es regnet, gibt’s eine ganze Menge mehr Mönche. Da es üblich ist, wenigstens einmal in seinem Leben vor seiner Hochzeit, und wenn es nur für einen Monat ist, als Mönch zu leben, wählen die laotischen Männer dazu gern die in der Landwirtschaft schwer zu nutzende Regenzeit. Dann schwellen nicht nur die Wasserpegel an, sondern auch die Zahl der Mönche steigt in diesen Tagen sprunghaft. In Bemühung, Achtsamkeit und Konzentration, drei der acht Pfadglieder um zu einem Zustand der geistigen Freiheit zu finden, sehe ich die jungen Mönche ihre Arbeiten verrichten. Ich mag das Land, in dem diese Werte gelebtes Alltagsgut sind, lasse meine Kamera sinken und schaue den Mönchen einfach zu.

Kurzweil im Langboot / Amusingly in a long boat

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Kurzweil im Langboot / Amusingly in a long boat

10.10.2015 Luang Prabang / Laos / N19°53’18.9“ E102°07’50.5“

 

Ganz nah ist das Wasser. Es spritzt zu mir hoch und kühlt Millimeter für Millimeter meiner heißen Sommerhaut. Ich sitze dreißig Zentimeter über dem Wasserspiegel des Mekong in einem Langboot und bin glücklich. Wie ein Kinderschiffchen gleitet unser kleiner Kahn dahin. Langsam, gemütlich, den jungen Tag erwartend. Sonst nicht unsere Zeit, hat es uns heute um acht Uhr aus dem Leo getrieben, um dem Mekong ganz nah zu sein. Nun sitze ich hier. Mein Gesicht in den Fahrtwind gerichtet, die Berge rechts und links wahrnehmend, die kleinen am Flussufer liegenden Dörfer auch. Whiskey-Dörfer nennen die sich. Denn in Mengen wird hier Schnaps gebrannt. Ein Reisgemisch kommt für 45 Tage in einen großen Tonkrug, bevor aus der weißen, stark riechenden Masse, über eine Destillations-Apparatur Alkohol gewonnen wird. Von 15% bis zu 55% ist alles zu haben. Beim Probieren der unterschiedlichen Stärkegrade und Geschmacksrichtungen nage ich immer mal an dem Inneren meines Bambusstücks. Reis, vermengt mit Kokos und irgendeinem roten, eingedickten Saft ist da hineingestopft. In handlichen Rohrlängen kann man diesen kleinen Snack an der Straße kaufen. Ich finde es genial, dass hier noch die natürlichen Dinge die Oberhand zu haben scheinen. Kokosmilch gibt’s mit nem Strohhalm frisch direkt aus der Nuss. Reis für unterwegs verpackt man in handliche Portionen in Bananenblättern. Als Trinkhalme wird Bambus verwendet. Genau so als Trinkgefäße. Dann allerdings die dicke Version. Geschenke werden in handgeschöpftem Papier verpackt. Genauso dient das Papier als Behälter für den Kaffee der Region. Die Plastikwelle hält sich gekonnt zurück. Ich hoffe sie lauert nicht hinter der nächsten Ecke, oder die Laoten haben nen guten Schutzwall gebaut, um ihre eigenen Techniken zu wahren. Sind die doch gleichzeitig der Lebensunterhalt all der Menschen hier. Romanisierend klingt es, ist hier jedoch purer gelebter Alltag, dass da ein Mann an einem Holzelefant schnitzt, dort ne Frau sitzt, die auf das selbst geschöpfte Papier mit ihren dicken Pinseln Szenen der Mönche malt. Die nächste häkelt, webt oder stickt. Andere schneiden filigranste Schlösser aus dünnem Papier. Bitte, bitte liebes Handwerk. Weite dich und lass dich nicht vertreiben, vom billig nachgemachten Mist der Großproduktion! Luang Prabang war einst die Hauptstadt des Landes, bevor Vientiane dazu ernannt wurde.

Luang Prabang / Laos N19°53’18.9“E102°07’50.5“

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Kam der König von einer Reise auf dem Mekong zurück, bestieg er das Festland über eine lange Treppe und landete als Erstes im 1560 erbauten Tempel „Wat Xieng Thong“. Dort blieb er für drei Tage um zu Meditieren und nahm erst danach seine Tätigkeiten in der Hauptstadt wieder auf. Geschichten über Geschichten leben in den Köpfen der Menschen fort, werden sich noch heute einander erzählt. Warum der eine Hügel da am Mekong „Mädchenberg“ heißt und wie es war, als zum ersten Mal der Nebenfluss Nam Ou in den Mekong floss. „Storytelling“ gibt’s auch hier. Es sind die Männer, die die alten Geschichten mit ihrem Erzählen lebendig halten. Mit unserem Boot machen wir Halt an den „Buddha-Höhlen“. Tausende von kleinen feinen Buddha-Statuen stehen in das Innere der Höhlen gerückt. Das vorsichtig mit Bedacht einfallende Licht könnte sie schöner nicht umfangen. Wie sie da liegen und stehen und sitzen. Umgefallene Figuren, mit Händen, ohne Köpfe, geschlossenen Augen, offenen Arme. Gesten der Andacht. Ein Orchester der Besinnlichkeit. Lebten vielleicht in einer dieser Höhlen die zwölf Schwestern, die verbannt wurden und deren Augen in einem Glas weit weg von ihnen auf sie warteten, wie der Geschichtenmann es uns am Abend erzählt? Die Gegend besitzt etwas Magisches. Etwas, von dem ich sagen möchte. „Halte ein, bleib wie du bist.“ Und doch weiß ich, dass das Leben auch hier seine Purzelbäume des Veränderns schlägt. Nun gut, doch heute, heute genieße ich das Dahingleiten in unserem gemächlichen Langboot. Dieser hellblauen Holz-Nadel im braunen Wasser des Mekongs. Auch wenn die Schnellboote schon rundherum lauern.    

 

 

Seitenstraßen / Byroads

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Seitenstraßen / Byroads

09.10.2015 Luang Prabang / Laos / N19°53’18.9“ E102°07’50.5“

 Aus der Seidenstraße, mit ihren vielen Verästelungen und Routen, sind nun die Seitenstraßen Südostasiens geworden. Lianen überwuchert, gesäumt von Bananenstauden. Die Dinge verändern sich. Die Art, wie die Menschen zueinander stehen, ihr Umgang miteinander. Das spüren wir in unserem „Alltag“. Das merken wir an den Gerichten der Länder. Die Gewürze, die Zutaten, überhaupt die gesamte Art des Zubereitens ist anders. Für mich ist es unglaublich spannend, die verschiedenen Identitäten im Bezug auf das Kochen zu erleben. Stolz darauf ist jede Nation. Und das zu Recht. Die jeweiligen Schwerpunkte sind dabei vollkommen anders gesetzt. Mal geht es um Zeit. Für die einen liegt das Geheimnis im langsamen allmählichen Garen über Stunden hinweg, wie in Iran. Die anderen meinen, dass gerade das „Sekundenkochen“ der Trick bei der ganzen Sache ist, wie man in China weiß. Innerhalb von wenigen Minuten schwebt dort ein Luftballon der Herrlichkeiten aus dem Wok heraus. Knackiges, farbenfrohes Gemüse, ummantelt von delikatesten Soßen. In Iran ist es das Rot des Safrans, der von Hellgelb bis Tiefrot durch die Pfannen und Töpfe huscht und eine sonnige Spur hinterlässt. Das Fleisch zerfällt dort förmlich beim darauf Schauen, so mürbe ist es vom langsamen gemütlichen Garen in feinsten Aromen. Messer braucht der Iraner zum Essen nicht. Eine Gabel reicht vollkommen. Die „Gabeln“ der Kasachen und Mongolen sind gern die Finger, wenn es um ihr „Fünf Finger Essen“ geht. In der Mongolei ist es das viele Fleisch, was mir sofort durch die Gehirnwindungen wackelt, wenn ich an deren Küche denke. Genau so wie in Kasachstan. Das Essen der Nomaden. Ihr Umherziehen bringt es mit sich, dass sie zubereiten, was sie bei sich haben. Fleisch ist ihr Gemüse. Dazu servieren die Nomaden vielfältigste Arten an Teigvarianten. Als Taschen, als Platten, als Rollen, als was weiß ich noch alles. Die Türken haben ihre Fleischspieße. Kebab an allen Ecken und Enden. Mit jeder nur denkbaren Geschmacksrichtung. Ne super reife Tomate mitgegrillt und das Himmelreich ist nah für mich. Stäbchen , Löffel, Gabeln, Hände. Mit allem wir gegessen, denn es schmeckt überall anders vorzüglich! Die Türken vergöttern ihren Kaffee dazu, die meisten anderen bevorzugen Tees in den unterschiedlichsten Farben, Zubereitungsarten und Stärken.

Luang Prabang / Laos N19°53’18.9“E102°07’50.5“

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Nun sind wir in Laos. Bisher war da in meinem Kopf ein weißer Fleck und in meinem Magen ein hohles Loch. Was isst man in Laos? Und wie bereiten die Laoten ihre Speisen zu? Der Wok ist ihr Topf, die Gasflamme das Feuer. „Laap“ isst man gern. „Laap“ bedeutet „Kleingehackt“. Fast zu Brei werden unter dem laotischen Messer Hühnchenteile und Gemüsestücke. Danach ab in die Pfanne zum Anbraten und anschließend alles gut verrühren. Das Bindemittel Laos scheint ein Ei zu sein. Gern wird es mit untergehoben und lässt so alle Zutaten miteinander verschmelzen. Sojasoße, Ingwer, Fischsoße, Pfeffer, Peperoni und Knoblauch dürfen so gut wie an keinem Essen fehlen. Gedämpfter Reis dazu und fertig sind eins, zwei, drei, vier, fünf Laotische Gerichte, die wir heute selbst zubereitet haben. Ein laotischer Koch hat uns über die Schultern geschaut, während wir schweißnass an unserem Wok standen und alles gaben, was in unseren europäischen Küchenhänden steckt. Die heiße Schwüle war heute kaum zu ertragen. Mein Kreislauf fuhr echt Achterbahn. Doch wie auf Kommando schlug der erlösende Regen genau in dem Moment großartig Rabatz auf dem Küchenblechdach, als wir unsere Kochkünste zum Verzehr dekorierten. Nach fünf Gerichten kenne ich natürlich niemals die laotische Küche. Doch eine erste geschmackliche Idee haben wir bekommen. Das Abbiegen hat sich in jedem Fall gelohnt. Bin gespannt, auf weitere geheime Küchentricks der verschlungenen, von Früchten überwucherten Seitenstraßen Südostasiens. Und schlürfe genüsslich meinen Mango-Papaya-Passionsfrucht Shake. Darin sind die Laoten bisher für mich unübertroffen.    

Orange / Orange

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Orange / Orange

08.10.2015 Luang Prabang / Laos / N19°53’18.9“ E102°07’50.5“

 

Wenn sie sprechen, geht eine große Ruhe von ihnen aus. Ihre Bewegungen sind entspannt und harmonisch. Ihre Blicke schauen lange, wenn sie einmal begonnen haben zu Sehen. Nebeneinander, fast gekuschelt, sitzen sie eng an eng, ohne dass die Nähe des anderen zu stören scheint. Die von der Wärme unbedingt klebende Haut des einen berührt den nächsten. Wie Geschwister gehen sie miteinander um. Manchmal auch wie Vater und Sohn. Wir sind bei den Mönchs-Schülern in einem der dreiunddreißig Tempel der Stadt. Ganz behutsam haben wir uns einander genähert. Für uns ist es eine Art Rückzug, inmitten der verzückenden, Historie atmenden, Architektur zu sein. Abstand zu bekommen von dem „Draußen“, eine Ahnung zu erhaschen von dem „Drinnen“. Für die Jungs sind wir eine spannende Abwechslung. Ein Erlebnis. Sten zeichnet. Die Jungs schauen zu. Allmählich kommt ein Gespräch in Gang. Erst über die Augen, dann über Gesten, später mit Hilfe von Worten. Mong, er spricht ein wenig im Kloster gelerntes Englisch, ist einer der Jungen und lebt seit sieben Jahren in dem buddhistischen Tempel. Ein anderer, schüchtern Umhersuchender ist noch neu in dem Kloster. Seit sechs Monaten ist er da. Zwei Mal pro Monat dürfen ihn seine Eltern besuchen. Ist es Heimweh, was ihn so traurig aussehen lässt?     Seine Augen riesengroß, wie nach der Welt fragend, sein Blick. Seine schlanken Hände hält er still und gerade. Fast so, wie die Statuen im Tempel. Ich kann mich nicht satt sehen an ihm. Etwas Besonderes geht für mich von dem vielleicht Zehnjährigen aus. Aller Trubel fällt von mir ab, alles Lärmende und Aufreibende. Ich bin ganz da. Keine Frage danach warum wir hier sind und für wie lange. Die Jungs kommen aus allen Teilen Laos. Zumeist aus entlegenen Dörfern, in denen ihnen Bildung verwehrt bleiben würde. So ist es üblich, seine Kinder, zumeist Jungen, für eine gewisse Zeit als Schüler in eines der Buddhistischen Klöster zu geben. Sie lernen dort, und sind auch sonst rund herum versorgt. Eine Hilfe für die Familien. Und ein Glück für die Kinder. Jeden Morgen um fünf Uhr machen sich alle Mönche auf den Weg in die Stadt, um die Gaben der Menschen entgegen zu nehmen. Das ist ihr Essen für den ganzen Tag. Ihr Frühstück und ihr Mittag.

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Abends ist das Gebet ihre Mahlzeit. Mong hat ein rotes Buch vor sich liegen. „Buddhas Gedanken stehen darin“, erklärt er uns. Und fügt hinzu: „Buddha vermittelt uns sein Wissen und sagt gleichzeitig, dass wir ihm nicht glauben sollen. Es geht um mein eigenes Erfahren und Erleben.“ Die Art, wie er es sagt, spricht von seiner tiefen inneren Überzeugung. Die Mönche mit ihren Orangefarbenen Roben prägen den Ort. Überall sehe ich sie leuchtend um irgendeine Ecke huschen, höre ich ihren monotonen Gesang durch den Lärm der Straßen hindurchflirren. Der Klang der gebündelten jungen Stimmen ist wie ein Teppich der den Boden der Stadt bereitet. Ich bin hier gern, fühle mich wohl. Auch wenn ich weiterhin durch die Straßen schlurfe. Die drückende Luftfeuchte auf meinen Schultern tragend, einen leckeren Frucht Shake nach dem anderen in der Hand haltend. Orange sind die Früchte. Orange ist unser Leo. Orange ist die Farbe der Buddhistischen Mönche, mit ihren exakt geschorenen Köpfen, ihrer freien rechten Schulter und ihren Büchern in den Händen. Fast hat es etwas von einem Traum in Orange, wie der kleine Junge, laut Gebete vor sich her sprechend, zwischen dem geschwungenen Trommelhaus und dem Haupttempel auf und ab läuft. Ein von weißen Blüten und dem saftigen Grün der Bäume kontrastiertes Bild. Für immer in mein Empfinden gebrannt.    

Sternschnuppenland / Shooting star country

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Sternschnuppenland / Shooting star country

07.10.2015 Luang Prabang / Laos / N19°53’18.9“ E102°07’50.5“

Das Leben tanzt auf der Straße. Klitzeklein sind die Kinder, die da rechts und links der Straße entlang flitzen. Angst vor großen Autos? Null. Kaum dass sie sich selbst auf den Beinen halten können, sind sie unterwegs wie die Großen. Die Straße ist DER Ort. Spielplatz, Arbeitsplatz, Schlafplatz. Lebensraum für alles was ein Tag so hergibt. Mikrogeschichten sehen wir bei jedem Augenaufschlag. Hier Kinder, die im tiefsten Matsch Wassergräben bauen, da ein Mädchen was sich selbst beim Pullern zusieht, Mütter die Stillen, während sie schwer beladene Kiepen voll Holz nach Hause tragen. Dort sitzen Männer beieinander und da eine Traube junger Mädchen. Die Jungs winken uns wild zu, mancher Alte hebt freudig die Hand. Mich berühren am meisten diejenigen, die ganz still dasitzen oder stehen und einfach mit ihren großen Augen zu uns schauen. Ein Hölzchen in der Hand, oder an einem Stück Stoff herum fingernd. Nicht ein Meter Abstand liegt zwischen den Geschichten und uns. Meist sind es nur Zentimeter an Raum, oft gefährlich nah. Mir bleibt mitunter die Luft weg in der Hoffnung, dass das Huhn es noch geschafft hat, sich an den Rand zu quetschen und das Schwein, wo auch immer, dazwischen passte. Die Fußsohlen der Kinder scheinen aus Leder zu sein. So geschickt wie sie über alles hinweg rennen, als hätten sie Schuhe an. Flip-Flops sind Luxus in den Dörfern und dienen als Arbeitsschutzbekleidung der Straßenarbeiter, die mit schwerem Gerät den Schlammmassen Herr zu werden versuchen. Die Hauptregenzeit ist vorbei, erzählt uns Jeevan, ein Motorradfahrer aus Kuala Lumpur. Nun sind die Leute dabei die vielen, vom Wasser unterspülten, Wege aufs Neue zu befestigen und allmählich eine Straße von Norden her zu bauen. Dann ertrinken die Dörfer nicht mehr im Staub und Schlamm. Doch dann beginnt das Rasen. Kinder, haltet euch fest! Dann haben die Schutzengel voll zu tun! Sechseinhalb Millionen Menschen leben in Laos. Auf einer Fläche, fast so groß wie der westliche Teil Deutschlands. Neunundvierzig Volksgruppen mit mehr als einhundert Untergruppen leben zusammen auf diesem Stück bergiger Erde. Die frühe Geschichte der Laoten erzählt viele Geschichten. Eine handelt davon, dass „Khoun Bourom“, ein Urahn der Lao, vom Hindu-Gott Indra zur Erde geschickt wurde um Ordnung unter den Menschen zu schaffen. Beim Öffnen eines Kürbis, holte er dabei mit Hilfe eines glühenden Schürhakens die Laoten heraus. Woher auch die dunkle Hautfarbe der Laoten rühren soll...

Luang Prabang / Laos N19°53’18.9“E102°07’50.5“

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Vor viertausend Jahren wurden die Flussniederungen und Hochplateaus, archäologischen Funden nach, bereits besiedelt. Über Jahrhunderte hinweg gab es in der Region keine Staaten, wie wir es aus Europa kennen, sondern als „Muang“ bezeichnete Herrschaftsräume, die sich um einen König konzentrierten. Die Grenzen waren verschwommen und fließend. So gab es Einflusssphären, in denen die Menschen zwei Herrschern gleichzeitig dienen mussten.Erst mit dem Auftauchen der europäischen Kolonialmächte wurde die „Muang“- oder „Mandala“-Idee aufgegeben und durch das Staatenkonzept ersetzt. Nur in den Namen der Distrikte, lebt das altbewährte System fort.  Wir haben heute „Luang Prabang“ erreicht. Eine Stadt, in ihrer Bauweise geprägt von der französischen Kolonialzeit. Am Mekong liegt sie. Dem Fluss dessen Name „Mutter aller Flüsse“ bedeutet, und über eintausend-achthundert-neunundachtzig  Kilometer durch Laos fließt. Im tibetischen Hochland entspringt er, erstreckt sich im Ganzen über eine Länge von viertausendsechshundert Kilometer und mündet in Vietnam in das Südchinesische Meer. Für mich hat der Name des längsten Flusses Südostasiens etwas magisch Anziehendes. Ich stehe am Ufer der Mekong und kann es nicht fassen leibhaftig hier zu sein. Es ist wie der wahr gewordene Wunsch, den ich an eine Sternschnuppe richtete. Hier in Laos, in dem Land welches die Umrisse einer Sternschnuppe zeichnet.

Zwischenwelt / Interworld

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Zwischenwelt / Interworld

06.10.2015 Namkouat / Laos / N20°34’32.0“ E102°05’36.8“

Irgendwann ist es immer Zeit zu gehen. Egal wie gut das Vergangene war. China liegt hinter uns. Wir haben in unserer kleinen Gruppe die Grenze zu Laos überschritten und in Luang Namtha gemeinsam einen Ort gefunden, um unsere Füße wieder nebeneinander auf die Erde zu stellen. Langsames Ankommen, gemächliches Landen nach dem „Flug“ durch das Land der anderthalb Milliarden. Es war nötig und es tat gut. Gewandert sind wir fünf zusammen. Den Dschungel haben wir erkundet. Nun sitzen wir bei einem letzten Banana-Pancake und einem der ungezählten Mango Juices beisammen. Die Stimmung ist ruhigtraurigdankbarerwartungsvoll. „So“, sage ich, „es ist an der Zeit.“. Wir umarmen uns. Wir sprechen davon wie gut wir uns taten. Wünschen uns Glück. Wir wenden uns ab. Winken von weitem. Starten den Motor. Hupen und verschwinden hinter der nächsten Biegung der Straße. Reisen ist eine einsame Sache. Es geschieht im Innen. Auch wenn sich im Außen die Orte verändern. Auch wenn wir vielen Leuten begegnen. Auf Menschen zu treffen, die gerade eine ähnliche Erfahrungswelt haben schweißt eng zusammen. Es nimmt ein Stück der Einsamkeit. Auf Zeit.
Nun haben wir Beide uns wieder. Das ist schön. Das ist gut. Gemächlich nehmen wir Kurve für Kurve. Steil bergauf und wieder runter. Ganz so wie es Leo braucht. Mal Asphalt, mal roter Lehm und gelber. Mal staubtrocken und dann wieder regennass und glitschig. Der Norden Laos ist ein von Bergen durchzogenes Land. Grün ummantelt vom Regenwald, so weit unsere Augen es schaffen zu sehen. Ebenen gibt’s hier für uns keine. Dem Oben folgt das Unten auf den Fuß. In Oudomsay machen wir Halt. Es ist früher Nachmittag. Die Sonne brennt auf uns herab. Drückende Gewitterstimmung liegt in der Luft. Wie an jedem Tag, jetzt zur Regenzeit. Wir schlendern über einen überdachten Markt, auf dem es in jeder Ecke nach „China“ ruft. Chinesische Waren voll Buntheit grinsen uns an. Wir entscheiden uns für das Einheimische. Probieren von ulkig Aussehendem, kosten von dem Wildfremden. Und setzen uns in ein kleines Restaurant, in dem die Gästebücher der größte Schatz sind. Über Jahre hinweg haben Besucher darin ihre Freude zum Ausdruck gebracht, diesen Ort gefunden zu haben. Teilweise kamen sie wieder und wieder. Ich kann nicht anders als erst einmal vorsichtig zu sein.

Namkouat / Laos N20°34’32.0“E102°05’36.8“

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Bei so viel Euphorie der anderen werde ich still und versuche mir mein eigenes Bild zu zeichnen. Ich finde es schön, wie wir so vor dem Fenster sitzen und zuschauen können, was drinnen in der Küche geschieht. Es ist wie ein Nachmittag bei Oma. Gemütlich und ganz einfach. In einem Mörser stampft die Köchin Kräuter und Knoblauch, gibt Gewürze und Wasser dazu. Vermengt wird der Sud mit gekochtem Reis, der die Aromen aufsaugt und verschlingt. Ein paar Hühnchen Stücke hebt sie unter und befördert die ganze Masse auf ein Stück Bananenblatt. Kunstvoll gefaltet, mit zwei Hölzchen gehalten landet die Packung in heißem Wasserdampf. Was ich eine halbe Stunde später vor mir auf dem Teller liegen habe ist eine Vorzüglichkeit an bizarrer Würze. Vollkommen neu und überraschend für meinen Gaumen. Welche Kräuter es sind, bleibt der spezielle Trick der Köchin. Sie kennt die laotischen Namen. Ich kann damit wenig anfangen. Doch mir macht es Spaß ein Geheimnis zu essen. Und so füge auch ich am Ende in eines der vielen Gästebücher einen dankenden Gruß hinzu, bevor wir weiter ziehen. Wir möchten raus, außerhalb der Stadt einen Platz für uns finden. Die Dunkelheit kommt rasend schnell. Gerade so schaffen wir es, im letzten Licht des Tages eine ebene Fläche neben der Straße zu finden. Unser Leo mit seiner ausgeklappten Treppe. Unsere zwei Stühle davor, das kleine Feuer mit dem Holz noch aus Russland. Über uns die Milchstraße und dazwischen der dichte Wald mit seinem Zirpen und Rascheln. Das ist „nach Hause kommen“ unterwegs. Es ist nicht still, doch ich komme zur Ruhe. Noch immer mit dem ulkigen Gefühl der Zwischenwelt in meinem Bauch. Unser „Seidenstraßenkochen“ liegt hinter uns. In der Stadt Xian in China fand es einen würdevollen Abschluss. Für mich ist es, als sind wir von der Seidenstraße nun auf die Seitenstraßen abgebogen. Irgendetwas in mir ist noch dabei sich in diesem neuen Abschnitt der Reise zu orientieren. Ja, ich fühle mich gerade wie in einer „Zwischenwelt“ ohne das Drumherum zu kennen oder es näher benennen zu können.

Cocktail zur Nacht / Cocktail for night

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Cocktail zur Nacht / Cocktail for night

05.10.2015 Luang Namtha / Laos / N21°00’09.3“ E101°24’36.8“

1624 wurde der Stupa errichtet. Als Symbol des Friedens. Damals ging es um das friedfertige Miteinander der zwei benachbarten Reiche Luang Prabang und Chiang Mai. Im zweiten Indochinakrieg wurde er zwei Mal von Bomben getroffen, 1964 wieder aufgebaut. 1966 spaltete ein Einschlag ihn quer durch alle Ebenen. Im Jahr 2003 wurde ein neues baugleiches Monument an derselben Stelle errichtet. Vor diesem stehen wir nun. Es ist früher Abend und die Sonne senkt sich gerade. Wir müssen uns daran gewöhnen, dass es nun inzwischen um neunzehn Uhr stockdunkle Nacht ist. Der Tag spricht von Sommer, doch die Abende berichten von unserer Nähe zum Äquator. Der Sonnenuntergang ist eine Sache von wenigen Augenblicken. Wie der Lichtschalter, der einfach ausgeknipst wird. So schnell geht es. Doch genau dieser kurze Moment des Zwielichtes ist es, der unserem Abend an dem Stupa, hoch über der Stadt, eine Atmosphäre schenkt, die nicht passender sein kann, wie ich finde. Lang ausgestreckt liegt gemütlich eine Buddha Figur hinter dem Stupa. Der Blick, kurz aufschauend, als beobachte sie die gesamte Szenerie. „Friedfertigkeit“ ist das Wort, welches ich dem Ort verleihen möchte. Stille überzieht den Hügel und verbreitet Hoffnung. Auf dass die Menschen begreifen worum es geht, bei einem Symbol wie diesem. „Frieden“ ein Begriff den ich wohl hunderttausende Mal gehört habe und dem, gerade in meiner Schulzeit, leider etwas Abgedroschenes anhaftete. Gewinnt das Wort und dessen Innerlichkeit gerade in diesen Tagen für mich an neuer Tiefe. Auf unserer Reise darf ich erleben wie einzigartig das ist, was wir „unsere Erde“ nennen. Und wie sehr sich alle die, denen wir bisher begegnet sind, einfach nur ein friedliches Leben wünschen, für sich, für ihre Liebsten. So leicht kann es sein. Warum machen wir es uns nur so schwer? Wir Menschen haben echt ne Macke! Der Tag vor dem Abend war einer der dahingeglitten ist. Unsere Dschungeltour wollte verdaut werden. Von unseren Gliedmaßen und von unseren Hirnen. Also stand die Frage im Vordergrund: „Noch einen Mango Juice oder doch lieber zwei?“ Es ist der Tag an dem unsere kleine China Gruppe sich nun wohl endgültig voneinander verabschiedet. Fünf Wochen haben wir miteinander verbracht. Sind uns vertraut geworden. Schenken uns Nähe und lassen uns in Ruhe. Ganz so wie es jeder gerade will. Jeder von uns macht seine eigene Reise.

Luang Namtha / Laos N21°00’09.3“E101°24’36.8“

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Nun auch wieder in unterschiedlichen Richtungen. Auf Dich Lilian! Auf Dich Guido! Auf Dich Jamie! Einen Cocktail zur Nacht. „White Russian“ in der Dunkelheit.

Im Dschungelbuch / In the jungle book

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Im Dschungelbuch / In the jungle book

04.10.2015 Luang Namtha / Laos / N21°00’09.3“ E101°24’36.8“

An den Lianen schaukeln macht Spaß. Sieht zwar nicht ganz so formvollendet aus wie bei Tarzan, und der Schrei ist nicht heroisch, sondern eher kläglich, als es für mich höher hinauf geht, als ich es vermute. Doch eine Ahnung bekomme ich, wie sich ein Affe fühlt, beim Springen von Liane zu Liane. Tiger soll es in der Gegend geben, Elefanten ungefähr achtzig Kilometer weiter im Norden und Gibbons im Westen. Die Tiere nicht zu sehen finde ich gut. Weil es bedeutet, dass sie von den Menschen in Ruhe gelassen werden. Einen tierischen Begleiter haben wir trotzdem den ganzen Tag lang. Einer der Hunde aus dem Dorf kann sich nicht von uns trennen und kommt immer wieder zu uns gelaufen. Selbst als unser Guide alles andere als freundlich zu ihm ist. Er verschwindet für eine Stunde, um dann erneut aufzutauchen und schwanzwedelnd Teil unserer Gruppe sein zu wollen. Auch nach sechs Stunden Entfernung von seinem Dorf. Das Laufen läuft heute. Morgens bin ich schwerlich wieder in meine Wanderschuhe geschlüpft, doch einmal losgegangen finde ich einen guten Rhythmus für mich. Gestern ging es den ganzen Tag steil bergauf und bergab. Mal hatte ich mit dem nach unten Rutschen zu kämpfen, mal mit dem Klettern an den Anstiegen. Das ist Dschungel. Nicht einfach so geradeaus gehen, ab und an mal ein Bein hebend, um einen Baumstamm zu übersteigen, und ansonsten dem Vogelgezwitscher zu lauschen und dem grün gefärbten Licht entgegen zu blinzeln. Das auch, doch eben nicht nur. Der Dschungel hat seine eigene Romantik. Bleiben wir stehen, um Wasser zu trinken oder die Umgebung zu genießen, sind die Mücken schon lange vor uns da. Den Blutegeln versuche ich so wenig Angriffsfläche wie möglich zu geben, in dem ich trotz der Hitze lange Hosen trage. Sten bringt sich einen als Souvenir vom Duschen im Wasserfall mit. Wir drei Frauen sind für die Fotos zuständig. Da wir nur angekleidet baden können, hier in Laos, schenken wir uns das Umsteigen von einer klebrigen Kleidung in die andere und kühlen stattdessen galant unsere Handgelenke im fließenden Wasser. Die Beine sind komplett getränkt, die Schuhe und Socken auch. Stundenlang queren wir heute Wasserläufe, Bäche und Flüsschen. Das Springen von Stein zu Stein wird für mich zunehmend sinnlos. Also laufe ich irgendwann einfach durch das Wasser. Das kühlt meine Füße, lindert die Gefahr des Abrutschens und macht einfach Spaß.

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Hier in der tropischen Wärme werden die Schuhe irgendwann schon wieder trocknen. Es ist vielleicht eine europäische Angewohnheit, die Schuhe nicht nass machen zu wollen. Wahrscheinlich ist sie unserem Klima geschuldet. Unser Guide kann das gar nicht verstehen und watet einfach vor sich hin. Wie Kinder fühlen wir uns, als wir die Mammutbäume umrunden, durch die Bambuswälder laufen, unter Bananenblätter schlüpfen, Flöten und Schlaginstrumente aus Bambus schnitzen, Riesenspinnen und fast „menschengroße“ Käfer bestaunen. Ein Abenteuer was mich beglückt, durch und durch! Als ich auf der Ladefläche des Autos sitze, das uns zu unserem Leo zurück bringt, fühle ich mich wunderbar müde und hellwach zugleich. Die Schlaglöcher lassen uns alle durcheinander purzeln, ein Transporter wird durch eine Querrille so nah an unser Auto geschleudert, dass es fast meine Hand getroffen hätte, mit der ich mich am Außengitter versuche festzuhalten. Doch alles geht gut. Staub- und Schweiß-verkrustet, mit quatschendem Wasser in den Schuhen kommen wir in Luang Namtha an. Doch an Duschen denken wir trotzdem noch nicht. Wir ziehen es vor den Staub in unseren Kehlen mit dem einen oder Cocktail herunter zu spülen. Ein Tag wie im Dschungelbuch. Zumindest wie eine kleine Episode daraus.

Dschungel Camp / Camp in the jungle

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Dschungel Camp / Camp in the jungle

03.10.2015 Luang Namtha / Laos / N21°00’09.3“ E101°24’36.8“

Ein kühles Bier in der Hand. Auf einem Stapel Holz sitzend. Um uns herum Kinder, die Aufmerksamkeit aus uns heraus kitzeln. Sie kaspern, sie schupsen, sie machen Quatsch miteinander. Eine kleine Vorführung für uns, die wir mit der Nachmittagssonne herein geschneit sind. Nach einer Tageswanderung durch den Dschungel sind wir in diesem Dorf gelandet, vollkommen durchgeschwitzt, nach einem kühlen Getränk lechzend, wie lange nicht mehr. Nach zwei Tagen des langsamen Schaukelns, des Ankommens in diesem wieder so anderen Land war uns nach Bewegung zu Mute. Noch immer sind wir mit Jamie, Lilian und Guido zusammen und fanden es schön, gemeinsam zu laufen. Die kleine Stadt Luang Namtha ist ein guter Startpunkt, um sich von hier aus in den Dschungel aufzumachen. Entlang der Hauptstraße des Ortes gibt es mehrere Agenturen, die Angebote zum wandern machen. Heute Morgen ging es um 9.00 Uhr los. Wir Fünf, zwei Jungs aus Israel, ein Paar aus England und unser englisch sprechender Guide „Sing“. Eine bunt gewürfelte Gruppe, die gleich auf den ersten Kilometern im Dschungel Jamie verliert. Er wollte auf Lilian und Guido warten, die allerdings einen anderen Weg gingen. Alle kamen wieder zusammen, doch Jamie fehlte. Wo war er abgeblieben? Unser Guide machte sich auf die Suche und kam tatsächlich MIT ihm zurück. Diese Begebenheit, gleich zu Beginn unserer Tour, war die wahr gewordene Befürchtung, die ich in mir trug. Was ist, wenn wir hier zu weit auseinander laufen und den falschen Abzweig nehmen? Ich merke, wie Panik in mir aufkommt. Manchmal spielt mein Kopf seine eigenen Filme ab. Die sind so real, dass meine Knie weich werden und mein Puls sich beschleunigt. Das massenhafte Grün um mich herum ist wunderschön. Doch gleichzeitig ist es so gewaltig, dass es mich einschüchtert in seiner Dimension der Unüberschaubarkeit. Nachdem Jamie gefunden ist, bleiben wir als Gruppe näher beieinander, was meinem Gefühl des Verlorengehens gut tut. Ab nun kann ich das Laufen genießen. Wobei „genießen“ als Begriff vielleicht in die Irre führt. Nach wenigen Kilometern sind wir alle komplett durchgeschwitzt. Die Wärme im Dschungel, die Feuchtigkeit in der Luft und die Steigungen, die ihren Namen zu Recht tragen, ergeben zusammen einen Cocktail, der ganze Gläser füllen kann. Wir können gar nicht so schnell trinken, wie wir das Wasser ausschwitzen. Eine echte Kur.

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Alles was raus soll, bahnt sich Bäche an uns entlang. Tropfsteinen gleich und mit hochroten Köpfen bewegen wir uns Meter für Meter voran. Während ich laufe denke ich darüber nach, ob wir irgendetwas Nützliches mit zum Dorf hätten nehmen sollen. Etwas, was dort gerade sehr gebraucht wird. Um unserem Gang noch einen weiteren Sinn angedeihen zu lassen als den, die Gegend kennen zu lernen, uns selbst an unsere körperlichen Grenzen zu bringen und dem Dorf durch unsere Ankunft ein wenig Umsatz zu schenken. Es ist eben doch auch ein „Wohlstandsding“ was wir betreiben. Kein Mensch der hier lebt, würde einfach so durch den Dschungel laufen, ohne irgendeine nötige Besorgung oder Erledigung damit zu verbinden. Körperliche Betätigung hat hier immer was mit Notwendigkeiten zu tun. Wie anders ist unsere Welt, in der wir uns als Ausgleich zu unseren Denk-Jobs Bewegung und Aktivitäten suchen. Die Kinder freuen sich über den Ball den wir ihnen mitgebracht haben. Unsere Erde ist darauf abgedruckt und fliegt nun von einem Kinderfuß zum nächsten. Es ist ein Spaß für die Kinder und gleichzeitig fragen wir uns, ob es gut ist, hier in dieses Kleinod der Natürlichkeit den Plastikkram vom Rest der Welt zu tragen. Doch fest steht auch, wir werden den Gang der Entwicklungen nicht aufhalten. Und wie stand es neulich in einem Interview geschrieben? „Nur weil wir Europäer es so schön finden, die Menschen in ihren Holz- und Bambushütten zu sehen, heißt das noch lange nicht, dass die sich nicht nach Häusern aus Stein und Beton sehnen.“ Uns selbst ist die Einfachheit und das Leben mit der Natur ein großes Vergnügen heute. Essen tun wir nicht von Tellern, sondern mit den Fingern von Bananenblättern, Getränke gibt’s aus Bambusrohren. „Für die Leute hier ein Akt der Normalität. Für uns ein großes Abenteuer“ denke ich, als ich nachts in meinem Seidenschlafsack auf einer dünnen Matratze liege, gemeinsam mit allen anderen. Ein auf Stelzen gebautes Haus aus geflochtenem Bambus ist unser Nachtlager. Den Rhythmus meiner Gedanken gibt der schüttende Regen vor, der auf das Blechdach rauscht. Alles ist am Fließen, hier in unserem Dschungel Camp.

Lächelnde Vorsicht / Smiling caution

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Lächelnde Vorsicht / Smiling caution

02.10.2015 Luang Namtha / Laos / N21°00’09.3“ E101°24’36.8“
Zweihunderttausend Metallsplitter fliegen in einem Umfeld von mehreren hundert Metern umher, wenn eine Streubombe explodiert. Zweihundertsiebzig Millionen dieser qualbringenden Geschosse warfen die Amerikaner, in der Zeit zwischen 1964 und 1973, über Laos ab. Das Land diente als Versorgungs-und Kommunikationsnetzwerk im Vietnamkrieg. „Um dieses Netzwerk zu zerstören, warfen die Amerikaner mehr Bomben auf Laos ab, als im zweiten Weltkrieg auf Deutschland und das von Deutschland besetzte Europa.“ lese ich in einem Buch nach und bin in meinem Inneren erschüttert. Eine halbe Tonne Sprengstoff pro Einwohner. Was für Zahlen? Was für eine Wut? Was für eine Gewalt steckt dahinter? Und vor allem, welch unbeschreiblich großes Leid löst all das aus??? „Bis 1973 waren über fünfhunderttausend Angriffe geflogen und durchschnittlich alle acht Minuten eine Bombenladung abgeworfen worden, täglich vierundzwanzig Stunden, neun Jahre lang.“ Ich fühle mich wie gelähmt, wenn ich mir versuche vorzustellen, was diese Worte erlebt bedeuten. Dreißig Prozent der abgeworfenen Munition waren laut Schätzungen Blindgänger. Was wiederum die gigantische Zahl von achtzig Millionen Sprengkörpern bedeutet. Das macht die Feldarbeit bis heute mitunter lebensgefährlich, tötet Kinder, wenn sie die tennisballgroßen Geschosse finden und damit spielen. Fünfundzwanzigtausend Menschen sind nach Kriegsende an diesen Blindgängern gestorben. Lähmende Traurigkeit macht sich breit in mir. Warum wird zivilen Menschen, wird Familien ein solch unfassbar großes Leid zugefügt? Welches Recht nehmen wir uns als Menschen heraus, so rücksichtslos, kalt und brutal miteinander umzugehen? Mein Weltbild kommt heute ins Wanken. Was sind wir Menschen nur, dass wir derart handeln? Und warum um alles in der Welt? Wofür? Wofür? Wofür? Der Ort Luang Namtha, in dem wir gerade für ein paar Tage unsere Seelen baumeln lassen, macht einen so lebensfrohen Eindruck. Der Umgang der Leute ist freundlich miteinander und rücksichtsvoll. Ich mag die Stimmung sehr und genieße es hier zu sein. Wie die Menschen zueinander stehen nehme ich als gigantische Strahlkraft wahr. In jedem Land erlebe ich sie anders.

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Ist das unsagbare und noch immer nicht endende Leid der Menschen in diesem Land der Schlüssel zu ihrer stillen Freude an dem was gut ist und der Bedeutsamkeit die sie ihren Familien schenken? Messen die Laoten deshalb der Qualität ihres Lebens so viel Wert bei, weil sie wissen wie schnell alles vorbei sein kann? Ich bin still heute und achtsam. Schaue in die Gesichter derer, die mir begegnen. Suche den Kontakt mit ihnen über die Verbindung unserer Blicke. Ich sehe in lachende Augen denen ein Hauch abwartender Vorsicht beigemischt zu sein scheint.

Yulala / Yulala

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Yulala / Yulala

01.10.2015 Luang Namtha / Laos / N21°00’09.3“ E101°24’36.8“

Da sitze ich nun in meinem bequemen Ledersessel, umgeben von sattem Grün. Einen Mango Juice vor meiner Nase. Das ist es. Mehr nicht. In mir drinnen ist die Ruhe mit ihren Umzugskisten angerückt. In China war sie kurzzeitig ausgezogen. Wo sie im September war bleibt ihr Geheimnis. Umso präsenter ist sie nun. Ich habe den Verdacht, dass sie sich zurück zieht wenn es ihr drum herum zu bunt wird. Schade, braucht man sie doch dann am Nötigsten. Bunt ist es hier auch. Okay, vor allem Grün. Doch Blüten gibt es in allen nur denkbaren Farben und Erscheinungen. Da zeigt die Natur was Formenvielfalt ist. Ich bin fasziniert von der Atmosphäre, die ich empfinde und von der ich auch am zweiten Tag meiner Beobachtung nicht genau sagen kann was es ist das diese Ausstrahlung schafft. Ich komme mir vor wie an einem Samstagvormittag in meiner Kindheit. Meine Eltern mussten nicht weg um zur Arbeit zu gehen. Ich brauchte nicht in die Schule zu laufen. Nach einem gemeinsamen Frühstück werkelten wir vor uns hin. Jeder für sich und doch gemeinsam. Mein Vater pfiff Lieder dabei. Es lag Entspanntheit in der Luft, das Gegenteil von Eile. Ich mochte dieses Gefühl. Vielleicht, weil es eine Seltenheit für mich war. Sechs Millionen Menschen leben in Laos. Leid geprüft ist das Land von vielerlei Kriegen. Viele Menschen hier werden als arm bezeichnet. Arm in der Hinsicht, wenig Besitz zu haben. Ich weiß, dass es mir in keinster Weise zusteht, irgendein Urteil abzugeben. Will ich auch nicht. Ich habe keine Ahnung, was „Armut“ wirklich bedeutet. Mit wie viel Entbehrung sie verbunden ist. Doch etwas haben die Menschen, die in ihren hochhackigen, zugewachsenen Holzhäusern wohnen, wovon wir nur träumen können. Eine entspannte Gelassenheit und viel, viel Zeit für sich und ihre Familien. „Yulala“ nennen sie es. Mit „Lebensqualität“ möchte ich es übersetzen, die den Menschen hier unglaublich wichtig ist, wie ich erzählt bekomme und wovon ich in dem Buch „Vom Schwinden der Silberfäden“ lese. Darin erzählt der Autor Erik Lorenz unter anderem die Geschichte einer Frau die den zweiten Auftrag zur Herstellung von einhundertfünfzig Seidenschals für einen deutschen Kunden ablehnte, mit den Worten: „Der Preis ist mir zu hoch. Ich hatte keine Zeit mehr für meine Familie, für meine Kinder, für meine Nachbarn, für meine Tiere. Wo bleibt meine Lebensqualität?“.

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Ich glaube es gibt für alles verschiedene Maß-Tabellen. Und eben auch unterschiedliche für den Begriff „Armut“. Einmal im materiellen Sinne und eine andere für die innere empfundene Qualität unseres Lebens. Ich werde hier nicht mit einer Wage anrücken, um das jeweilige Gewicht zu ermitteln. Ich komme nur einmal mehr darüber ins Grübeln, warum wir zu Hause so oft ausgelaugt, abgearbeitet und fertig sind. Ich sitze nicht auf einer rosaroten Wolke und habe kein Feenkleid an. Ich bin einfach ICH, die sich diese Frage stellt, und in deren Adern gerade „Yulala“ fließt.

In Wasser aufgelöst / Distraught in water

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In Wasser aufgelöst / Distraught in water

30.09.2015 Luang Namtha / Laos / N21°00’09.3“ E101°24’36.8“

Was bitte macht das Gefühl eines Landes aus? Ich kann es nicht begreifen, warum ich in dieser ersten Nacht in Laos so unglaublich entspannt geschlafen habe. Gerade einmal zwanzig Kilometer haben wir uns von der Grenze weg bewegt und alles scheint verändert. Nicht zuletzt ich selbst. Die Verspannung hat meinen Nacken verlassen. Ich fühle mich seltsam luftig und frei. Und das, obwohl ich überhaupt nichts über Laos weiß, ich keine Ahnung habe, was auf mich zukommen wird und uns das vom Himmel fallende Wasser zeigt, was sich „Regenzeit“ nennt. Wir nehmen Abschied von einander. Lilian und Guido auf ihren Motorrädern, Jamie in seinem VW-Bus und wir mit unserem Leo. Ein Bohnen-Eier-Speck Frühstück, bei dem wir mit unseren Gabeln Happen für Happen aus der Pfanne angeln, beschließt das Ritual. Wochenlang haben wir gemeinsam mit unseren Stäbchen von den gleichen Tellern gegessen. Eine Form der Verbindung die uns Nähe gebracht hat. Nach schwitzig-feuchten Umarmungen macht sich jeder auf seinen Weg. Nur, dass dieser eigenwilliger Weise der Gleiche ist. So geschieht es, dass wir uns vierzig Kilometer weiter, im Ort Luang Namtha, mit seinen 18.000 Einwohnern, Mango Juice schlürfend wider finden. Irgendeine Kraft hält uns zusammen. Wir scheinen noch keine Lust zu haben, voneinander zu gehen. Wie Kinder freuen wir uns über das aus dem Holzofen huschende Brot und den leckeren Espresso. Wann hatten wir das zum letzten Mal? Der Tag schleicht dahin. Doch für uns scheint selbst Schleichen zu viel Bewegung zu sein. Wir gönnen uns den Gedanken, dass es nichts zu tun gibt und finden ihn kein bisschen verwerflich. So schaffen wir es gerade einmal, unseren prall gefüllten Schmutzwäschesack zu schnappen, um uns damit auf die Suche nach einer Wäscherei zu machen. Bis nach China habe ich in allen Ländern Familien gefunden, bei denen ich unsere Wäsche waschen konnte. In China dann entdeckte ich zwei Mal eine Waschstube, um das Nötigste reinigen zu lassen. Einmal waren unsere Klamotten dran. Das andere Mal die Bettwäsche. Wie haben wir uns gefreut, als Die mal wieder frisch duftete! Nun, bei annähernd 100 Prozent Luftfeuchtigkeit ist es so eine Sache mit dem selber waschen. Und Wasser halten wir im Leo immer knapp, da wir es uns zum Trinken aufsparen und nicht zum Waschen vergeuden wollen.

Luang Namtha / Laos N21°00’09.3“E101°24’36.8“

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Hier in Laos scheint es uns einmal Wichtiger, sauberes Trinkwasser bei uns zu haben. Nach einigem Zeigen auf unseren Wäschesack und fragenden Blicken in alle Richtungen werden wir von Ecke zu Ecke geschickt, bis wir vor einem mit Segeltuch überspannten Haus stehen. Eine Frau sitzt an ihrem Webstuhl. Der Rest der Familie schaut dem strömenden Regen zu, der unseren Nachmittag begleitet. Doch bei dreißig Grad ist uns das Wasser von oben ein Riesenspaß. Als spüle es allen Staub mental von uns. Auch den aus unseren Köpfen. 10.000 KIP pro Kilogramm Wäsche möchte die Frau von uns haben. Das ist gerade einmal 1,00 Euro pro Kilo... Wie anders das Leben von Land zu Land ist, zeigt sich für mich selbst an solch kleinen Details. In China habe ich dreißig Dollar bezahlt, wofür ich hier fünf Euro geben soll. Wie entstehen Preise in einem Land? Und wie viel brauchen die Menschen um davon leben zu können? Nun, der Zeitpunkt für schwerwiegende Gedanken ist heute für mich nicht. Ich gönne mir, LANGSAM in Laos anzukommen. Bis vor wenigen Stunden hatte ich kaum eine Ahnung, ob ich mich wieder auf ein neues Land einlassen möchte. Die Frage scheint sich gerade in Wasser aufzulösen. In dem Land, von dem ich bis gestern nichts weiter kannte als seinen Namen.

Mach’s gut, China / Take care, China

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Mach’s gut, China / Take care, China

29.09.2015 Nateuy / Laos / N21°01’58.6“ E101°39’08.4“

Es tropft. Von den Bananenstauden, von unseren Nasen und Wangen. Die Tropen heißen uns willkommen. Wir fühlen uns umarmt von beinahe einhundert Prozent Luftfeuchtigkeit. Selbst mir, die ich seltenst schwitze, läuft das Wasser in Strömen den Körper entlang. Im südlichsten Zipfel Chinas fühlen wir uns Südostasien näher als China selbst. Es ist als gingen wir über eine Brücke. Am einen Ufer betraten wir die Brücke bei Trockenheit und fast mitteleuropäischem Klima. Beim Verlassen sind wir nun umgeben vom Zirpen und Zwitschern der Baumbewohner, vom Nebel der durch die Palmen zieht. Ein seltsamer Morgen. Ein besonderer Morgen. Mit dem Wort „Abschied“ ist der Tag überschrieben. Fotos mit unserem Guide Andi. Fotos mit unserer Gruppe. Spürend, wie schnell der September verging, während wir uns gemeinsam durch China bewegten. Ich bin gespannt was vor mir liegt. Mit meinen Beinen in China, mit meinen Gedanken im Unbekannten. Im Nebel fast. Ich bin unentschlossen meinen Gefühlen gegenüber. Eine Idee von Laos habe ich nicht. Muss ich auch nicht. Ich werde es erfahren, erleben. Heute ist heute. Und heute ist China. Ich gehe nun, mit ein wenig Wehmut im Bauch. Darüber das Land mögen zu wollen. Doch das ist mir nur im Kopf gelungen. Im Herzen bedingt und im Bauch noch weniger. Mein Bauchgefühl war anderer Meinung. Warum, kann ich nicht wirklich in Worte fassen. Es ist wie es ist. China. Vielleicht tue ich dir Unrecht. Bestimmt komme ich wieder um nachzuschauen. Doch für heute sage ich nachdenklich: „Mach’s gut!“. An der Grenze heißt es Warten. Kein Mensch ist da, der den Übergang versperren könnte. Einzig irgendwelche Bestimmungen der Armee sagen, dass wir noch bleiben sollen. Welche das sind, kann uns keiner erklären. Also gut. Wir warten. Zwei Stunden später können wir gehen, ohne dass irgendetwas gewesen wäre. Es geht nicht darum zu verstehen. Immer wieder. Mit dem Stempel im Pass gelten wir als ausgereist. Ich umarme Andi, ich winke ihm zu. Zum Abschied. Er war uns ein toller Begleiter, in jeder Situation! Er bleibt, wir gehen. Seine nächste Gruppe erwartet ihn. Auf uns wartet erst einmal nichts. Ein erhabenes Gefühl. Voller Freiraum der gefüllt werden kann. Einreisen nach Laos ist eine einfache Übung. Zwei Formulare ausfüllen, ein Passbild abgeben, 37 Dollar bezahlen und schon wird einem ein Visum in den Pass geklebt.

Nateuy / Laos N21°01’58.6“E101°39’08.4“

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Mit dreißig Tagen Gültigkeit. Hier braucht es Minuten, was anderswo nach Tagen verlangt. Die Sonne scheint. Das goldene Eingangstor strahlt uns entgegen. Der erste Eindruck: „Gut“. Unsere kleine Gruppe ist durch das Erleben in China zusammen gewachsen. So gehen sich die ersten Meter leichter gemeinsam. Gewohnheit ist eine Kraft die uns heute gut tut. Rituale schenken Vertrauen und Vertrautheit. Also machen wir es wie an jedem Abend in den letzten Tagen. Wir suchen einen Platz für uns. Zwei Motorräder, einen VW-Bus und einen LKW. Eine unrunde Truppe sind wir, die offensichtlich gerade darin ihre Stärke hat. Am Rand eines kleinen Dorfes kommen wir zum Stehen. Häuser stehen hier auf Stelzen. Aus Holz sind sie. Zähne werden am Straßenrand geputzt. Die Kinder im Wasserlauf neben der Straße gewaschen. Die Gesichter gefallen mir. Sie sind offen und klar. Die Leute gucken wer da angekommen ist. Doch sie tun es verstohlen und zaghaft. In Trauben um uns herum stehen tun sie nicht. Das war einmal. Heute können wir uns in aller Ruhe zu Fünft den vergangenen Wochen widmen. Wir wenden mental unsere Blicke noch einmal hinter uns im vollsten Bewusstsein Andis Lieblingsspruches: „Yesterday was a history. Tomorrow is a mystery. Today is a gift. We call it the present.“.
China, danke für deine Widersprüchlichkeit. Du hast mir damit meine Eigene deutlich gemacht. Widersprüche als Balance im Ganzen. Ich werde dich im Auge behalten! Mach’s gut!

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