4.Step – Kazakhstan/Turkmenistan
Description
Wir reisen 2015 entlang der Seidenstrasse von Venedig, dort wo die Seidenstrasse im Mittelalter einmal endete über die Türkei, den Iran, Zentralasien, Mongolei nach China. Auf der Einjahresreise wollen wir am Rande der Seidenstraße mit den Menschen kochen und typische Rezepte tauschen, um diese Geschichten, Rezepte und Fotos in einem Reisekochbuch zu veröffentlichen.
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Die Karawane zieht weiter/ The caravan furthuer moves
27.04.2015 Kasachstan / Shetpe / N44°10’02.5“ E052°38’13.3“
Abschied? Abschied! Freude? Ja. Freude und doch Wehmut. Wir haben uns hier wohl gefühlt in Mitten der bunten Truppe. Zum „Lebe wohl“ sagen ziehen wir noch einmal unsere Kreise über den Hof und geben jedem eine kleine Köstlichkeit aus Iran in die Hand. Eine süße Verbindung zwischen den Ländern. Janathan, der unsere Danke-Plakette zu seinen Auszeichnungen vom Staat gelegt hat, schenkt uns „für das Glück“ noch eine Kasachstan Flagge. Wir nehmen sie voll Dankbarkeit an, denn Glück, ja, das können wir gerade gut gebrauchen. In unseren Bäuchen grummelt es vor Aufregung. Wie sich der Leo wohl anstellen wird? Ein letztes Hupen, ein letztes Winken, ein um die Ecke biegen und dann, dann sind wir auf der Piste. Allein. Ganz mit uns. Es ist wieder diese Stille, dieses in sich hinein Hoffen, dass der Leo fit ist und uns ein guter Begleiter. Ein letzter Blick zum Kaspischen Meer. Dann liegt auch das hinter uns. Auf nach Usbekistan. 600 Kilometer liegen vor uns und noch anderthalb Tage Zeit, bis zum Ablauf des Visum...
Die kleine Gemeinschaft / The small community
26.04.2015 Kasachstan / Aktau / N43°46’12.6“ E051°05’26.2“
Da sind wir hier so hereingeschneit. Oder sollte ich besser sagen „hereingeregnet“, in Anbetracht dessen, was in diesen vergangenen Tagen vom Himmel fiel? Inzwischen fühlen wir uns näher gerückt, sind nicht mehr nur Zaungäste, fast schon Tischnachbarn. Kein Pförtner fragt mehr, wer wir sind. Die Tore öffnen sich wie von allein. Die Hunde wedeln freudig und ein wenig gelangweilt, wenn sie uns riechen. Halt alte Bekannte... Anders ist es, wenn ich koche. Dann duftet es verführerisch. Und treublickende Husky Augenpaare schauen mich an, in dem Hoffen, auf diese Tour an ein Stück des Wunderduftes heranzukommen. Und. Es klappt. Ich liebe diese klaren Augen und will ihnen nicht wiederstehen. Die neun Jungen im Hunderudel sind gewachsen in den vergangenen zwei Wochen und die Eltern haben es fast geschafft ihr Winterfell abzulegen. Yippie, für mich das untrügliche Zeichen, dass es aufwärts geht mit den Temperaturen.
An dieser Stelle drängt es mich eine Lanze für das mitteleuropäische Wetter zu brechen. Es steht in einem so miesen Ruf. Und wie das Gras, ist auch das Wetter an anderen Orten scheinbar immer besser. Doch nun bin ich an den anderen Orten, um nachzuschauen und kann ganz ruhig sagen, dass in Mitteleuropa auch ein tolles Klima herrscht. Ja, zwei Pförtner kenne wir inzwischen hier, die mal in dicker Steppjacke, mal im leichteren Look, bei jedem Hupen das Tor öffnen und wieder schließen. Nicht ohne nach dem Grund des Gehens oder Kommens zu fragen. In der Verwaltung arbeiten vier Frauen, die oft freundlich winkend über den Hof eilen, um einem der LKW-Fahrer Papiere auszuhändigen. Denn im Hauptgeschäft ist das hier ein Logistikunternehmen mit angegliederter MAN Werkstatt. Ne praktische Kombi, vor allem für die eigenen Fahrzeuge. Kommen die Trucks angeschlagen von der Piste, erwartet sie hier, neben einem Elektroniker, das Mechanikerdoppel Yura und Marga. Wenn da nicht gerade ein Orangefarbener LKW aus Deutschland wäre, der nach wie vor alle Aufmerksamkeit abzieht. Yura kommt aus der Ukraine und Marga ist Türke. Und auch sonst geht es hier sehr international zu. Da gibt es zum Beispiel noch die Usbeken. Die sind dabei eine neue Halle zu errichten. Gearbeitet wird quasi durchweg. Wochentage und Wochenende scheinen ein und das Selbe zu sein. Denn alle wohnen für einige Wochen auf dem Hof, bevor ein jeder nach Hause fährt, um ne Pause zu machen.
Und so hat es gerade am Wochenende etwas von einer kleinen Gemeinschaft, wenn ich sie alle zum Mittag- oder Abendessen gehen sehe. Denn auch die Küche hat täglich geöffnet und es wird für alle gekocht. Und zu schmecken scheint es. Warum sonst werde ich den Eindruck nicht los, dass auch die Fahrer ihre Touren mitunter nach den Küchenöffnungszeiten richten? Schön.
Der Chef ist Janathan, mit Nurlan, seinem Werksleiter, an der Seite. Er hat keinen leichten Job. Führung heißt in diesen Landstrichen, in jeder Sekunde hart durchgreifen, sonst laufen die Dinge aus dem Ruder. Die Gesellschaft generell funktioniert hier, soweit ich das beobachte, nach dem Belobigungs- und Bestrafungsprinzip. Gut zu merken ist das auf der Straße. An Stellen, wo mit Kontrollen zu rechnen ist, fahren alle super geordnet. Doch außerhalb dessen herrscht „Wild East“. Hier auf dem Hof regeln das die Überwachungskameras. Und so wird auch Putin von der Mehrheit der Leute sehr geschätzt für seine Unerbittlichkeit und Härte. Heute, bei den vorgezogenen Präsidentenwahlen in Kasachstan hat der seit 25 Jahren amtierende vierundsiebzig Jahre alte Nursultan Nasarbajew mit 97,5% aller Stimmen gewonnen. Auch er gilt als autoritär herrschender Staatschef. Er zog die Wahl vor, da wegen der nationalen Wirtschaftskrise, auf Grund des gesunkenen Ölpreises, unpopuläre Schritte zu gehen sind. So wird wohl in den kommenden Monaten nicht nur der Wind vom kaspischen Meer rauer wehen.
Ach ja, da wäre noch die Sache mit unserem Leo. Auf und ab geht es heute mit unseren Emotionen. Die Dramaturgie verläuft aufsteigend. Hoffnung, Hoffnung, Hoffnung, dass die neu besorgten Dichtungsringe passen und das Getriebe abgedichtet werden kann. Super sorgsam kümmert sich Yura um jedes Detail. Die Sonne scheint, die Musik spielt und der Wind hat sich gelegt, als wir im schönsten Sonntagnachmittagsgefühl zur nächsten Testfahrt starten. Wir lachen auch, als wir auf den Hof zurückkehren. Doch leider erstickt sich selbiges im nächsten Augenblick, denn wir sehen, dass es wieder eine Stelle mit ausgelaufenem Öl gibt. Ich bin enttäuschet und merke, wie sehr ich gehofft hatte, dass nun alles gut ist. Doch, hm, das Leben sieht es anders. Wir sind uns nach wie vor einig, dass wir erst fahren, wenn alles in Ordnung ist. Auf der Zielgerade unruhig werden ist keine gute Idee. In meinem Kopf formieren sich allmählich Alternativgedanken, was unsere weitere Route angeht. Wo haben wir wann ein Visum? Wo brauchen wir keins? Und wo könnte unser Weg langführen, wenn jetzt alles noch viel länger dauert? Wir sprechen uns kurz Mut zu. Dann verschwinden Sten und Yura wieder unter dem Leo. Nachts um 01.30 Uhr heißt es, nach mehreren Tassen Café und Versuchen und neuen Gedanken: „Wir machen ne Probefahrt.“ Auf geht’s in die Dunkelheit. Der Leo läuft und wird doch wieder gestoppt. Diesmal ist es die Polizei, die nachts um 02.00 Uhr 60.000 Tenge (300 €) von uns haben will. Angeblich wegen Tempoüberschreitung. Sten versteht auch um diese Uhrzeit nur Deutsch (hihi) und so gibt der Polizist nach ner halben Stunde genervt auf. Uff, geklappt! Und dann? Dann rollen wir auf die Rampe und können unser Glück kaum fassen. KEINE neue Ölspur am Getriebe! Ein Freudenfest nach Mitternacht. Wir umarmen uns und wir umarmen Yura, der ohne Pause für uns da ist. Als wir uns lachend eine gute Nacht wünschen, verrät er uns sein Geheimnis. Während der ganzen Zeit unserer letzten Fahrt hat er sein Kreuz an der Halskette, fest in der Hand gehalten.
Was ist Zeit? / What is time?
25.04.2015 Kasachstan / Aktau / N43°46’12.6“ E051°05’26.2“
Zeit. „Oh schade, da habe ich keine Zeit.“, „Meine Zeit reicht heute nicht“, „Wieviel Zeit haben wir jetzt?“, „Wie gehst Du mit meiner Zeit um?“, „Wie können wir die Zeit besser nutzen?“ Das sind Fragen und Aussagen, die mir vertraut und vollkommen normal erscheinen. Wir leben so. Alle leben so. Wir merken keinen Unterschied. Die Zeit ist unser Puls, der immer auf Hochtouren schlägt. Je länger wir gen Osten unterwegs sind, um so stärker wird mir bewusst, wie zeitgetrieben wir zu Hause leben. Zeit scheint eines der kostbarsten Güter für uns überhaupt zu sein. Sie ist immer knapp. Meist haben wir gar keine. Wir erwarten, dass alles sofort erledigt wird, von uns und auch von allen, um uns herum. Die Tage sind durch getaktet, die Abende auch und unsere Wochenenden sind oft schon auf Monate im Voraus verplant. Wir haben uns daran gewöhnt von Aktivität zu Aktivität zu laufen. Wir sind im „Tun“ und sprechen vom „Sein“. Doch während wir davon reden, „tun“ wir schon wieder. Unser Leben in dieser Schlagdichte macht uns erfolgreich. Es heißt, die Deutschen sind effektiv, die machen viel und leisten ne Menge. Dem stimme ich zu. Wir sind fleißig und immer am Machen. Ich komme aus dieser Welt. Ich kenne diese Welt. Ich habe jahrein und jahraus in ihr gelebt. Die Reise bis hierher hat uns mit jedem Meter Abstand von zu Hause gezeigt, dass die Uhren an anderen Orten anders ticken. Nicht langsamer. Nein, komplett verschieden zu dem, wie wir es kennen und gewohnt sind. Von Situation zu Situation haben wir eine Tüte davon als Lernaufgabe bekommen. Es war wie ein allmähliches Abtrainieren. Am Anfang wirklich mit Schmerz verbunden, merke ich nach und nach, wie wir uns einklinken in das Empfinden der Zeit wie es hier das Leben bestimmt. Jetzt sind wir auf diesem Hof. Seit genau 15 Tagen machen wir das. Unser Vorankommen hat Sendepause. Wir stehen. Das Getriebe ist inzwischen eingebaut, doch es gibt noch Schwierigkeiten an den scheinbar kleinen Details. Und so kommt ein Tag und er geht auch wieder. Das gleiche geschieht am Folgetag. Und dann an noch einem. Und so fort. Was zu Hause Minuten und Stunden sind, scheinen hier Tage und Wochen zu sein. Vielleicht hat hier die Uhr nicht zwölf Stunden sondern Tage? Es ist der Fluss der Dinge. Es geschieht immer etwas, doch die Unwegbarkeiten machen ein schnelles Vorankommen unmöglich. Und so beginnen wir anders zu ticken. Wir werden ruhiger, entspannter, gelassener. Wir wichten anders und bereuen nicht. Was geschah, sollte so sein. Und das was ist, ist gut. Ich glaube, dass unsere Tage hier auf dem Hof etwas in uns verändern. Wir kommen zu uns, ohne abgelenkt zu werden von Aktivität, Bespaßung und Tun im Außen. Wir sind mit uns selbst und kommen zu uns. Es sind bedeutende Tage. Vielleicht ohne die großen Bilder. Dafür mit Viel von dem unaussprechlichen Glück, welches im Innen wohnt.
Auf der Seidenstraße / Onto the Silk Road
24.04.2015 Kasachstan / Aktau / N43°46’12.6“ E051°05’26.2“
Aktau hält uns nach wie vor seine Hand offen und lässt uns an jedem Tag ein klein wenig tiefer eintauchen in das Gefühl dessen was hier ist und was einmal war. Wir bewegen uns tatsächlich auf der „Seidenstraße“, was ein erhabenes Gefühl in uns weckt. Aktau war wohl zwischen dem 5. und dem 14. Jahrhundert ein bedeutender Punkt auf einer der Routen der Seidenstraße. Es gibt ja nicht DIE eine Strecke, sondern es ist ein Geflecht aus Routen, die alle gemeinsam als „Seidenstraße“ tituliert werden. Man spricht auch von sogenannten „Schnellstraßen“, die als abkürzende Verbindungen gewählt wurden. So führte eine dieser Abkürzungen ÜBER das Kaspische Meer. Der Wasserspiegel war zu dieser Zeit um sieben Meter niedriger als heute und so konnten die Karawanen einen Weg durch das Kaspische Meer wählen. Aktau lag schon immer am Ufer des „Kaspi“ und hatte zu diesen Zeiten den Status einer bedeutenden Karawanenstadt. Hier traf man sich, um nach einer Verschnaufpause seinen Weg in den unterschiedlichsten Richtungen fortzusetzen. Heute hat man bei Aktau ein Tor errichtet, welches an die Zeit der Karawanen hier erinnern soll. Wir stehen davor und fühlen uns als kleiner Teil des Ganzen. Bis hierher haben wir es schon geschafft und immer wieder kreuzen wir auf unserer Reise die Wege der Seidenstraße. Das ist ein so ergreifendes Gefühl für mich und gibt den Menschen, die hier leben, ein Stück Identität. Die Seidenstraße spielt eine große Rolle im Bewusstsein der Gegend. Ich hatte es mir „verschütteter“ vorgestellt und freue mich nun umso mehr, wie wach dieser Teil der eigenen Geschichte hier gehalten wird.
Ich nehme es in Kasachstan sehr bewusst wahr, wie die Menschen nach der eigenen Identität suchen und wie sie sich auf ihre lange Vergangenheit beziehen. Sind wir in Aktau und laufen an den Bildern früherer Gelehrter des Landes vorbei, wie zum Beispiel dem Bild von „Kazybek Bee Kaldibekuly, der von 1667-1764 hier gelebt hat und ein bedeutender Richter, Dichter und auch Redner war, der sich sehr für Bildung eingesetzt hat, so bekommt das Alltagsmoment des Wohnhochhauses und seiner vorbei fahrenden Autos für mich gleich etwas sehr Tiefes. Die Oberfläche verschwindet und ich kann ein Stück der pulsierenden Basis wahrnehmen.
Die Menschen achten und wertschätzen den Teil, dem sie entspringen, sehr. Auf mich macht es den Eindruck von Stabilität und Halt auf dem Boden, auf dem sie leben. Ich mag die Flagge der Kasachen. Sie wurde von dem Maler Nijasbekow entworfen. Der auf mich so froh wirkende Türkisblaue Grund steht in seiner Symbolik für das sich entwickelnde Leben, Treue, Ehrlichkeit und Hoffnung. Das Türkis zeigt den wolkenlosen Himmel Kasachstans. Die Sonne dient als Zeichen der Ruhe und des Reichtums. Gehalten wird sie durch den Adler, der die gütige Seele und die Großzügigkeit des Steppenvolkes verkörpert. Der Adler spricht von Respekt und vom stolzen und unabhängigen Geist des multinationalen Landes Kasachstan. Das Webmuster an der linken Seite der Flagge erzählt von der Volkskunst des Webens. Seit 1992 gibt es diese Flagge und sie wird von den Menschen hier sehr geliebt. Eine ganze Weile war ich auf der Suche danach, wie man es hier nach der Unabhängigkeit angegangen ist, seine eigene Identität hervorzubringen. Wenn ich frage, bekomme ich zur Antwort, dass man noch immer danach sucht. Doch ich habe das Gefühl, dass die Menschen hier auf diesem Weg schon ein gutes Stück gegangen sind.
Und wir? Wir gönnen uns heute einfach mal einen Tag Wellness im neu erbauten „Nur Plaza Hotel“. Das Wetter ist nach wie vor so, dass wir lieber am Kamin als irgendwo anders sitzen wollen. Auf einen Mechaniker haben wir auch noch immer zu warten. Und so versüßen wir uns den Tag mit Sauna, Schwimmen und einer herrlichen Thailändischen Massage. Sozusagen als Vorgeschmack. Denn vielleicht schaffen wir es ja und kommen in diesem Jahr nach Thailand...
Lektionen des Leben / Lessons of Life
23.04.2015 Kasachstan / Aktau / N43°46’12.6“ E051°05’26.2“
„Am Ende ist alles gut. Wenn es noch nicht gut ist, ist es noch nicht das Ende“ sagt ein indisches Sprichwort. Ich schlage am Morgen meine Augen auf und klappe sie gleich wieder zu. Es fühlt sich nicht nach Aufbruch und Aktionismus an. Eher liegt etwas Abwartendes in der Luft. Ich mache erst einmal Frühstück. Auch Duschen will ich noch, bis es für längere Zeit nicht mehr möglich ist. Mit unserem eigenen Wasser gehen wir extrem sparsam um, da die Wasserqualität hier und auch in den Folgeländern alles andere als gut ist. So sparen wir an unserem Trinkwasser im Tank, wo wir nur können. Da steht ‚Duschen’ ziemlich weit hinten auf der Prioritätenliste. Sten läuft um den Leo herum und macht einen angestrengten Eindruck auf mich. Irgendwas ist mit ihm, doch er rückt nicht so recht raus mit der Sprache. So packe ich unsere Sachen zusammen, verschließe die Fächer, sichere alles was fallen kann und mache den Leo abfahrbereit. Eigentlich ist Sten draußen, um das Motorrad aufzuladen. Doch stattdessen kommt er, um mir zu sagen, dass noch ein letzter Check durchgeführt wird. Alles auf Stop. Zurück in die Halle mit dem Leo und gut. Dort angekommen dringt erst einmal nur Stille an mein Ohr, dann Worte wie „Problema“ und „Maslo“ (hier der Begriff für Butter und Öl). Wieder Stille. Dann unruhiges Gebrabbel.
Eine entspannte Atmosphäre klingt definitiv anders. „Das Getriebe verliert noch immer Öl“, sagt Sten. Hm, ich verstehe es nicht, doch habe ich es geahnt. EIGENTLICH hatten wir gestern Abend eine letzte Testfahrt gemacht und EIGENTLICH hieß es danach: „Alles bestens!“ Wie dem auch sei. Wir brauchen einen fitten Leo! Um nichts weiter kann es momentan gehen. Wir haben aufgehört, uns darüber Gedanken zu machen, wo wir jetzt schon sein könnten, was der eigentliche Plan war. Das macht uns nur unruhig und hilft kein Stück weiter. Vielmehr habe ich das Gefühl, dass wir hier begreifen, wie unplanbar das Leben ist und dass es allein darum geht, sich darauf einzulassen. Alle Hektik, jedes „schnell, schnell“ ist hier fehl am Platze und führt zu nichts weiter als innerem Druck. Doch helfen tut der am allerwenigsten. Gedanken wie: „Es ist höherer Wille.“ und „Wer weiß wofür es gut ist.“ bringen uns an dieser Stelle eher weiter. Wir lassen es geschehen und müssen lachen, wenn wir darüber sprechen, dass ein Spezialist kommen wird. Den ganzen Tag ist keine Spur von ihm zu sehen. Spät abends dann, es ist schon dunkel, erscheint er plötzlich und wie aus heiterem Himmel. Es wird wieder geschraubt, Öl gewechselt, die Pumpe entlüftet, geschaut, dass die Pumpe nun auch stabil läuft. Erneute Probefahrt um Mitternacht. Vielleicht ist das Thema mit der Pumpe jetzt geklärt. Dass mit der leckenden Stelle ist nach wie vor offen. Noch sind wir nicht startbereit. Noch sind wir auf dem Hof. Doch eines ist uns klar. Das hier sind für uns Lektionen des Lebens.
Startvorbereitung/ Start preparation
22.04.2015 Kasachstan / Aktau / N43°46’12.6“ E051°05’26.2“
Wieder in den Tritt kommen, wieder den Rhythmus der Piste aufnehmen. Fahren, um zu sehen, was hinter der nächsten Kurve los ist. Morgen wollen wir die ‚Zelte abbrechen’ und unseren Weg gen Osten fortsetzen.
Es ist kalt und windig heute. Da hilft nur Bewegung, um sich warm zu halten. Die haben wir. Denn es ist noch Einiges zu tun am Leo... Den eingelaufenen Aufnahme Flunsch der Kardanwelle plandrehen lassen, alle Schrauben nachziehen, die 27 Schmiernippel fetten, das Fahrerhaus kippen, um zu sehen, wie es darunter aussieht. Den Leo komplett abspritzen, um ihn von all dem Salz zu befreien, welches hier mit dem Wind an jede Schraube getragen wird, und, und, und. Es ist wie ein Abschied auf Raten. Stück für Stück. Wir haben uns eingelebt. Gehören hier dazu. Zumindest sehen es die Hunde auf dem Hof so. Sie akzeptieren uns inzwischen vollkommen als Teil des Ganzen. Und da ist es wieder, dieses „...heiter Raum um Raum durchstreifen. An keinem wie an einer Heimat hängen...“ Zeit zu gehen. Zeit, uns wieder auf das Leben da draußen einzulassen.
Wir sind nun vier Monate lang unterwegs und doch ist jede Abfahrt auch ein Sprung. Immer wieder.
Der Segen / The Blessing
21.04.2015 Kasachstan / Aktau / N43°46’12.6“ E051°05’26.2“
Wir atmen durch und galoppieren los. Die Gebundenheit unserer Beine in den letzten Tagen hat sich gelöst. Die „Stricke“ liegen lose am Boden. Wir setzen wieder einen Schritt vor den nächsten. In den vergangenen Tagen haben wir es genossen ein Teil des Alltagslebens hier zu sein. Wir konnten unsere Nasen in ganz andere Ecken stecken und sehen es als ein Geschenk an, auf diese Weise viel tiefer und auf andere Art einzutauchen. Wir wurden hin und her gespült und haben uns treiben lassen. Dieses Lebensgefühl nehme ich als Proviant mit auf unseren weiteren Weg. Den Druck raus nehmen, wahrnehmen was der Augenblick mir zeigt, nicht zu viel wollen, mehr geschehen lassen. Das ist der Pfad, den ich gewählt habe an der letzten Weggabelung der Möglichkeiten. Ich merke, dass es mir damit gut geht und Kräfte spart. Hier. Unterwegs. Auf geht es nach Aktau. Und das wieder im eigenen Leo. So ein gutes Gefühl! Wir drei sind wieder gemeinsam auf Achse. Aktau lacht uns heute zu. Die Sonne scheint und alle Erledigungen gelingen gleich beim ersten Anlauf. Die Geldautomaten sprechen mit uns, Western Union arbeitet heute, an der Tankstelle gibt es Diesel, die Propangasflasche lässt sich vollkommen unkompliziert auffüllen, die Marktfrauen sind freundlich und lachen sogar. Liegt es am Sonnenschein? Liegt es an uns? Ist auch egal. Schön ist, wie es ist. Wir haben zwei Propangasflaschen mit jeweils 11 Kilogramm an Bord. Das sind pro Kilogramm zwei Liter Gas. Mit dem Gas heizen wir im Leo und kochen. Da es in den letzten Monaten oft kalt war, hatten wir die Heizung fast täglich an und haben uns immer mal gefragt, was wohl der Füllstand unserer Gasflasche sagt. Doch der hat tapfer mitgespielt. Hier in Kasachstan fahren sehr viele Autos mit Propangas. Es gibt ganz eigene Tankstellen dafür. Unsere Gelegenheit zu testen, wie es mit dem Nachfüllen unserer Flasche gelingt. Sten holt sie heraus und wir stellen fest, dass sie quasi leer ist. Unser Bauchgefühl hat funktioniert. Genau der richtige Moment um nachzutanken. Der Mann an der Gastankstelle holt ganz selbstverständlich seinen Adapter aus der Tasche, steckt ihn auf. Er passt auf Anhieb und wir können unser gesamtes Adapterset einfach wieder weg packen. Ehe wir uns versehen ist die Flasche voll. Das Ganze kostet uns knappe drei Euro. Was für eine gute Sache! Vier Monate hat die Flasche ausgereicht und uns Wärme gegeben, ohne dass wir knauserig waren und gespart hätten. Und das alles für drei Euro. Irgendwie toll.
Im Basar kennen wir uns bestens aus. Waren wir doch mit Bibinur und Janathan hier. Heute nun schlendern wir ganz für uns durch die Reihen, um unsere Vorräte aufzufüllen, die seit Deutschland doch merklich geschrumpft sind. Und das, obwohl wir überall die einheimische Kost bevorzugen. Ich finde es erstaunlich, welche Mengen wir Menschen offensichtlich über die Zeit vertilgen. Alles erledigt! Auf zur großen Testfahrt. Achtzig Kilometer Strecke legen wir zurück und denken am Ende dass alles gut läuft. Ich merke selbst, wie verhalten ich noch bin. Doch das gute Gefühl braucht jetzt erst einmal wieder eine Menge stabil gefahrener Kilometer. Das ist nun mal so. Da können wir auch nicht über unsere Schatten springen. Denn Sten schaut mit dem gleichen Blick zu mir herüber. Manchmal passen die Dinge einfach zusammen. Kaum stehen wir auf dem Hof, kommt Marijam aus dem benachbarten Dorf zu uns, um eine „Adraspan Alastau“ - Zeremonie im, um und unter dem Leo durchzuführen. Einmal pro Monat kommt Marijam zur Werkstatt und reinigt alle Räume, Werkstätten und Fahrzeuge mit dem Qualm der schwelenden Hölzer in ihrer Pfanne. Ganz konzentriert ist ihr Gesicht, als sie zu uns in den Leo steigt. Sie spricht Gebete vor sich hin und schwenkt die Pfanne ausladend, so dass der Raum vom Geruch des Holzes erfüllt ist. Unter dem Leo macht sie sich lange zu schaffen, keinen Reifen lässt sie aus. Als sie geht, fühlen wir uns gut. Janathan sagt, sie hilft, den Gedankenfluss zu wechseln. Frische Energie hält Einzug und lässt Neues entstehen. Genau das ist es. Es zieht mich in seinen Bann. Dieser scheinbare Gegensatz von rationalem Tun der Männer hier in der Werkstatt und das Stützen auf die Kraft dieser Frau, die für alle Hoffnung und Zuversicht verkörpert. Demut und Ehrfurcht vor dem Leben. Inne halten und Respekt zollend, damit das Sein gelingen kann. Ich bin angetan von Janathans Philosophie, der Marijam bittet zu kommen, wenn etwas Kompliziertes ansteht oder wie in unserem Fall die Weiterfahrt des guten Segens bedarf. Die Herzen schlagen mehr und mehr zusammen, wenn wir Gemeinsames erleben. So geht es uns auch hier auf dem Werkstatthof. Mit jedem haben wir unsere kleine Geschichte erlebt. Zum Dank dafür ist es uns ein großes Bedürfnis Janathan und Bibinur heute Abend zum Essen einzuladen. Fisch roh, Fisch geräuchert, Fisch gebraten. Dazwischen ein paar kleine Happen Lamm. Umspülen lassen wir all die Köstlichkeiten von leckerstem Chianti Classico Wein. Heute genau vor einem Jahr waren wir dort und haben uns durch die Weingüter der Toskana gekostet. Welch schönes aufeinander Treffen der Ereignisse, dem Wein heute hier in Kasachstan wieder zu begegnen. Mit Janathan und Bibinur ist es ein Abend wie unter lang bekannten Freunden. Wir fließen von Thema zu Thema und Bibinur ist erstaunt über die Ähnlichkeit der Gedankengänge. Obwohl unsere Welten scheinbar durch eine so große Weite voneinander getrennt sind. Wir stoßen lachend und innerlich berührt miteinander an, auf den herrlichen Zufall, der uns zusammen geführt hat. Es sollte so sein. Danke, Leben!
Der leise Tag / The quiet day
20.04.2015 Kasachstan / Aktau / N43°46’12.6“ E051°05’26.2“
Wolkenverhangener Himmel. Ein kühler Wind bläst. Kein Hund will heute vor die Tür. Es gibt diese Tage, an denen ein gutes Buch gerade recht ist. Ein warmer Tee. Ein Stück Kuchen dazu. Heute ist einer davon. Der Leo wird in die Halle gefahren und Stunde um Stunde liegen die Männer darunter, um das Getriebe anzuschrauben, Öl aufzufüllen, die Kardanwelle zu befestigen. Wir sind dabei und sind vor lauter Daumen drücken zu kaum etwas anderem fähig. Ich lenke mich ab, indem ich mir wieder einmal geeignete Trucks suche, zwischen denen ich die Leine zum Trocknen der Wäsche aufspanne. Ich habe meinen Spaß daran zu sehen, wie die Klamotten schon fast wieder bereit zum abnehmen sind, als gerade das letzte Stück die Leine erreicht hat. So stark bläst der Wind. Ein Naturpeeling gibt es gratis obenauf, denn ne Menge Sand ist mit unterwegs und wirbelt durch die Luft. Und sonst so? Ich sitze im Leo. Ich lese. Ich schreibe. Ich koche. Doch das was sich hier am meisten dreht ist die Heizung. Auch mal schön, so eine Zeit in der es nichts weiter zu tun gibt als darauf zu hoffen, dass alle Teile passen und irgendwie Licht am Ende des Tunnels zu sehen ist. Zwölf Tage ist es nun her, als der Leo mit einem Ruck beschloss, nicht mehr weiter zu fahren... 18 Uhr. Es ist soweit. Wir starten den Motor, verlassen die dunkle Halle und fahren los. TESTFAHRT. Fast kommt es uns vor als seien dies die ersten Kilometer, die wir überhaupt mit dem Leo zurücklegen. Es fällt uns schwer dem Frieden zu trauen. Wir tasten uns langsam vorwärts. Erst einmal Straße. OK. Alles klingt ruhig und läuft flüssig. Dann ab auf die Piste. Funktioniert der Allrad? Lässt sich die Untersetzung zuschalten? Wir lauschen und probieren und hören auf die leisesten Geräusche, die der Leo so von sich gibt. Alles macht einen guten Eindruck auf uns und wir entspannen allmählich. Unser Resümee: Probefahrt Nummer 1 bestanden! Was für ein gewaltiger Schritt! Mit fröhlichen Gesichtern kommen wir zurück auf den Hof und unsere Gelöstheit steckt an. Wir lachen und scherzen miteinander und ich merke, welche Anspannung trotz aller Ruhe und Gelassenheit in den letzten Tagen auf uns lag.
Zwischen Kamel- und Pferde-Milch / Between camel- and hors-milk
Zwischen Kamel- und Pferde-Milch / Between camel- and hors-milk
19.04.2015 Kasachstan / Aktau / N43°46’12.6“ E051°05’26.2“
Die Getriebeteile sind da! Gut verschnürt überraschen uns die Pakete am Morgen als wir die Leo-Tür aufmachen und die Teile davor liegen sehen. Janathan kam offensichtlich in der Nacht zurück, hat seine Beute abgelegt und schläft nun erst einmal. Die Männer öffnen die Päckchen und machen sich sofort ans Werk, als der Getriebespezialist erscheint. Detail für Detail fügt sich zusammen und wir können nur Daumen drückend daneben stehen. Das macht nun aber auch nicht den ganzen Tag Sinn. So hoffen wir das Beste und lassen uns erst einmal von Bibinur ablenken. Sie kommt, um mit uns im Basar einkaufen zu fahren. Unser Silk-Route-Cooking Projekt will ja weiter gehen! Die Baumarkt-Abteilung des Basars kennen wir schon. Heute stehen wir vor den Lebensmittel Hallen. Kunterbunt sind sie aufgetürmt, die frischen Früchte des Frühlings, oder auch weit gereiste Sorten, die den Sommer zum Reifen brauchen. Daneben so besondere Delikatessen, wie getrocknete Kamelmilch, die man in Kasachstan als Kraftnahrung zwischendurch isst. Wir probieren von allem was uns unbekannt erscheint. Manches finden wir lecker, bei anderem schüttelt sich unser ganzer Körper. Wenn wir zum Beispiel eine weiße Kugel in den Mund schieben, die aussieht wie ein Marshmallow, und sich dann als irgendeine streng vergorene Masse herausstellt. Wir haben unseren Spaß und ziehen von Stand zu Stand. Mal von ernsten Blicken begleitet, mal von lachenden Gesichtern verwöhnt. Unsere eigenen Gesichtszüge ziehen sich beim Probieren von „Pferdemilch“ extrem zusammen. Kein Muskel scheint mehr entspannt, so beißend schleicht der Geschmack vom Mund unsere Kehlen hinunter. Erlösung finden wir, als uns die nächste Kostprobe der „Kamelmilch“ dagegen fast wie ein leichter Shake vorkommt. Janathan schwört auf die Energie, die ihm die Pferdemilch gibt und trinkt mit zusammen gezogenen Augen gleich noch einen Becher. Bibinur und ich halten uns lieber an die Kamelmilch und daran fest, wie gut diese der Haut tut. So viel für die Gesundheit getan. Ich fühle mich frisch und fit! Aus der bunten Obst-Gemüse-Käse Abteilung schlendern wir weiter zum Fleisch. Uff. Das ist nenne ich einen Kontrast! Fleischbatzen, Fettberge, Innereienhaufen, Zungenbündel soweit ich sehen kann. Und ehrlich, so etwas habe ich noch nie gesehen. Fleisch, Fleisch, Fleisch, bis zum Horizont. Zwischen „super interessant“ und „zu viel des Guten“ pendeln meine Gedanken hin und her. Mein Magen verhält sich zum Glück ruhig und so staune ich einfach vor mich hin.
Unser Korb ist voll und wir haben alle Zutaten zusammen, die wir zum Kochen brauchen. Drei Gänge, hat sich Bibinur ausgedacht, soll es geben. Der Nachmittag steht ganz im Zeichen des Teig Knetens. Teig kneten für das Brot, welches wir backen. Teig kneten für die gefüllten Taschen, die durch den Dampfgarer ihren Geschmack entfalten. Teig kneten für den Kuchen, den es als Nachtisch geben wird. Dazwischen springen alle drei Kinder munter umher und überraschen immer einmal wieder mit einem schwarzen Gesicht, dicken Tränen, einer Komplettverkleidung oder einem gemalten Bild. Lustig, turbulent und in jeder Sekunde neu geht es zu, in der 200 qm großen Wohnung mit Blick auf das Kaspische Meer. Wir schlemmen uns durch den Tag und probieren weiter, was uns vor die Nasen gestellt wird. Fast trauen wir uns nur zu flüstern, als wir vom Stör kosten. Geräuchert und gefroren. Zubereitet wie ein Rind-Carpaccio, wird das Störfleisch in dünne Scheiben geschnitten. Wir essen es zusammen mit einem Sahnedipp und dem frisch gebackenem Brot. Die Konsistenz ist fest. Und ich bin mir fast nicht sicher, ob ich gerade Fisch oder Fleisch im Mund habe. Es ist wie eine Mischung aus beidem. Nun, es ist ja auch ein Fisch mit Knochen. Einzigartig, was die Welt hervor bringt! Die Sonne verabschiedet sich mit ihrem warmen, gelben Licht und mit Einbruch der Dunkelheit kommen wir alle zusammen, um gemeinsam zu essen. Wie anders die gedeckten Tische immer wieder aussehen, an denen wir Platz nehmen. Ich bin verzückt von der Vielfalt und Eigenständigkeit der unterschiedlichen Weisen zu kochen und liebe es, eine Spur davon mit uns ziehen zu lassen. Das Rühren und Schneiden und Kosten und Erklären erzeugt Nähe und bringt so viel Persönliches zum Vorschein. Ich bade in diesem Gefühl des gemeinsamen Erlebens und weiß nicht wohin mit meiner Freude, als wir alle gemeinsam essen, was im stundenlangen Zubereiten von Bibinur gezaubert wurde.
Der Stör / The sturgeon
18.04.2015 Kasachstan / Aktau / N43°46’12.6“ E051°05’26.2“
Es ist nun erst einmal still geworden um Janathan. Kein Bild, keine Nachricht ob es mit dem Transport der Getriebeteile voran geht. Wir werten es als ein gutes Zeichen und schwingen uns auf in das Wochenende. Die Wochen haben für uns schon seit einiger Zeit ihren starren Rhythmus verloren. Es spielt hier einfach nicht die große Rolle, welcher Wochentag gerade ist. Denke ich an zu hause, weiß ich, wie verbunden ich dort mit den Wochentagen bin. Jeder Tag hat da sein ganz eigenes Gefühl. Jeder Mittwoch ist wie ein kleines Bergfest, jeder Freitag Abend eine große Freude. Mir ist klar, warum wir in diesem Takt schwingen, zwischen Woche und Wochenende. Und doch kommt es mir, von hier aus betrachtet, so starr und eng vor, als bedürfe diese Schrittfolge einer Befreiung, mehr Flexibilität und Spontanität. Tagträume? Vielleicht. Doch so sehr ich noch vor Wochen der Ansicht war, dass uns der Rhythmus unserer Alltagsaufgaben Halt und Struktur gibt, empfinde ich es nun als Entspannung, aus diesem Wagen der vorgegebenen Bahnen einmal auszusteigen und zu erleben, was mit mir geschieht, wenn allein der Tag mit seinem Licht und der Dunkelheit, mit Kälte am Morgen und Wärme am Nachmittag, mit Sonne und Regen die Taktzahl gibt.
So ist also heute Sonnabend, laut unseres Abreißkalenders und IPhones, und wir sagen im Spaß zu uns „Endlich Wochenende!“.
Nachdem unser Motorrad gestern gut geklungen hat, auf unserer Fahrt zum Meer, machen wir uns heute damit auf nach Aktau. Den Seitenwind beim Fahren im Leo zu spüren und den gleichen hier auf dem Motorrad, ist eine komplett andere Nummer. Wir halten uns gut, doch der Wind bläst gewaltig. Es macht Spaß, so durch die Gegend zu rollen. Wir sind an allem näher und direkter dran und doch ist auch ein Teil in mir froh, als ich nach den zwanzig Kilometern absteige und langsam wieder Gefühl in meine vom Wind ausgekühlten Knie bekomme. Bibinur, die Frau Janathans, erwartet uns mit ihren drei Kindern auf einem Parkplatz. Gemeinsam fahren wir zur Tiefgarage der Wohnanlage in der sie leben, um das Motorrad sicher abzustellen. Echt abenteuerlich, so eine Abfahrt in eine komplett dunkle und verschachtelte Tiefgarage. Die Durchfahrten sind so schmal, dass selbst das geradeaus Fahren eines vor und zurück Rangierens bedarf.
Vielleicht ging es bei der Stärke der Mauern mehr um die Statik für das Gebäude, welches obenauf steht und weniger darum, dass hier unten Autos fahren können? Ich bin in jedem Falle froh, als ich wieder Tageslicht sehe. Wir fahren gemeinsam zu den Stören. Vor Tagen haben wir gehört, dass es in einem Hotel ein großes Becken gibt, in dem Störe schwimmen. Wir haben diese Urzeit-Knochenfische noch nie gesehen und sind sehr gespannt. Sechs Stockwerke geht es mit dem Aufzug nach unten, bevor wir einen Raum betreten, dessen Boden ein komplettes Wasserbecken ist. Wir stehen auf dem Glasboden und unter uns tummeln sich die Fische. Bis zu zwei Meter lang können sie werden und steinalt. Es gibt Exemplare, die 120 Jahre auf ihrer Rückenflosse tragen. Die „Russischen Störe“ die im Kaspischen Meer leben sind vom Aussterben bedroht und stehen deshalb auf der „Roten Liste“ der gefährdeten Arten. Um so gebannter stehe ich da und merke, dass ich gerade etwas sehr Besonderes sehe. Die Szenerie bekommt etwas entrückt Befremdliches durch den edel eingedeckten Tisch, der getragen wird vom Glas des Basins. Also sitzen und dinieren in Mitten der Fische aus der Jura-Zeit. Das Bild hat etwas von einer Zarengeschichte. Von den Stören geht es weiter zu den Pferden. Reiten ist in Kasachstan ein Kinderspiel und gehört dazu, fast wie Laufen lernen. Bibinur galoppiert über die Koppel. Vor meinen Augen verschwimmt das Bild und ich sehe Bibinur durch die weite kasachische Steppe reiten. Ihre Kinder stehen am Zaum und staunen, was Mama da macht. Ob die nächste Generation das Reiten auch im Blut hat? Es wird sich zeigen. Zurück geht es durch den Wind in unser Heim, dem Leo. Uns ist wohlig zu Mute. Und so haben wir spontan die Idee, an diesem schönen Sonnabend mit Familienanschluss, unseren Backofen zu testen und darin unsere erste Pizza zu backen. Der leckere Geruch kreist um den Leo und steigt wohl auch Juri in die Nase. Er kommt aus der Ukraine und uns heute Abend besuchen. Drei Monate lang arbeitet er jeweils hier, dann geht es für einen Monat nach Hause, zu seiner Frau und Kind. Es ist ein gemütlicher Abend und ich staune, wie gut unsere Verständigung klappt, in dem Gewirr aus Russisch, Englisch, Zeichensprache und vollem Körpereinsatz.
Spritztour / Motorcycle tour
17.04.2015 Kasachstan / Aktau / N43°46’12.6“ E051°05’26.2“
Wir sitzen in der Schaltzentrale. Janathan ist vergangene Nacht um zwei Uhr nach Istanbul geflogen und sendet nun fast minütlich Bilder vom Fortgang des Geschehens bei ihm. Bilder vom Hotel, in welchem er übernachtet hat. Bilder von seinem leckeren türkischen Frühstück. Bilder von der sonnigen Fahrt in den Süden der Türkei nach Ismir. Bilder von der Einfahrt in die Stadt. Und nun ist er angekommen. Die nächsten Bilder zeigen Getriebe in einer Auslage. Wir kommen der Sache also näher. Und da. Jetzt kommt ein Bild von „unserem“ Getriebe. Von allen Seiten lichtet Janathan es für uns ab. Wir fragen nach seinem Eindruck. Er sendet ein Bild mit erhobenem Daumen. Körpersprache scheint auch über hunderte von Kilometern hinweg zu funktionieren. Das Getriebe wird geöffnet. Es sieht gut aus von innen. Die Ölpumpe wird überprüft. Hiervon sehen wir sogar ein kleines Filmchen. Lückenlose Dokumentation! Nach der Begutachtung aller Teile werden sie einzeln verpackt und verstaut. Auch davon gibt es Bilder, die sich mit einem glockenhellen Ton bei uns im Leo ankündigen. Die nächsten Bilder künden von der getanen Arbeit und zeigen Janathan beim Stadtbummel, der in einer Kneipe seinen Höhepunkt findet. Wir prosten ihm per Foto zu und hoffen, dass unser Trinkspruch hilft, die Teile gut hierher zu uns zu befördern. Doch das ist morgen dran. Heute ist das Tagwerk vollbracht. Für uns der Moment eine Spritztour mit dem Motorrad zu starten. Sten hat die Gunst der Stunde genutzt und das Motorrad gründlich überholt. Es hat ja alles andere als ein leichtes Leben, hinten an der Rückseite vom Leo. Vollkommen verdreckt wie es war, haben wir es mit der Seilwinde herunter geholt. Echt mitleiderregend sah es aus. Nun steht es funkelnd vor uns! Helme auf, Handschuhe an und los geht es mit unserer Fahrt. Hupend verlassen wir den Hof, auf dem wir uns inzwischen richtig heimisch fühlen. Zwei Wochen leben die Arbeiter hier pro Schicht. Tag und Nacht. Dann ist Wechsel zur nächsten Schicht. OK. Sind wir also Teil der aktuellen Mannschaft.
Die Piste zum Meer fährt sich gut. Wenn da nicht die vier absolut scharfen Hunde wären, die alles andere als freundlich im wildesten Sprint, laut bellend, neben und hinter uns her rennen. Wir wurden schon mehrfach vor ihnen gewarnt. Doch das hilft uns gerade wenig. Wir können nur Gas geben und hoffen, dass wir sie abschütteln, bevor sie meine Wade zu greifen bekommen.
Ich mache meinem inneren Stress Luft, indem ich die ganze Zeit „schneller, schneller“ rufe. Uff, geschafft. Sie haben aufgegeben. Entspannt fahren wir die letzten Meter zum Kaspischen Meer und staunen, dass es hier wieder vollkommen anders aussieht, als in „Nur“ in Iran, an der Steilküste nahe der turkmenischen Grenze, an dem breiten flachen Stück, an dem wir unseren Strandtag verlebten, oder an den wilden Stellen, wenn man am Ufer in Aktau steht. Eine so vielfältige Küste, die tatsächlich an jeder Stelle wie ein Meer wirkt. Vom Eindruck eines Sees, keine Spur. Wir finden diesen Ort wunderschön und können nicht verstehen, warum wir an Müllsäcken und verstreutem Müll vorbei fahren müssen, als wir uns von der Meerseite her dem nächsten Dorf nähern. Ein Leben am Wasser. Was gibt es Schöneres? Ich wundere mich. Mit unserem Bike durchs Dorf fahren. Das hat so was von einem lang vergangenen Gefühl. Die Jungs des Dorfes grüßen uns und die Männer werfen fachmännische Blicke herüber. Wir kurven über die Sandhügelpisten, die sich hier Straßen nennen und finden es herrlich. Noch kurz am „Magazin“ anhalten und ein paar Pelmeni für das Abendessen kaufen und ne Ladung Eistüten für die Hofbesatzung. Damit schindet Sten Eindruck. Besonders bei den Frauen im Büro. Ich glaube, so eine Überraschung gibt es hier nicht alle Tage.
Die kleinen Dinge / The small things
16.04.2015 Kasachstan / Aktau / N43°46’12.6“ E051°05’26.2“
Es tropft wieder. Vielleicht nenne ich es noch nicht „im Fluss“, doch Hoffnung strömt. Heute Morgen treffen alle Drei wieder aufeinander, um ihre Köpfe zusammen zu stecken. Als Janathan, Sten und Alpamys nach zwei Stunden mit entspannten Gesichtern vor die Tür treten, geht es auch mir gleich besser. Was nun? Janathan hat Flugtickets für heute Nacht gebucht, um mit einem Begleiter in die Türkei zu fliegen. Dort gibt es eine Verbindung für Janathan, über die er an Getriebeteile gelangen kann. Die Fotos sehen erst einmal vielversprechend aus. Was das am Ende heißt, wissen wir nicht. Doch es ist der einzig mögliche nächste Schritt, die Teile mit eigenen Augen zu sehen. Wir wollen gern mitfliegen. Doch es gibt nur noch zwei Tickets. Das sind dann für vier Personen einfach mal zwei zu wenig. So überlassen wir dem Fachmann das Feld und ziehen uns auf die Auswechselbank zurück. Am Sonntag plant Janathan zurück zu kommen. Doch da hier wirklich jeder ausschließlich im Augenblick lebt, ist das erst einmal nur ein wage Vermutung. „Im Augenblick leben.“ In unserer Welt ein hehres Ziel, hier die einzige Möglichkeit. Denn in jeder weiteren Sekunde kann alles schon wieder vollkommen verändert sein. Mir ist klar, dass das überall so ist, doch nehme ich hier den Gang der Dinge als wesentlich sprunghafter wahr und auf irgendeine Art unklarer. Verabredungen und Absprachen scheinen erst beim dritten nachdrücklichen darauf Eingehen verbindlich zu sein. Es steckt in der Kultur und im Wesen der Menschen. Das wird deutlich. Woher es rührt, kann ich schwerlich sagen. Vielleicht hat es mit der Größe des Landes, dem Ursprung als Nomaden, den Unwegbarkeiten und Hindernissen zu tun, die eine Sache, ein Thema, eine Person erst dann in das Zentrum der Aufmerksamkeit rücken, wenn sie DIREKT vor einem steht. Um uns trotz Auswechselbank im Training zu halten, nehmen wir uns des nächsten Themas an. Wir wollen schauen wie es geht, über Western Union unsere Handkasse ein klein wenig aufzufrischen. Bisher haben wir nur davon gehört, nun wollen wir dem Ganzen auf den Zahn fühlen. Und das sieht in Aktau wie folgt aus. An jeder noch so kleinen Bankfiliale findet sich das gelb-schwarze Schild mit dem Western Union Schriftzug. Also setzt uns Janathan an einem Einkaufszentrum ab und wir gehen mit Alpamys zur Bank. Wird nicht lange dauern.
Zwei Personen sind vor uns an der Reihe. Na das geht doch. In dem kleinen Kassenhäuschen macht es auch einen zügigen Eindruck bis zu dem Moment, als die Dame auf der anderen Seite uns mitteilt, dass sie uns das Geld nur in der kasachischen Währung „Tenge“ auszahlen kann. Das ist ja aber mal so gar nicht das, was wir wollen. Dazu können wir ja, zumindest hier in Kasachstan, an den Automaten gehen. Hat sie eine Idee bei welcher Bank es klappen kann mit Dollar oder Euro? Nein, hat sie nicht. Uns bleibt nur der Versuch. Immer wieder betreten wir zuversichtlich eine Bankfiliale, warten ab, bis sich jemand zeigt, der sich fragen lässt. Hören dann, dass Western Union entweder momentan nicht funktioniert oder wenn, dass nur in „Tenge“ ausgezahlt wird. Wieso ist das so? Janathan erklärt es uns später. Am 26. April finden in Kasachstan Präsidentenwahlen statt. Und da keiner weiß was danach ist, hält jeder alles in den Taschen, was er nur halten kann. Und dazu gehört, dass keine Dollar oder Euro ausgezahlt werden. Bei der siebten Bank sind wir erfolgreich! Hier wird uns nur ein kleiner Restanteil in „Tenge“ ausgezahlt. Ein gutes Geschäft für die Bank immer noch, wie wir meinen. Schön, dann ist uns das Geld für unsere Butterbrote in Usbekistan gesichert. Denn dort gibt’s definitiv keine Geldautomaten. Wir fühlen uns, als hätten wir einen großen Sieg errungen. Genial, wie die kleinen Dinge, die wir normaler Weise so nebenher erledigen, hier zu einem glatten Endorphin Ausstoß führen.
Zurück geht’s mit Janathan zur Werkstatt, die zwanzig Kilometer außerhalb von Aktau liegt. Vorbei an dem Koskar-Ata See, der uns jedes Mal ein unwohles Gefühl in der Magengegend beschert. Die Rückstände des Uran Abbaus, Tailings genannt, werden in dem Schlammsee gehalten. Wohl eine weltweit übliche, jedoch genau so umstrittene Methode. Grundwasser gibt es hier nicht, wie uns Janathan versichert, in welches die Stoffe wandern könnten. Das Wasser der Stadt kommt aus Entsalzungsanlagen des Kaspischen Meeres und aus der Wolga. Hier ist es eher die Gefahr durch den Staub. Der See trocknet mehr und mehr aus und so werden die Partikel bei Sturm in die Stadt Aktau getragen.
Da bin ich geradezu froh, dass es Regen gab in den letzten Tagen.
Der Tag trägt Rosa / The day is Pink
15.04.2015 Kasachstan / Aktau / N43°46’12.6“ E051°05’26.2“
Alles ist für uns gerade reduziert. Reduziert und fokussiert auf eine Frage. Und die lautet. Wie geht es weiter mit unserem Getriebe? Die Worte schweben im Raum, schwingen überall mit, doch mit den Antworten sieht es heute dürftig aus. Irgendwo ist da so ein Stopfen drin, der dazu führt, dass im Moment nichts fließt. Es ist mehr so ein zäher Brei, eine klebrige Masse, in der wir hüfthoch stehen und nur unter aufbringen all unserer Kraft vorwärts gelangen. Doch so wird das nichts. Das ist uns klar. Janathan läuft mit ernstem Gesicht über den Hof. Sprechen wir ihn an, heißt seine Antwort, ‚ich warte auf die Bilder vom Getriebe aus der Türkei’. Wir haben unsere Aktivitäten aus Deutschland erst einmal ruhen lassen, da ein Drehen an zu vielen Schrauben am Ende auch nichts bewirkt. Gestern Abend, in unserem stundenlangen Gespräch mit Janathan und Alpamys, unserem deutsch sprechenden Helfer, haben wir uns auf das Vorgehen verständigt, EINER Spur zu folgen. Bleibt offen, ob es die richtige Entscheidung ist. Heute, da sich alles so wattig anfühlt und eigenwillig still daher kommt, sind wir uns da nicht sicher. Doch vielleicht, vielleicht ist es einfach ein neues Kapitel, welches wir aufschlagen? Die Überschrift in großen Lettern lautet „GEDULD“ und darunter steht „Manchmal geht es nur darum abzuwarten“. Auch wenn wir meinen, im Buch der Ruhe und Geduld schon eine ganze Weile herumzublättern, steht doch fest, darüber zu lesen ist etwas anderes, als es zu durchleben. Ich finde, unsere Reise wird immer spannender. Weil mir scheint, dass es genau um diese Lektionen geht, die uns das Leben gerade auf dem Silbertablett serviert. Im Machen und Agieren und Bewegen sind wir gut trainiert. Doch alles hat eine zweite Seite als Ausgleich und Balance. Und die hat jetzt Saison.
So gönne ich mir, das ganze Geratter in mir wahr zu nehmen und es als gute Erfahrung zu erleben.
Die Sonne scheint. Ich reiße alle Fester und Türen vom Leo auf. Durchzug in der Hütte. Der Regen der letzten Tage hat eine schwere Feuchte zurück gelassen. Wie herrlich, diese nun dem Wind zu übergeben. Und nebenbei bestimmt sehr amüsant für die Männer aus der Werkstatt. Zu sehen, wie ich zwischen den LKWs unsere Wäsche zum Trocknen aufhänge. Denn hier gibt’s ne Waschmaschine. Welcher Luxus! Am Nachmittag macht sich in uns die Gewissheit breit, dass unsere reine Präsenz hier gerade keine Punkte und keine Lösung bringt, da einfach niemand hier ist, der davon Notiz nehmen könnte. Also auf ins Abenteuer.
Das scheint wenig spektakulär, doch für uns ist es die reine Freude. Außerhalb des Werkstatthofes stehen wir quasi sofort in der Wüste. Weit, weit vorn die Kuppeln eines Friedhofes, der aus der Ferne einer Stadt aus Palästen gleicht. Jedes Grab ist ein eigenes Schmuckstück. Und Heerscharen an Steinmetzen sind damit beschäftigt, die großen Tuffsteinblöcke zu bearbeiten. Auf dem Weg durch den Sand dorthin begegnen uns Kamele und Pferde. Es ist hier ein gängiges Bild, doch für mich immer wieder ein besonders schöner Anblick. Die Tiere vollkommen frei umherlaufen und springen zu sehen. Das ist für mich das „Kasachstan Gefühl“. Nach dem Friedhof nähern wir uns dem Dorf und können nur schmunzeln, über das politische Werbeplakat, welches so einzigartig platziert ist. Der Hintergrund des Plakates, vollkommene Urbanität. Im Kontrast dazu hier im Dorf der Sand, der durch die Gegend wirbelt und alle Entfaltungsmöglichkeiten hat. Ich muss mich nicht lange fragen, für welche Variante mein Herz gerade schlägt. Ich fühle mich wohl in dieser Kargheit.
Vertraute Töne hallen vom Sportplatz der Schule zu mir herüber. Das Rufen und Schreien der Jungs beim Fußball spielen klingt scheinbar überall auf der Welt gleich. Es freut mich und versetzt mich kurz in eine andere Zeit zurück. Genau so geht es mir, als ich die Mütter vor dem Kindergarten stehen sehe, um ihre Kinder abzuholen. Alltagshandlungen, die von viel Nähe erzählen, wenn ich die Mütter beobachte, wie sie mit ihren Kindern an der Hand davon ziehen. Aus der Schule kommt eine rosa Wolke in den Sand gesprungen. Ob diese rosa Westen und Jacken die Schulkleidung der Mädchen sind? Wir nehmen es an. Kichernd und winkend rufen sie uns von hinten an und freuen sich, fest gehalten auf unserem Foto eine Reise nach Deutschland zu unternehmen. Dieser Tag trägt Rosa. Er kommt ruhig daher und hat doch sein ganz eigenes Leuchten.
Warten auf Godot / Waiting for Godot
14.04.2015 Kasachstan / Aktau / N43°46’12.6“ E051°05’26.2“
Mit der Getriebesuche müssen wir erst mal pausieren. Ein anderes Thema drängt sich massiv auf. Wir haben seit gestern 14 Uhr kein gültiges Visum mehr. Ende vergangenen Jahres zu Hause haben wir uns das so schön ausgedacht. Vier Wochen Zeit pro Land, das passt. Da ist Spielraum in jede Richtung. Nun laufen wir seit Iran den Zeitspannen hinterher. Dort mussten wir wegen des kaputten Leos unser Visum verlängern. War kein Problem. Zwei Wochen gabs obendrauf. Als der Leo wieder fuhr, konnten wir jedoch unser fünf tägiges Transitvisum für Turkmenistan nicht mehr einhalten. Eine Woche hat es gedauert, ein Neues zu bekommen. Gut, dass hieß, für den Westen Kasachstans bleiben uns zwei Wochen. ‚Ist nicht so schlimm. Wir kommen nach Usbekistan und Kirgistan ja noch einmal in den östlichen Teil Kasachstans’, sagten wir uns. Dass drei Tage vor Ablauf unseres Kasachstan-Visums der Leo komplett aussteigt, damit haben wir nicht gerechnet.
Vergangenen Donnerstag blieb der Leo liegen. Am Freitag hatte die Migrationspolizei geschlossen. Samstags waren wir dort, um uns nach langem Warten und großen Diskussionen mit der Antwort: „Kommen sie am Dienstag wieder, wenn ihr Visum abgelaufen ist. Vorher können wir nichts tun.“ von Dannen zu ziehen. Heute IST Dienstag und Nurlan, der Leiter der MAN Werkstatt, begleitet uns zur Migrationspolizei. Er kennt die Jungs alle gut. Denn oft hat er mit ihnen zu tun, wenn es um Arbeiter aus Usbekistan geht. Frohen Mutes kommen wir Neun Uhr an und wissen auch gleich, welche Tür die unsrige ist. Doch statt eines kurzen nochmaligen Aufnehmens unseres Vorganges und dem anschließenden zügigen Verlängern der Visa, so wie es uns am Samstag zugesagt wurde, bekommen wir nun, übersetzt von unserem Bekannten Alpamys, zu hören: „Sie haben das Gesetz gebrochen, da ihr Visum abgelaufen ist. Nun brauchen sie einen Anwalt, der den Vorgang bezeugt und beglaubigt. Besorgen sie ihn, vorher geht hier nichts weiter.“ Wir glauben unseren Ohren nicht zu trauen. Was soll denn das jetzt? Und woher sollen wir plötzlich einen Anwalt nehmen, der zudem die entsprechende Berechtigung besitzt? Doch solange wir uns das noch fragen, sind Nurlan und Alpamys schon am Telefon und klappern alle denkbaren Möglichkeiten ab. Nurlan verschwindet kurz darauf, um sich auf den Weg zu einem Anwalt zu begeben, den er ausfindig gemacht hat. Alpamys bleibt bei uns. Das große Warten beginnt. Um uns herum sitzen Männer aus Usbekistan, die wegen ihrer Arbeitsvisa hier sind.
Das ist ein langwieriger, aber routinierter Vorgang hier in den Amtsstuben. Wir merken es. Uns wird klar, dass man sich hier mit derartigen Prozessen gut auskennt, das ist Tagesgeschäft. Hingegen Leute mit einem abgelaufenen Touristenvisum wie wir es sind, kommen hier so gut wie nie vor. Da gibt es keine eingespielte Routine, das ist ein Sonderfall. Während wir hier so sitzen, müssen wir plötzlich lachen, denn aus den drei Türen vor unseren Augen kommen in regelmäßigen Abständen Männer heraus und gehen zu einer anderen Tür wieder hinein. Auf. Zu. Auf. Zu. Die Wand mit den Türen ist in einen großen Raum eingepasst. Quasi ein Raum im Raum. Das verstärkt den Eindruck einer Theaterkulisse. Die drei Türen, vom „Bühnenbildner“ geschickt gewählt. Die eine aus Metall. Grau und mit mehreren Schlössern versehen. Sie ist die strengste der drei Türen. Die anderen beiden sind aus Holz. Wirken gediegen und hochoffiziell. Nur fehlen ihnen zur Vollendung des Eindrucks am unteren Ende jeweils fünf Zentimeter. Sie sehen aus wie zwei stolze Jungen, die jedoch aus ihren Anzughosen herausgewachsen sind und unten die Socken und nackte Haut verschmitzt blitzen. Die rechte der beiden Türen sticht jedoch zweifach hervor. Sie trägt in Brusthöhe ein goldfarbenes Schild mit eingeprägten Buchstaben und kann obendrein ein Siegel an der linken Seite sein eigen nennen. Hinter dieser Tür sitzt der wichtigste der agierenden Männer, das ist klar. Alle scheinen einer Choreographie zu folgen, die etwas Tänzerisches hat. Der Rhythmus stimmt und auch Haltung und Gesichtsausdrücke lassen keine Wackler erkennen.
Doch alles Spiel kann uns nicht darüber hinweg täuschen, dass wir nun hier seit morgens 9 Uhr sitzen, es nun bereits 13 Uhr und nichts, aber auch gar nichts Erkennbares geschehen ist. Was mit dem Anwalt ist wissen wir nicht. Er ist eine Größe im Raum, doch nicht fassbar. Sind wir hier in der Aufführung „Warten auf Godot“ gelandet? Jetzt ist hier auf alle Fälle Mittagspause und alle müssen das Gebäude verlassen. 14.30 Uhr geht es weiter. Wiederwillig erheben wir uns von der Holzbank, um draußen etwas zu Essen zu suchen. Im „Café London“ werden wir Dank Alpamys fündig. Es ist ein großer Saal, in dessen Mitte eine Tischreihe mit Warmhaltebehältern aufgebaut ist. Von der Bulette, über Reis bis hin zu Suppe gibt es von allem. Wir werden satt und geschmeckt hat es auch. Doch was ist mit dem Anwalt? 15.30 Uhr heißt es, er sei nun fertig im Gericht und komme gemeinsam mit Nurlan zu uns. Glaube ich es? Ich weiß nicht so genau. Mein innerer Geduldsfaden ist bis aufs äußerste gespannt. Ich fühle mich unruhig und unwohl. Dieses nicht voran Kommen und ohne einen Sinn darin zu sehen hier Stunde um Stunde verstreichen zu lassen, bringt mich an den Rand meiner Geduld. Harren wir dieser Dinge ja nun bereits seit vier Tagen. Kurz geschüttelt. Lachen zurück geholt und weiter geht es. Mit neuer Hoffnung auf zum Amt. OK. Warten. Das kennen wir. Mit einem Mal kommt Bewegung in die Szenerie. Der Anwalt erscheint. Ein sehr angenehmer und sympathischer Mann, der uns bescheinigt, keinen Fehler begangen zu haben. Gut, und was nun? Er weiß nicht was er tun soll. Wir wissen es ebenso wenig. Auf zur Chefin des Hauses, ein Stockwerk weiter oben. Wir laufen mit unseren schmutzigen Schuhen über ihren tiefroten schweren Teppich und hinterlassen sandige Spuren. Der Anwalt erklärt, dass kein Vergehen vorliegt. Der Monolog aus vier bis sechs Mündern fliegt durch den Raum und gewinnt an Lautstärke und Temperament. Als sich alle wieder beruhigt haben und wir die Frage stellen, was denn nun zu tun sein, heißt es: „Akzeptieren, dass sie eine Unterlassung begangen haben. Daraufhin werden sie belehrt. Der Anwalt bezeugt dies und sie bekommen ein Visum für weitere zwei Wochen.“ Das ist alles? Ja, das ist alles! In den folgenden zwei Stunde werden viele Zettel ausgefüllt und Protokolle verfasst. Wir unterschreiben, der Anwalt unterschreibt. Der ganze Vorgang wird von uns mit 32.000 Tenge (gut 150€) beglichen und mit einem Mal halten wir unsere Pässe mit den neuen Visa in den Händen. Unglaublich, aber wahr. Die Atmosphäre lockert sich, die Beamten lächeln zum Abschied und wir können einfach nur „Danke“ sagen.
Was hätten wir sonst heute auch von 9 Uhr am Morgen bis 19 Uhr am Abend tun sollen?
Wir müssen zum „Truthahn“ gehen / We must go to „turkey“
13.04.2015 Kasachstan / Aktau / N43°46’12.6“ E051°05’26.2“
Neun Uhr, Regen. Dreizehn Uhr, Regen. Achtzehn Uhr, Regen. Und zwar so stark, dass der gesamte Platz zum großen Schwimmbecken wird. Mit Abflüssen hat man es hier nicht so. Braucht ja auch kein Mensch, da es hier nie regnet... Ideale Bürobedingungen. Nichts lenkt ab, was uns denken lassen könnte, dass es doch jetzt am Kaspischen Meer schöner sein könnte oder auf dem Leo-Dach sitzen um Rotwein zu trinken. Sten ist in seinem Element. Ein Telefon am rechten Ohr, eins am Linken, das Labtop aufgeklappt und auch über das IPad kommen Infos. Das alles im Liegen. Leider nicht nur weil es so gemütlich ist, sondern weil sich Sten heute Morgen beim Reparieren der Fahrertür im Rücken verzerrt hat. Beim Sturm am Kaspischen Meer hatte es uns das Türband ausgerissen und die Tür komplett umgeschlagen. Nun ist die wieder repariert. Wir verbuchen es als kleinen Zwischenerfolg. Das lenkt ab von den anderen Themen...
Weiter geht es mit der Suche nach einem Getriebe.
In Kasachstan selbst lässt es sich nicht auftreiben. Keine Ahnung warum. Vielleicht fahren hier keine 4x4 MAN LKW? Ich weiß es nicht. Die Männer von der Werkstatt strecken ihre Fühler aus. Und da geht es weit. Eigentlich wird fast keine Region ausgelassen. Die besten Verbindungen gibt es in die Türkei. Anfragen rumschicken, telefonieren, erklären, fragen, nachhaken, Typennummern anfordern, vergleichen. Nahe dran, alles passt. Sogleich die Info „Schon weg“. Weiter suchen. Sten steht in Verbindung mit Herrn Langemann aus unserer MAN Werkstatt in Maua bei Jena und durchforstet parallel die Welt des Internets. Da, er hat eins in Polen! Es gibt sogar eine Telefonnummer. Also los, wieder anklingeln. Ein Mann meldet sich, er spricht Englisch. Doch inhaltlich kann er nichts sagen. Er sitzt in Frankreich und vermittelt telefonisch für die Firma in Polen. Echt verrückt, wie die Stricke und Fäden und Drähte und Bänder über die Welt gespannt sind. Wann bekommen wir das sonst schon mal mit? Ist wirklich kurios, was heute hier alles im Leo zusammen läuft! Klingt alles gut mit dem polnischen Getriebe! Es muss nach Minsk gelangen. Von dort aus fahren täglich LKWs bis Kasachstan. Fein. Hoffnung macht sich breit. So ein wenig. Und auch nur ganz kurz. Die nächste Info lautet. Durch das Embargo gegen Russland, funktioniert der Transport nicht. Na prima. Da dachten wir, nach Iran sind wir diese Schwierigkeiten los, da kommen sie von der anderen Seite wieder angelaufen. In Iran mussten wir ja auch eine Lösung finden, die ohne Neuteile auskam, wegen des Embargos. Wir spüren, wie wir mit den Themen dieser Welt auf ganz eigene Weise in Berührung kommen. Wie sie uns nahe rücken, weil sie uns direkt betreffen. So ist das. Da sind wir unsere Reise im Blick der Kulturen und Historien und Bräuche und Traditionen angetreten und werden doch eingeholt von den Realitäten, welche die Politik und Wirtschaft aktuell schaffen. Auf einmal heißt es:“We must go to turkey!“ Es ist Janathan, der das auf Russisch in den Google Translator eingibt. Er sitzt im Werkstattbüro und recherchiert. Sten ist ganz irritiert als er liest: „Wir müssen zum Truthahn gehen“. Seine Frage daraufhin: „Gibt’s jetzt was zu Essen?“ Weil ja nun einmal „turkey“ „Truthahn“ heißt. Das wiederum versteht Janathan nicht. Als die beiden auflösen was der jeweils andere meinte und was im Translator stand, müssen sie herzhaft lachen. Janathan wollte eigentlich seine Idee mitteilen, dass wir in die Türkei, also nach „Turkey“ müssen, um das Getriebe zu holen. Schade. Sten läuft schon so das Wasser im Mund zusammen.
Der Ideenstrauß wird von Stunde zu Stunde immer bunter. Doch eine Lösung ist noch nicht in Sicht. Dafür gibt es abends einen leckeren warmen Schokopudding mit Vanillesoße. Feiern wir halt die kleinen Erfolge.
Im Zugabteil / In train compartment
12.04.2015 Kasachstan / Aktau / N43°46’12.6“ E051°05’26.2“
Es ist still um uns herum. Ab und an fallen Regentropfen auf das Dach vom Leo. Dann gibt es ein Geräusch und Gefühl als säßen wir im Zelt und keiner darf die Wand berühren, sonst wird sie undicht und das Wasser tropft herein. Wir sitzen im Trocknen und haben unsere Gasheizung, die wir zu jeder Zeit anmachen können. Alles gut. Es ist Sonntag. Es ist sogar Ostersonntag, mit Osterkuchen, bunten Eiern, Begängnis auf dem Friedhof und ganz in Familie. Ein Tag, an dem wir den Bräuchen nachspüren. Schauen, wie hier Ostern gefeiert wird. Doch heute nicht. Heute findet Ostern ohne uns statt. Heute ist Ruhetag, Sendepause, Rückzug. Heute ist das Innehalten für uns alles.
Der Tag hat sich eine Glocke aufgesetzt. Eine Glocke aus Wolken, die das Licht nur sparsam zu uns durchdringen lässt, die jede Bewegung verlangsamt, die Stimmen leiser klingen und eine Wohligkeit den Raum durchströmt.
Nichts ruft nach Aktivität, nach Unterhaltung und neuem Input. Die Pfeile zeigen in die andere Richtung. Mal setzen lassen, verarbeiten, runter kommen. Dabei schauen wir durch unsere von außen nassen und innen beschlagenen Scheiben im Leo und werden das Gefühl nicht los in einem Zugabteil zu sitzen. Irgendwo auf der Strecke nach Wladiwostok. Den ganzen Tag drinnen, auf 7 Quadratmetern zu zweit. Direkt neben uns ein defekter LKW, weiter weg ein paar vereinzelte Dächer in der Leere hier draußen. Das Auge hat Platz. Denn viel ist da nicht. Wir scheinen Liegewagen gebucht zu haben, mit separater Küche und WC. Ganz schön nobel. Obendrein macht es den Eindruck, als steht unser Zug auf nem Abstellgleis. Kein Rad dreht sich. Wie dem auch sei. Das Leben zieht an uns vorbei. Kulissenschieber sind engagiert, um uns bei Laune zu halten. Doch danke, nicht nötig. Wir sind uns selbst genug. Die Gaskartusche rauscht unentwegt, um heißes Teewasser zu bereiten. Viel Trinken, damit mein Infekt gehen kann. Und Lesen, Kochen, Reden. Wenig ist manchmal genug. Morgen geht es vielleicht weiter. Hier auf dem Hof der MAN Werkstatt, weit außerhalb der Stadt. Wir brauchen neue Teile für unser Verteilergetriebe. Mal sehen woher die kommen können und wann...
Wieso Visa? / Why visa?
11.04.2015 Kasachstan / Aktau / N43°46’12.6“ E051°05’26.2“
Schönes Wetter heute! 7 Grad und Regen. Ich bin begeistert... Doch die Kasachen sind es tatsächlich. Sagt mir doch gerade jemand, dass er sich über das schöne Wetter heute und in den nächsten Tagen freut. Kurz hüpft es in mir auf, bis ich seine Erklärung höre: „Nicht so warm. Die Luft ist frisch und es regnet.“ Mit der Formulierung „schönes Wetter“ habe ich schon so einige Irritationen erlebt. Ich möchte nur gern wissen, wann all die Ausnahmen endlich vorbei sind und in MEINEM Sinne mal über einen längeren Zeitraum hinweg „schönes Wetter“ herrscht? Ja ich weiß schon. Ich sollte geduldig sein... Also erfreue ich mich an der frischen Luft, dem Wolken verhangenen Himmel und seinem Regen, während wir in einem lustigen kleinen, roten Auto zur Migrationspolizei fahren. Mein Sitz auf der „Rückbank“ ist einfach nur eine Sperrholzplatte. Ne Lehne gibt es nicht, geschweige denn einen Gurt. Als wir an Polizisten vorbei fahren, hält mein Nachbar sich einfach einen Strick über die Schulter, als Attrappe. Klar, der gute Wille zählt. Wir sind überhaupt froh, dass uns ein Mann aus der Werkstatt fährt. Denn das Taxi, welches gestern Abend für uns um 8.30Uhr bestellt wurde, kam nicht. Es ist erstaunlich, dass wir doch immer wieder ein Stück in die Fallen unseres gelernten Verhaltens tappen. Hätten wir ja auch wissen können, dass mit einem bestellten Taxi nicht zu rechnen ist. Das sind in Kasachstan alles Privatleute, die mit ihrem eigenen Auto fahren. Keine gelbe Flotte.. Ein Raum voller Menschen erwartet uns, jetzt, da wir zur Migrationspolizei kommen. Und „warten“ wird uns gedeutet. Wie lange bitte heute? Von 9-12 Uhr hat das Amt geöffnet. Nun ist es schon bald 10 Uhr und ich rechne damit, dass nichts so exakt eingehalten wird wie der Feierabend. Nun sind wir nicht ganz all dem ausgeliefert was hier läuft. Denn der deutsche Konsul Kasachstans ist uns seit Tagen telefonisch eine unendlich große Hilfe. Er bittet uns um Geduld und darum, weniger „Deutsch“ zu sein. So stützen wir uns auf sein Wort am Telefon und warten einfach ab. Unser Freund Nyssan Bay erscheint. Zufällig kam er heute Morgen von einer Dienstreise mit dem Zug in Aktau an. Er will uns bei der Verständigung helfen. Doch bislang ist nichts zu verständigen. Kurz vor Ende der Öffnungszeit wird Sten an den Schalter gerufen. Dort sagt man ihm auf unterschiedlichste Arten, dass wir heute hier nichts ausrichten können und am Dienstag wieder zu kommen haben. Am Dienstag? Aber da ist unser Visum bereits einen Tag lang abgelaufen?
Den Ärger wollen wir uns wirklich gern ersparen, hier mit einem abgelaufenen Visum dazustehen. Doch auch Nyssan Bay kommt mit seinen Argumenten nicht weiter. Uns bleibt nichts weiter übrig als zu gehen. Im Auto sitzend ruft uns unser Konsul an, um uns zu sagen, dass wir jetzt zu dieser und jener Person gehen sollen, die seien jetzt da. Wir aber eben leider nicht mehr... So versuchen wir im dichtesten Verkehr noch einmal umzukehren. Die Zeit drängt mächtig. Ist es ja bereits ein gutes Stück NACH der eigentlichen Öffnungszeit. Zum Glück! Die Tür ist noch offen, wir kommen rein! Oder besser gesagt, Sten und Nyssan Bay können eintreten. Ich werde raus geschickt und habe in der kalten Nässe zu stehen. Toll, mit meinem Fieber und Husten! Mir geht alles Mögliche von „Servicewüste“ die ich hier vorfinde, „Hörigkeit“ und pure „Befehlsbefolgung“ derer, die ohne Nachzudenken nur ausführen, was ihnen angewiesen wurde, bis hin zu dem Gedanken purer „Unhöflichkeit“ und einer recht rohen Art durch den Kopf. Doch irgendwie auch spannend, hier meine ganz eigenen Erfahrungen zu machen. Wie es sich für die Einheimischen anfühlt. Denn als die Männer mitbekommen, dass ich Deutsche bin, werden sie mit einem Mal freundlicher und ich darf wieder drinnen warten. Sten wird während dessen vom stellvertretenden Gouverneur des Mangistau-Gebietes (die Halbinsel hier im Westen Kasachstans) begrüßt, der extra wegen uns gekommen ist, um uns zu sagen, wie sehr es ihn freut, uns in Kasachstan willkommen zu heißen. Denn seine Mission sei es, den Tourismus im Land zu fördern. Die Chefin der Migrationspolizei spricht sogleich jedoch wieder von den Vorschriften. Dass wir am Dienstag mit unserem dann abgelaufenen Visum wieder kommen sollen. Ende der Veranstaltung. Ich werde nun hinzu gerufen, um ein Protokoll zu unserem Anliegen zu verfassen. Das geduldige Papier liegt nun dort und wir werden am Dienstag weiter sehen.
Neuer Schauplatz „MAN Werkstatt“. Dort warten alle schon sehnsüchtig auf uns, um das Getriebe auszubauen und dann in ihr Wochenende zu gehen. Wir können nicht ändern, dass die Visumsache uns von morgens 9 Uhr bis nachmittags 15 Uhr beschäftigt hat. Doch nun sind wir da. Der Leo wird über einen Montagegraben geschoben und die Männer machen sich ans Werk. Was zum Vorschein kommt ist alles andere als erfreulich. Der Getriebedeckel hat einen Riss bekommen und innen drin hat es eine Zahnradwelle komplett abgeschert. So liegen die Teile und Späne nun lose im Getriebe. So weit der Stand der Dinge. Mehr ist heute hier nicht zu klären und zu machen. Die Männer gehen erst einmal heim. Zumal morgen hier Ostern ist, haben sie es eilig. Ostern erst an diesem Sonntag?
Die Westkirche berechnet die Ostertermine laut dem gregorianischen Kalender. Die Ostkirche, unter der vorrangig die russische, griechische, serbische und rumänische orthodoxe Kirche zu verstehen ist, berechnet ihre Ostertermine nach dem julianischen Kalender. 1923 fand unter Leitung der Ökumene eine Konferenz in Konstantinopel statt und 1997 im syrischen Aleppo. Ziel war es, den Kalender der orthodoxen Kirche zu reformieren und so weltweit zu einer einheitlichen Rechnung zu gelangen. Beide Konferenzen scheiterten allerdings. Und so feiern die Christen in Ost und West weiterhin an verschiedenen Tagen die Auferstehung. Wir halten uns heute erst einmal von all dem fern. Stehen mit Leo auf dem Hof der Werkstatt bis es am Montag weiter gehen kann und nutzen die Zeit zum Gesund werden. Schon amüsant, welches Hustenkonzert hier im Leo gerade zu hören ist.
Straße nach Aktau / Road to Aktau
10.04.2015 Kasachstan / Aktau / N43°46’12.6“ E051°05’26.2“
Ich lege mich heute einfach mal zum Leo. Warum soll nur er ein Leiden haben? Da füge ich mein Fieber, Hals- und Gliederschmerzen und meinen Husten einfach mal hinzu. Das Gute ist ja, wir haben in jeder Situation unser Haus mit dabei. Und so stört es mich überhaupt nicht, wo wir gerade stehen und was gerade los ist. Ich liege im Bett und so ist alles für mich ok. Die Oma aus dem Nachbarhaus erkundigt sich nach mir und bringt mir Tee und ne Suppe vorbei. Wie lieb von ihr!!!! Sten telefoniert unentwegt. Es ist nicht so einfach, die Entscheidung zu treffen, wie es nun mit der Reparatur weiter gehen soll. Lassen wir das Verteilergetriebe ausbauen und fahren es in eine Werkstatt nach Aktau oder lassen wir gleich den ganzen Leo dorthin abschleppen? Herr Langemann aus unserer MAN Werkstatt in Maua bei Jena hat heraus bekommen, dass es in Aktau einen MAN Service gibt. Und da uns das Stehen auf der staubigen Straße mit zwar wohlmeinenden Gesten aller drum herum Stehenden auch nicht so recht weiter bringt, entscheiden wir uns für den gesamten Transport nach Aktau. Die Werkstatt schickt einen LKW der uns abschleppen soll. Zum Glück haben wir unsere eigene Abschleppstange und unsere Riesenschekel dabei. Sonst gäbe es jetzt ein Problem. In Kasachstan kann man Geld vom Automaten holen. Das ist toll! Ging ja in Iran nicht, hat in Turkmenistan nicht funktioniert und Usbekistan hat auch keine Geldautomaten. Das Tageslimit pro Karte liegt bei 50.000 Tenge (ca. 250,-€). Oft funktioniert es allerdings nur bis 30.000 Tenge. Da das Abschleppen gestern schlappe 500,-€ gekostet hat, zieht Sten mit mehreren Karten los, um sein Glück zu versuchen. Dann also noch bezahlen und ein Foto zum Abschied. Weiter geht’s mit einem großen Ruck beim Anfahren. Einhundertfünfzig Kilometer Strecke liegen vor uns. Keine leichte Aufgabe für Sten, da immer gut zu reagieren beim Lenken, Anfahren und Bremsen. Die Straße nach Aktau. Die kennen wir inzwischen wirklich bestens. Wir hätten nicht gedacht, noch einmal diese Strecke entlang zu fahren, nachdem es ja schon vier Mal hin und her ging, um an den Aufenthaltsstempel heran zu kommen. Diesmal nun also ne neue Variante. Wir rollen hinterher. Bis plötzlich Schluss ist. Der Fahrer steigt aus, hängt unsere Stange ab und sagt mit knappen Gesten: „20 Minuten“.
Was ist bitteschön jetzt los? Da stehen wir am Straßenrand, unsere Stange liegt vor uns im Staub und ein kleiner Sandsturm zieht auch mal wieder auf. Die Situation kommt uns sehr skurril vor. Wir wissen nicht wirklich, worauf wir nun warten. Wir stehen einfach da und lassen uns von jedem vorbeifahrenden LKW ein wenig durchrütteln.
Zwanzig Minuten sind um, und dreißig auch und vierzig. Wieder einmal eine zuckersüße Geduldsübung. Warten wir einfach und vertrauen darauf, dass irgendwann irgendetwas geschieht? Oder versuchen wir umher zu Telefonieren, um etwas in Erfahrung zu bringen? Wir merken, wie tief uns unser Deutsch sein in den Knochen steckt. Auch wenn wir schon einige Situationen mit Gelassenheit gemeistert haben, ist uns doch klar, dass es nicht unsere angestammte Mentalität ist. Hilft hier aber alles nicht wirklich weiter. Wir stehen da und wackeln ab und an. Mehr nicht. Nach eineinhalb Stunden hält plötzlich ein Wassertanker vor uns. Dessen Fahrer sich gleich an unserer Abschleppstange zu schaffen macht. Mit vielen Worten ist es hier nicht immer so. Und so geht es wie aus heiterem Himmel einfach weiter mit unserer Fuhre. Über Abwechslung kann sich unser Leo nun wirklich nicht beklagen. Wird ihm einiges geboten. Nach einer ewig wirkenden Fahrt ins „wer weiß wohin“ biegen wir auf einmal rechts ab. Und tatsächlich, mitten im Wüstensand steht auf einer großen freien Fläche eine MAN Werkstatt. Ein blaues Tor wird aufgetan, ein Rudel Huskys empfängt uns, der Regen setzt ein und es wird schnell dunkel. Gerade noch unser Ziel erreicht, bis sich hier heute kein Rad mehr dreht.
Ich ziehe die frühe Bettvariante vor, um morgen mit frischer Kraft unserem neuerlichen Visa-Thema entgegen zu blicken.
Es ist wie es ist / It’s like it’s
09.04.2015 Kasachstan / Zhanaozen / N43°19’01.4“ E052°51’44.8“
Hier draußen sein ist wundervoll. Wir kommen zu uns und zur Ruhe. Um dann wieder in die Landschaft einzutauchen, werden wir heute einige Erledigungen in Zhanaozen machen und dann Richtung usbekischer Grenze weiter fahren, da am Montag unser Kasachstan Visum ausläuft. Das Kaspische Meer verabschiedet sich mit donnerndem Pferdehufe Getrappel, als sie wie der Wind am Ufer an uns vorbei fliegen. An der Wasserlinie fahren wir weiter Richtung Norden, bis es plötzlich ganz schwammig unter uns wird und wir mit Eile versuchen aus dem Salzmatsch zu kommen. Geschafft! Gerade von dem Morgenschreck erholt, sehen wir einen Armee LKW in der Ferne. Wir wählen unsere Wege und merken, dass die anderen auf uns zusteuern. Mit geschulterten Maschinengewehren springen sie aus ihrem LKW und kommen zu uns herüber. So mitten von Sand umgeben ist das ein ganz merkwürdiges Gefühl. Fragen nach dem woher und wohin, Passkontrolle, Telefonate, Nachsehen, was sich hinter dem grauen Aufbau verbirgt. Keiner verzieht eine Miene. Doch am Ende ist außer Aufregung nichts weiter gewesen. Wir werden gebeten zur Piste zu fahren und können weiter ziehen. Uff, nächster kleiner Hüpfer in der Magengegend. Doch nun sind wir auf der Straße nach Zhanaozen und es trennen uns nur noch 50 Kilometer von dem Ort. Unsere Ohren und Nasen sind seit dem Getriebeproblem in Iran immer in Habacht-Stellung. Und plötzlich klingt etwas komisch für mich, so dass wir gleich anhalten. Was wir sehen wollen wir nicht glauben. Es qualmt wieder aus der Gearbox und riecht scharf. Wir versuchen nach dem Abkühlen ganz langsam weiter zu fahren. Doch es bewegt sich nichts mehr. Der Leo steht wie er steht. Wüste um uns herum, ein paar Kamele ziehen langsam vorbei. Dann weiter nichts. Funkempfang gibt es keinen hier draußen. Zum Glück haben wir unser Satellitentelefon dabei und rufen damit Nyssan Bay an. Uns wird bewusst, wie wichtig es für uns ist, in jedem Land eine Kontaktperson zu haben, mit der wir auf Englisch oder Deutsch sprechen können, um in Momenten wie diesem weiter zu kommen. Wir sind innerlich ruhig und akzeptieren, wie sich von jetzt auf gleich die Dinge wieder einmal ändern. Vorplanung macht wirklich keinen Sinn. Wir lernen mehr und mehr von Schritt zu Schritt zu leben. Es gibt keine Sicherheiten, keine Kalkulierbarkeiten. Es gibt ausschließlich den Augenblick. Nicht mehr aber auch nicht weniger. Da sitzen wir nun und warten auf einen LKW, der uns abschleppen wird. Wir vermuten, dass die Hitze in der Gearbox beim ersten Mal zu hoch gewesen ist und sie somit das Material spröde gemacht hat. Denn alles macht den Eindruck, dass in der Box nun Zähne abgebrochen sind.
Doch wir wissen es nicht und werden sehen.
Der LKW kommt, ein Kasache und sein Sohn steigen aus, um mit Händen und Füßen mit uns zu sprechen. Schon lustig, was geht, wenn die Worte fehlen. Am Ende ist die Kardanwelle abgeschraubt und unsere Abschleppstange anmontiert. Los geht’s im Ruckelzuckel - zwei Meter Abstand hinter dem LKW her nach Zhanaozen. Endstation ist eine kleine Seitenstraße voller Kinder, die sich lachend und hüpfend um den Leo versammeln. Die Kinder begleiten uns durch den ganzen Abend, den wir mit umhertelefonieren verbringen. Denn nicht nur das Thema Getriebe steht auf dem Spiel. Auch unser Visum braucht nun wieder eine Verlängerung. Und das ist alles andere als einfach. Ja, es ist wie es ist.
Zeit fürs Kleid / Time for dress
08.04.2015 Kasachstan / Kaspisches Meer / N42°37’39.8“ E052°45’13.0“
Aufwachen und aus dem Fenster schauen. Draußen Weite, Weite, Weite. An Tagen wie heute ist es eine Überraschung. Der Schlaf hatte mich vergessen gemacht, wo wir gerade sind, was wir machen und wo wir mit dem Leo stehen. Doch im nächsten Augenblick ist alles wieder klar. Es fasziniert mich, auf diesem großen freien Plateau zu stehen und um mich herum nichts weiter als eben diese Fläche zu sehen. Kein woher, kein wohin. Einfach mittendrin. Wir frühstücken. Das hat schon Ritualcharakter. Brot in den Toaster, Wasser kochen für Tee und Kaffee. Musik anschalten. Die Kühlschrankschätze bergen. Wenn es dann nach frischem Kaffee duftet steht auch Sten auf und los geht es. Die Handgriffe nach dem Frühstück sind eingeübt. Sten dreht seine Nachseh-Runde um den Leo, startet den Motor, so dass er warm laufen kann. Ich kümmere mich im Leo darum dass alles an seinen Platz kommt. Die Fenster dicht verschlossen sind, die Schränke mit dem Doppelverschluss verriegelt sind und so bei der Fahrt nicht der ganze Staub im Leo landet oder Zeug durch die Gegend fliegt. Manchmal reißt es uns ein Fach aus, weil die Seitenschläge in den Löchern auf der Piste zu groß sind. Doch Sten konnte bisher alles immer wieder reparieren. Weiter geht die Tour, immer der Nase nach, Richtung Westen. Und plötzlich sehen wir es am Horizont. Das Wasser des Kaspischen Meers! Heute ohne Sturm. Heute ohne Schnee. Ganz friedlich leuchtet es uns von weitem entgegen. Wir finden einen genialen Weg vom Plateau hinunter zum Ufer. Ganz seicht und Leo-gerecht. Da stehen wir nun und können es nicht fassen. Wir sind in Kasachstan am Kaspischen Meer. So überwältigend ist das Gefühl, dass wir spontan beschließen an dieser Stelle zu bleiben. Keinen Meter weiter wollen wir heute rollen. Und dann... „Zeit fürs Kleid!“ Es ist warm, die Sonne scheint. Endlich nach vielen Wochen ist heute der Tag EINS für die dünneren Sachen. Es hat was von Zwiebeln pellen, wie wir uns Schicht für Schicht der warmen Sachen entledigen um in die kurze Hose und mein Sommerkleid zu schlüpfen. Was für ein befreiendes Gefühl, was für eine Freude. Den ganzen Tag über sagen wir uns immer wieder, dass wir gerade am Kaspischen Meer in der Sonne sitzen und dabei überhaupt nicht frieren! Ich spüre, wie ich den ganzen Tag tief und befreit durchatme und die Herrlichkeit genieße. Besuch kommt auch vorbei. Mal ist es ein Seeadler, der aus der Ferne schaut, was denn bei uns los ist, mal schlendert eine Herde Pferde am Ufer entlang. Wir lachen ihnen zu und wünschen ihnen einen erfrischenden Strandspaziergang. Mal sind es die Schildkröten, die sich durch das Geklapper ihrer unteren Panzer ankündigen, wenn sie über die Steine und den Salz verkrusteten Boden laufen. Ich fühle mich wie ein Kind, des Entdeckens nicht müde werdend.
Der Linie folgen / Follow the line
07.04.2015 Kasachstan / Ustjurt-Plateau / N42°37’35.6“ E053°06’52.3“
Auf geht es in den Tag. Alles beginnt von neuem. Jeder Tag hat sein ganz eigenes Wesen. Stürmisch geht es heute los. Der Wind hat uns die ganze Nacht begleitet und ist auch jetzt zur Stelle. Irgendwie ist das Wetter heute wie ein Sinnbild für uns. Wir fühlen uns heiter gestimmt, wie die Sonne die scheint, und in uns windet und braust es, genau wie um uns herum. So Vieles ist in Bewegung. Die Frage ist, was ist zuerst da. Das Wetter, welches uns beeinflusst oder ist es umgekehrt? Vielleicht ist auch alles einfach ein und dasselbe? Ich komme mir hier draußen ehe mehr und mehr als ein kleines Teilchen im großen Zutatenkessel vor. Gleich den Schildkröten und Vögeln, die uns begegnen. Zufällig heiße ich nun „Mensch“. Mehr an Unterschied gibt es nicht. Jeder muss sehen wie er hier zu recht kommt. Mal ist es wundervoll, wenn der Vogel sich durchs Tal gleiten lässt. Mal ist es anstrengend, wenn der Wind ihn wild durch die Luft wirbelt. Nicht anders geht es uns. An uns ist es heute den Linien zu folgen. Wir fahren noch eine Weile am Rande des Canyons entlang und suchen dann einen Weg aus den Talkesseln heraus. Mal ist es sandiger Boden, mal ist er lehmig und schwer. Es scheint hier geregnet zu haben, so klebrig fühlt sich der Untergrund mitunter an. Dann können wir nur schnell versuchen das Weite zu suchen. Wir haben unsere alten russischen Karten auf dem Rechner. Und die gefahrenen Wege unserer Freunde, die vor Jahren einmal hier waren. Sie sind uns Anhaltspunkt, wo ein Weg langführen könnte. Die Landschaft selbst ist weiträumig. So orientieren wir uns an den Himmelsrichtungen und unserem Gefühl, wenn es darum geht, welche Piste wir wählen. Denn erst einmal sind wir noch in dem Talkessel und wollen einen Ausgang finden. Rundherum nur hohe Berge, die das Tal begrenzen. Doch am Horizont sehen wir eine Linie. Dort scheint es heraus zu gehen. Einfach darauf losfahren und nachschauen. Die Piste ist lehmig und der Boden klebt an den Reifen, doch wir kommen durch und schaffen den Ausstieg. Oben angekommen eine Überraschung. Vor uns entfaltet sich eine neu gebaute Eisenbahnlinie. So richtig nach modernem Standard. Hohe Beton Wälle, davor eine höher gelegte Rohrleitung. Es ist einfach kein Durchkommen möglich. Und das hier mitten auf dem freien Feld, wo sonst weit und breit nichts ist als flache Sträucher, Sand und Lehm. Unsere Karte sagt uns, dass es einige Kilometer weiter einen anderen Weg gibt. Zu diesem fahren wir in der Hoffnung, dass dort vielleicht ein Überqueren der Schienen möglich ist. Und tatsächlich. Obwohl es sich auch hier einfach um einen Piste handelt, haben sie doch tatsächlich einen Bahnübergang eingebaut. Wir können unser Glück kaum fassen und fahren vergnügt auf die andere Seite. Viel weiter wäre es für uns auch nicht mehr gegangen. Denn wir sind hier nur noch zehn Kilometer von der turkmenischen Grenze entfernt und suchen nun schnell in entgegengesetzter Richtung das Weite. Immer gen Westen, dem Sonnenuntergang entgegen in Richtung Kaspisches Meer. Bis dorthin ist es noch ein Stück Weg. Doch wir machen Halt für heute, um im letzten Moment des Sonnenlichtes mit unserer Wodka-Cola auf den Tag anzustoßen.
Die Steinpyramide / The stone pyramid
06.04.2015 Kasachstan / Ustjurt-Plateau / N42°47’12.2“ E054°26’28.2“
Der Himmel und wir. Die Berge und wir. Die Ebene und wir. Der Wind und wir. Die Sonne und wir. Die Vögel und wir. Die Mufflons und wir. Die Weite und wir. Es scheint, als gibt es nur noch die Landschaft und uns darin. Keine weiteren Menschen weit und breit. Gibt es die überhaupt noch oder sind alle anderen einfach weg? Unendlich lang vergangen scheinen die Tage in Teheran, als wir uns umgeben sahen von 14 Millionen Menschen. Welch ein Kontrast. Momentan für mich kaum mehr vorstellbar. Damals waren es die Gewalten der Zivilisation. Nun sind es die Gewalten der Welt an sich. So ganz ursprünglich. Wie die Berge da so liegen. Vollkommen unbeeindruckt vom Wind, der seit Jahrhunderten über sie hinweg braust. Das große Plateau, welches keinen Anfang und kein Ende zu kennen scheint. Wir bewegen uns durch all das hindurch auf der Suche nach Haltepunkte an denen wir es schön finden. Plätze, die zum Kraft auftanken einladen.
Ich komme mir vor wie in einem Retreat. Wenn ich hier so sitze glaube ich, dass man dieses Gefühl des vollkommenen auf sich gestellt Seins sowohl in einem kleinen begrenzten Raum wie in der großen Weite empfinden kann. Beides ist abseits dessen was ich Gewohnheit nenne. Enge wie Weite können jedwedes Gefühl von noch so großer Stärke hervorrufen. Alles wirkt hier auf mich so absolut. Da gibt es kein „vielleicht“ oder „mal sehen“. Hier draußen geht es um Kälte oder Hitze, um Sturm oder absolute Windstille, um gleißende Helligkeit oder stockfinstere Nacht. Von allem haben wir hier. Mittags sitze ich in der Sonne und bin überwältigt von der unglaublichen Stille um mich herum. Kein Laut, kein Ton weit und breit ist zu hören. Einzig das Rauschen meines Blutes kann ich vernehmen, sonst nichts. Am Abend nun das ganze Gegenteil. Der Sturm sagt wieder einmal „Hallo“ und faucht mit all seiner Kraft um den Leo. Dabei hat er Klänge in allen Tonlagen mitgebracht. Doch meine Steinpyramide hält Stand. Ich habe sie heute Nachmittag gebaut. Es war so befreiend, stundenlang Steinplatten zu tragen und sie übereinander zu schichten. Was für ein Ort! Was für eine Zeit!
Ostersonntag / Easter Sunday
05.04.2015 Kasachstan / Ustjurt-Plateau / N43°07’42.4“ E054°53’32.7“
Seit Tagen bewegen wir uns nun am Rande des riesigen Canyons und auf dem gigantischen Ustjurt-Plateau entlang. Funkempfang ist hier keiner und das wird wohl auch in Zukunft so sein, dass wir nur noch ab und zu Telefon- und Internetverbindungen haben. Zu unserer Sicherheit tragen wir ein Satellitentelefon bei uns, so dass wir anrufen, wenn es notwendig ist und auch angerufen werden können. Das Notieren dessen, was täglich geschieht, ist für mich wie Tagebuch schreiben. So kann der Tag noch einmal an mir vorbei ziehen und die Ereignisse bekommen ihren Platz in meinem Gedächtnis. Wenn wir dann wieder einmal eine Internetverbindung haben, laden wir die Bilder und Texte hoch. Doch die Abstände dazwischen werden größer. Die Distanz nach Hause nimmt täglich zu und es ist sicher auch ein Sinn unserer Reise, den Dingen mehr Spielraum zu geben. Sind wir irgendwo eingetaucht, dann bleiben wir erst einmal, ohne Kontakt und eine Verbindung nach außen. Das ist eine neue Etappe, ein neues Gefühl in diesen frühen Tagen im April. Langsam gewöhne ich mich daran. In den ersten Tagen war es wie das Stehen auf dem Startblock am Wasserrand. Ich wusste, dass ich springen muss, doch meine Beinmuskeln wollten nicht mitspielen. Inzwischen bin ich gesprungen und „lerne schwimmen“ in dem neuen Empfinden hier weit, weit draußen zu sein.
Heute ist Ostersonntag. Der Kalender hat es uns gesagt. An sonstem spüren wir davon nichts. Es ist verrückt, wie eng Feiertage mit dem direkten Umfeld verknüpft sind, oder eben auch nicht. Wir erinnern uns daran, wo wir im vergangenen Jahr zu Ostern waren und was wir taten. Heute nun sitzen wir an unserem Frühstückstisch und sagen uns: „Hey, heute ist Ostersonntag!“ Doch es stellt sich kein Gefühl ein, was zu diesem Satz passen könnte. Also lassen wir es bei dem bloßen Wissen darum und machen uns auf in den Tag. Es regnet und der Himmel ist wolkenverhangen. Alles um uns herum ist in einen Pastellton getaucht. Die Kamele, die Gräber, an denen wir vorbei kommen, der Brunnen und auch die Ustjurt-Mufflon Herde, die wir von weitem sehen. Diese Lichtstimmung hat etwas sehr bizarres. Schade nur dass uns somit die einzigartigen Aussichten in den Canyon verwehrt bleiben. Also machen wir nach ein paar Stunden Halt, um unser Lager aufzuschlagen. Zeit zum lesen, zum schreiben, zum Film ansehen, zum kochen und schlafen.
Sten fühlt sich heute nicht ganz so fit. Eine Erkältung macht ihm zu schaffen. So fühlt es sich genau richtig an, etwas Ruhe in den Tag zu bringen. Am Abend gibt es vor unserem Fenster noch eine kleine Aufführung. Die Wolken waren wohl gerade im Dramatik Kurs und zeigen nun was sie gelernt haben. Sie bäumen sich auf, ballen sich zusammen, lassen die Sonne hervor lugen, bevor sie alles in einen Nebel kleiden, der die Nacht einläutet. Zum Abschluss steigt der Mond auf und setzt mit seiner erhabenen Fülle einen gewaltigen Punkt am Himmel.
Im Canyon / Into the canyon
04.04.2015 Kasachstan / Ustjurt-Plateau / N43°23’27.2“ E054°36’04.2“
Ustjurt-Plateau, so weit das Auge reicht. Und es ist noch viel größer und gewaltiger. Das Plateau erstreckt sich von Turkmenistan, über Kasachstan bis nach Usbekistan. Das sind Dimensionen an Landschaften wie ich sie bisher noch nicht kennen gelernt habe. Und auch das ist im Ganzen wieder nur ein minimaler Ausschnitt wenn ich auf die Karte schaue, um mir die Dimensionen Kasachstans oder gar Russlands anzusehen. Die Ausmaße Deutschlands sind mir bekannt und um in Europa unterwegs zu sein, legt man schon einiges an Kilometern zurück. Meist geht es dann durch dicht besiedelte Gebiete. Die für mich über die Jahre etwas Vertrautes bekommen haben.
Wir haben uns nun 15.000 Kilometer weit von all dem weg bewegt und spüren, dass spätestens hier nicht mehr der Mensch das Sagen hat. Ganz andere Gewalten halten die Geschicke hier in ihren „Händen“. Und wieder wird mir klar, welchem Trugschluss wir unterliegen, wenn wir glauben, die Erde zu beherrschen. Sie lässt uns oft gewähren, doch wenn es ihr zu bunt wird, dann rappelt sie sich einfach mal. Da haben wir Menschen dann einfach nicht viel Mitsprache. Wir können dankbar sein, dass wir sind, was und wo wir sind. Doch all das nur auf Zeit. Die Unbegrenztheit ist nicht unser Maß der Dinge. Das bleibt der Erde selbst und dem Universum vorbehalten. Ja, das geht mir durch den Kopf, während wir uns Meter für Meter durch die Landschaft bewegen. Zuerst stundenlang über eine große Ebene bis zum Rand des Canyons. An dem fahren wir entlang, bis sich eine Einstiegsstelle bietet. Mir geht es extrem im Magen herum als Sten die Schräge nach unten fährt. Er macht es gut. Doch es sieht mehr als dramatisch aus, wenn der große Leo sich so in Abwärtsrichtung bewegt. Zum Glück haben wir ähnliche Situationen in Senftenberg mit unserem Freund Steffen geübt. An sonstem wüssten wir an dieser Stelle wohl einfach nicht weiter. In Mitten der Senke finden wir eine Begräbnisstätte aus lang vergangenen Tagen. Es heißt, dass das ganze Gebiet vor 250 Jahren viel dichter besiedelt gewesen sein soll. Die Nomaden zogen im Winter hier her an den Rand des Kaspischen Meeres und verbrachten die Sommer im Norden an der Wolga. Sieben Meter tiefer war damals der Wasserspiegel des Kaspischen Meeres, so dass es eine direkte Wegverbindung nach Norden gab. An den Ufern des Meeres soll es später mehr und mehr sesshafte Nomaden gegeben haben, die von Fischfang und Handwerk gelebt haben. So fand man das Leben vor, als in den frühen Tagen der Sowjetunion erste Forscher in diese Gegend kamen. Neben der Begräbnisstätte gibt es hier noch ein Rancher Station. Doch die ist menschenleer. So begegnen wir heute nur einem Kasachen, der von irgendwoher nach irgendwohin zu fahren scheint. Er freut sich über das Kreuzen unserer Wege. Wir tun es auch. Nach ein paar Gesten, Wortbrocken und einem Lachen, zieht jeder wieder seiner Wege. In der Senke des Canyons ist Wüstensand, durch den wir fahren, bis wir am Rande eines Berges eine schöne Stelle für die Nacht finden.
Nach dem Meer kommen wir / We are here after the sea
03.04.2015 Kasachstan / Beket Ata / N43°36’26.7“ E054°04’08.7“
Ich glaube, dass wir gerade dabei sind in einen neuen Abschnitt unserer Reise einzutreten. Wir sind ab jetzt in Gegenden, die wesentlich dünner besiedelt sind als das bisher der Fall war. Die Landschaften werden noch größer, weiträumiger, unerforschter. Das macht etwas mit mir. Ich spüre es ganz deutlich. Es verlangt mir neuen Mut und Zuversicht ab. Wir reden heute lange darüber wie es nun gehen kann. Die Richtung ist klar, also gibt es nur eins. Einfach weiter. Uns ist nach Atempause zu Mute und so bleiben wir auf dieser herrlichen Ebene, um ein wenig zur Ruhe zu kommen. Die letzten Wochen waren voll von Erlebtem, so vielen einzigartigen Menschen sind wir begegnet. Doch heute ist Raum für die kleinen Dinge. Einfach mal dasitzen, Sport machen, kleinere Reparaturen erledigen, einen Tee oder Kaffee trinken. Und dann gern noch einen. Die Sonne meint es heute gut mit uns und schenkt uns ein paar sehr schöne Stunden. Wie genieße ich es! Während ich gehe und sitze und schaue, fällt mein Blick immer wieder auf den Boden, wo sich Unmengen an versteinerten Muscheln finden. Die Geschichte der Erde ist eine so Besondere! Früher war an dieser Stelle das Meer, welches sich nach der letzten Eiszeit von hier zurückgezogen hat. So stehen wir nun in der Wüste und unsere Ohren können beim Anblick der Muschelabdrücke das Meer ganz deutlich rauschen hören.
„Schopan Ata“ und „Beket Ata“ / „Schopan Ata“ and „Beket Ata“
02.04.2015 Kasachstan / Beket Ata / N43°36’26.7“ E054°04’08.7“
Die Gegend lebt vom Erdöl und Erdgas welches hier in großen Mengen gefördert wird. Felder gigantischen Ausmaßes, bestückt mit den Fördertürmen, prägen um Zhanaozen die Landschaft. Den Ort selbst gibt es nur wegen des Öls und er wird von Jahr zu Jahr größer. Wir verlassen Zhanaozen und fahren Richtung Osten, um die nächsten Tage in einem großen Canyon zu verbringen. Vorher verabschieden wir uns von Nyssan Bay, der uns noch einen Kontakt zur Stadtverwaltung aufbauen wollte. Das hat tragischer Weise heute nicht geklappt, da zehn Mädchen ein aus Indien stammender Impfstoff verabreicht wurde und diese Mädchen nun an lebensgefährlichen Krämpfen und Wahnvorstellungen leiden. Mich erschüttert diese Nachricht, macht mich sehr traurig und ich hoffe, dass den Mädchen geholfen werden kann und sie wieder gesund werden!!! Die meisten Wege sind hier Pisten. Befestigte Straßen gibt es im südwestlichsten Zipfel Kasachstans kaum. So biegen wir bald von der Straße ab und finden uns auf der Piste wieder. „Schopan Ata“ und „Beket Ata“ sind heute unsere Ziele. Es sind Friedhöfe, Pilgerstätten und Meditationsplätze aus lang vergangener Zeit. Die Menschen kommen von weit her, um hier zu beten und zu meditieren.
Als erstes erreichen wir „Schopan Ata“. Als wir den Ort betreten, werden wir gleich von ein paar Leuten gebeten, uns zu Tee und Brot zu setzen. Danach führen sie uns in einen größeren Raum, in dem Männer und Frauen getrennt in Kreisen sitzen. Wir setzen uns dazu und mir wird warmes Wasser über die Hände gegossen. Danach stellen Frauen und Männer in jeden Kreis eine große Platte mit Fleisch und Nudelteigplatten. Wir kennen das Gericht schon, da wir es zwei Tage zuvor selbst mitgekocht haben. Das Fleisch stammt von einem Gönner aus der Runde, der es gestiftet hat, um damit Gutes zu tun. Alle die im Kreis um die Platte herum sitzen essen nun gemeinsam mit den Händen. Dabei sucht sich jeder einen Teil auf der Platte, von dem er sich nimmt. Irgendwie hat diese Form des Essens etwas sehr Nahes und Persönliches. Es macht gefühlt einen Unterschied für mich, ob jeder von seinem eigenen Teller ist, oder alle gemeinsam auf die gleiche Platte greifen. Neben mir sitzt eine Frau mit ihrer Tochter aus Usbekistan.
Auf der anderen Seite sitzen drei Frauen aus dem Norden Kasachstans. Sie alle sind auf der Pilgerreise. Verständigen kann ich mich mit Gesten und ein paar Brocken Russisch. Irgendwie geht das gut. Eine der Frauen spricht sogar etwas Englisch. Nach dem Essen bleiben wir allein in „Schopan Ata“ zurück, da die Gruppe weiter fährt. Mit dem Hinweis, hier nicht zu fotografieren, verabschieden sie sich von uns. Ganz ruhig ist es mit einem Mal, als wir in Richtung der Kultstätten laufen. Bis plötzlich ein junger Kasache mit seiner Mutter hinter uns auftaucht und uns im Schlepptau mit sich nimmt. Das ist ein wundervoller Zufall, da er sich bestens mit den Bräuchen auskennt und dazu noch Englisch sprechen kann. Er erzählt, dass dieser Platz ein Kraft- und Energieort ist, zu dem die Menschen kommen, um für Gesundheit, Streitschlichtung, gegen Kinderlosigkeit oder die Erfüllung von Wünschen zu beten. Wichtig ist, jedes Tor und jeden Eingang zuerst mit dem rechten Fuß zu übertreten und beim Herausgehen rückwärts mit dem linken Fuß zuerst nach draußen zu steigen. So finden wir uns in Meditationshöhlen wieder, die in den Stein gehauen wurden. In der Mitte des Raumes steht jeweils ein nach oben gerichteter Holzpfahl, den man bittend drei Mal umrundet. Einem genau vorgeschriebenen Weg folgend, gehen wir weiter zu einem Brunnen, der hier mitten in der Wüste Wasser in sich birgt. Es ist heilig und förderlich für die Gesundheit. Wir nehmen mutig auch einen Schluck davon. Irgendwie fühlt es sich für mich in dem Moment richtig an, auch davon zu trinken. Am Ende des Weges finden wir uns wieder in dem Raum in welchem wir schon zu Beginn Brot und Tee gereicht bekamen. Nun begreifen wir, dass wir mit dem Ende der Zeremonie begonnen hatten. Wir lassen uns erklären, dass wir zuerst Brot, dann Tee und weitere sieben Dinge, wie Plätzchen, zu uns nehmen müssten, um der Tradition zu folgen. Da sind sie wieder, die sieben Dinge, die wir schon in Iran zum Neujahr kennen gelernt haben. Generell sprechen die Menschen hier den ungeraden Zahlen eine positive Wirkung zu. Ich bin sehr beeindruckt von dem Ort und seiner Wirkung auf mich. Irgendwie fühlt es sich wie eine Fügung für mich an. Am Vormittag ging es mir mental nicht besonders gut und nun sind wir an diesem Ort. Es scheint so gewollt zu sein. Ich habe das Gefühl, wieder mehr Zuversicht, Kraft und Mut in mir zu tragen. Wir verabschieden uns von dem Kasachen und seiner Mutter. Vielleicht treffen wir sie ja in „Beket Ata“ wieder. Dieser heilige Ort liegt 75 Kilometer weiter in der Wüste.
„Beket Ata“ ist als Pilgerstätte moderner ausgebaut. Zu einem Jubiläum von „Beket“ wurde hier alles modernisiert. Für den Präsidenten Kasachstans ist sogar ein Hubschrauberlandeplatz eingerichtet worden. „Beket“ war ein Mann mit übernatürlichen Kräften, der vor gut 250 Jahren hier lebte und auch an diesem Ort verstarb. Eine ungefähr eineinhalb Kilometer lange Treppe führt uns in den Canyon hinein, in dessen Tiefe die Meditationshöhle liegt. Wir haben tatsächlich unsere Begleiter vom Mittag wieder getroffen und gehen den Weg gemeinsam. Der Ablauf ähnelt dem in „Schopan Ata“ und kommt mir nun schon etwas vertrauter vor. So kann ich mich noch mehr in das Erleben hinein begeben. Ich finde es schön, zwei Einheimische an der Seite zu haben. Dadurch empfinde ich mich mehr mittendrin als nur Betrachter zu sein. Nach der Meditationshöhle steigen wir zu einem Wasserloch auf, welches den Augen gut tut. Danach gehen wir weiter zum heiligen Brunnen. Unsere Beiden füllen hier Wasserflaschen für zu Hause auf. Sowohl zum Trinken als auch zum Waschen, wenn es ihnen nicht gut geht, wie sie erzählen. Der Aufstieg aus dem Canyon ist lang und für viele hier bestimmt nicht leicht zu nehmen. Doch ich bin mir sicher, dass es Teil des Pilgerns ist, nicht alles auf einfache Art zu erlangen. Früher war auch der Weg hierher ein tagelanger Fußmarsch oder Ritt mit dem Esel. Heute legen die Strecke Autos zurück. Wir runden die Zeremonie für uns wieder mit Brot und Tee ab, bevor wir uns von unseren Begleitern verabschieden. Sie werden noch bis nachts 2.00 Uhr hier bleiben, so will es die Tradition. Wir hingegen fahren noch ein Stück, um für die Nacht einen Schlafplatz am Rande des Canyons zu finden.
Erledigungen / To do day
01.04.2015 Kasachstan / Zhanaozen / N43°20’58.9“ E052°51’43.7“
Upps, das ging aber schnell! Einfach zum Schalter gehen und die Pässe mit den Stempeln entgegen nehmen. Ist doch ne ganz einfache Sache. Wenn da nicht vier Mal einhundertfünfzig Kilometer dafür zu fahren gewesen wären. Doch das sind hier kleine Entfernungen in diesem riesengroßen Land. Heute ist Tag der Erledigungen. Einmal in Aktau, nutzen wir die Zeit gemeinsam mit Nyssan Bay, nachdem wir die Chinesen zum Flughafen gebracht haben, um einen Geldautomaten zu finden, an dem wir erstmals seid der Türkei wieder Geld abheben können. In Iran und Turkmenistan ging es nur mit dem direkten Umtauschen von Euro oder Dollar. Selbst eine Telefonkarte findet sich schnell und funktioniert sofort. Ohne Freischaltung und langes Warten. Das überrascht uns tatsächlich. Also reiten wir noch ein wenig auf der Erledigungswelle und finden in einem Buchladen eine etwas bessere Landkarte von dem Gebiet hier und fahren zum Basar. Basare kennen wir nun aus der Türkei und Iran. Dort sind es historisch gewachsene Plätze, gigantischen Ausmaßes. Der Basar hier in Aktau ist eine große neu gebaute Halle, in der es kleine Kabinen als Läden gibt. Ähnlich einem Baumarkt in Deutschland, nur dass jede Kabine einen anderen Besitzer hat. Nyssan Bay zeigt uns die neu gebaute Universität, die Dank seinem Freund, dem Rektor, nun Lehrkräfte aus Almaty eingestellt hat und somit Stück für Stück im Ansehen und der Qualität des Lehrens steigt. Zuvor war der Name der Universität eher das Zeichen, die Absolventen nicht einzustellen. So schlecht war der Ruf. Zurück in Zhanaozen treffen wir uns mit zwei Freunden Nyssan Bays, welche die Gegend in und auswendig kennen und uns ein paar Tipps fürs Gelände geben. Die Landkarten selbst sind einfach ziemlich dürftig, was die Menge der Wege und Straßen angeht, die man darauf finden kann. Ich glaube, die meisten Leute, die hier leben, haben ihre Hauptwege die sie fahren. Diese kennen sie und mehr halt meist nicht.
Essen mit den Händen / Eating with our hands
31.03.2015 Kasachstan / Zhanaozen / N43°20’58.9“ E052°51’43.7“
Ich kann nur noch lachen. So ein entsetztes Lachen. Am 31. März schneit es in Kasachstan! Obwohl nun wirklich alle Weissagungen davon sprachen, dass ich hier den Frühling finden werde. Die Einheimischen fühlen sich genau so überrannt vom wilden Treiben des Schnees. Weil der Wind von gestern Freude daran hat, zog er über Nacht den Mantel des Sandsturms aus, um ihn mit dem des Schneesturms zu tauschen. Was für ein eitler Typ! Uns bleibt nur Eines, dicke Sachen anziehen und dem Schnee ins Auge schauen. Nyssan Bay hat uns versprochen zu helfen, wenn es um den notwendigen zweiten Stempel auf unserer Emigration Card geht. Jeder der länger als fünf Tage im Land bleibt, braucht diesen. Der Plan ist, kurzes gemeinsames Frühstück mit den beiden Chinesen, mit denen wir leider nur in „Body Language“ sprechen können. Die zwei danach im Einkaufszentrum absetzen damit sie an ihrem letzten Tag die Montage so richtig rucken lassen und dann mit Nyssan Bay zur Behörde im Ort fahren. Punkt eins, die Frühstückseier schmecken lecker, Punkt zwei klappt schon mal nicht, da wegen des Schneefalls der Strom auf der Baustelle ausgefallen ist. Also Planänderung Nummer Eins. Die Chinesen sollen nicht in der Kälte stehen, also kommen sie mit aufs Amt. Dort erfahren wir, dass es den Stempel nur in Aktau, 150 Kilometer entfernt, gibt. Also macht sich die bunte Truppe, bestehend aus einem Kasachen, zwei Chinesen und zwei Deutschen auf nach Aktau. Irgendwie lustig, dass wir nun einem solchen Stempel 150 Kilometer weit entgegen fahren. Es stürmt und windet über die Straße. Doch das tut dem Tempo der Fahrer mit Sommerreifen keinen Abbruch. Rasend schnell wird über die Straße geheizt. Und all das in dem Wissen, dass in Kasachstan 70% der Führerscheine gekauft sind und nicht nach einer Fahrschulprüfung erworben. Doch O-Ton Nyssan Bay: „Da lernt man eh nicht viel.“ Er fährt gut und bringt uns sicher durch all die rechts und links im Graben liegenden Autos nach Aktau. Das Tempo hält an. Denn auf der Behörde wollen alle zur Mittagspause übergehen die hier drei Stunden lang dauert. Also füllen wir in aller Eile die Formulare aus und Nyssan Bay versucht sein Möglichstes, den Stempel noch vor der Pause aus dem Stempelkissen in die Pässe wandern zu lassen. Doch leider keine Chance. Wir müssen morgen wieder kommen. Ohne Pässe in den Händen rasen wir die 150 Kilometer zurück, da die Chinesen ja heute noch irgendetwas schaffen sollen. Vorausgesetzt der Strom ist wieder da. Ihr Flug geht morgen früh. Und was bis dahin nicht funktioniert wird zum Problem. Denn einen anderen Fachmann gibt es einfach nicht. Derjenige, der zuschauen und lernen sollte, hatte nach kurzer Zeit keine Lust mehr und ist einfach gegangen. Wir sind am Nachmittag mit Indira verabredet. Sie ist Köchin in einer Firmenküche und kocht täglich für die 70 Mitarbeiter. Heute kocht sie für und mit uns und alle haben Freude, da das Abendessen so gewaltig ausfällt. Es gibt das sogenannte „Fünf Finger Essen“. Es ist Pferdefleisch mit Nudeltaschen, Kartoffeln, Zwiebeln und Möhren. Kochen hat auch hier mit Zeit zu tun. Fünf Stunden dauert die Zubereitung. Und gegessen wird traditionell wie in der Jurte mit den Händen. Dazu sitzen alle um eine große Platte drum herum und nehmen sich Stück für Stück mit Daumen, Zeige- und Mittelfinger herunter und lassen es genüsslich im Mund verschwinden.
Zur Abwechslung heute Sandsturm / For a change now a sandstorm
30.03.2015 Kasachstan / Zhanaozen / N43°20’58.9“ E052°51’43.7“
Nach dem Sturm ist vor dem Sturm. Und so tobt „Buran“ heute einfach weiter. Ohne in seiner Kraft nachzulassen, fegt er nun bereits seit zwei Nächten und zwei Tagen über uns hinweg. Dieses unentwegte Tosen, ohne einen stillen Moment, zerrt ganz schön an den Nerven. Trotzdem beschließen wir am Nachmittag weiterzufahren. Wir landen auf einer riesengroßen Ebene, die wir uns offensichtlich nur mit Wildpferden teilen. Doch davon gibt es unzählige. Ich habe meine Freude daran, die bunten Herden, gesund aussehender Pferde, anzusehen. Sie wirken frei und unbeschwert, so ganz in ihrem Element. Wir fahren weiter, der Linie des Kaspischen Meeres folgend. Hoch aufgetürmter Muschelkalkboden bildet ein Hochplateau, welches uns vom Wasser trennt. Wir nehmen Weg um Weg und können nur darauf achten, dass die grobe Richtung stimmt. Hier läuft alles querfeldein. Mich beschleicht ein unheimliches Gefühl. Im Sturm fahren wir, irgendwo auf der Welt, über ein riesiges weites Feld, mal rechts mal links lang. Wo sind wir hier? Was machen wir hier? Mitunter kommt mir unsere Idee, auf diese Art die Welt zu bereisen schon sehr mächtig vor. Habe ich mir zu viel vorgenommen? Dann haben wir plötzlich Telefonempfang und freuen uns darüber. So verschieben sich die Verhältnisse. Ist etwas immer da, ist es nicht der Rede wert. Doch wir waren jetzt zwei Tage ohne jeden Empfang und sehen es als Lichtblick an. Über einen Freund in Deutschland haben wir den Kontakt zu einer Person in Kasachstan. Diese rufen wir jetzt an. Es ist ein freundliches Gespräch an dessen Ende wir zur nächsten Person weiter vermittelt werden, die statt 4.000 nur ca. 1.000 Kilometer von uns entfernt ist. Also für kasachische Verhältnisse gleich um die Ecke wohnt. In diesem Telefonat erfahren wir von einem jungen Mann, der nun wirklich in unserer Nähe lebt und uns noch heute Abend erwartet. Eigentlich wollten wir in Richtung eines Canyons fahren, doch nun ändern wir kurzfristig unseren Plan und fahren nach Zhanaozen. Denn in einem der Telefonate wurde uns dringendst ans Herz gelegt uns so schnell als möglich bei der nächsten Emigrations-Behörde anzumelden um größeren Ärger zu vermeiden. Innerhalb von drei Tagen muss das erfolgen. Nur gut, dass wir das jetzt erfahren. Lesen konnten wir davon nirgendwo. Es ist eben vollkommen unüblich, auf dem Landweg mit eigenem Fahrzeug in dieser Gegend unterwegs zu sein. Da macht sich auch an der Grenze niemand die Mühe, einen auf wichtige Details hinzuweisen. Nun gut. So ist es eben. Unsere Richtung ändert sich also nun von Ost nach Nord und wir erreichen tatsächlich nach einer Weile eine geteerte Straße. Damit hatten wir gar nicht gerechnet, da die „Straße“ von Turkmenistan über die Grenze hinaus nach Kasachstan ja die reinste Berg- und Tal-Bahn war. An irgendeiner Stelle scheint sich die Straße dann wohl überlegt zu haben, dass so ein schwarzer Belag auch was ganz nettes ist. Nun, uns ist es mehr als recht. Kommen wir so doch schneller voran. Schneller? Aus dem Sturm mit tief liegendem Himmel wird plötzlich ein Sandsturm wie wir ihn noch nie erlebt haben. Wir fahren quasi direkt in eine Wand hinein, hinter der nichts mehr zu sehen ist. Wir können nur stoppen und uns Meter für Meter voran tasten. Meine Güte, da hat der mit den „Special Effekts“ aber nun wirklich nicht gespart. Uns würde einfacher Sonnenschein und frühlingshafte Luft doch vollkommen ausreichen. Es muss für uns nicht noch dicker an Aufregung aufgetragen werden. Hat das jetzt mal bitte jemand gehört, der darauf Einfluss nehmen kann???!!! Irgendwie und irgendwann erreichen wir Zhanaozen wo Nisanvay uns erwartet. Es ist ein lustiger Abend mit vielen Themen und unserem ersten „Bortsch“. Er schmeckt köstlich nach diesem stürmischen Tag. Zur Abrundung zeigt uns Nisanvay noch sein Bauprojekt, ein Einkaufszentrum, welches in zwei Monaten öffnen soll. Doch es gibt Lieferschwierigkeiten an allen Ecken und Enden. Zwei Chinesen montieren gerade das neue 5D Kino in dem wir uns probeweise wild durch die Gegend schaukeln lassen und eine rasante Achterbahnfahrt in 5D erleben. Genau der Spaß, der heute passt!
Sturm „Buran“ / Storm „Buran“
29.03.2015 Kasachstan / Kendirli / N42°03’31.3“ E052°27’10.8“
Es heult, es pfeift, es dröhnt, es braust, es tost, es wackelt, es schaukelt, es ist laut und angsteinflößend. Gestern Abend, wir haben uns gerade hingelegt, da geht er los. Ein mächtiger Sturm, der von Minute zu Minute stärker wird und eine Kraft entwickelt, die uns hier im Leo nicht zur Ruhe kommen lässt. Wir haben schon gehört, vom „langanhaltenden Sturm Buran“. Dass er uns nun überrascht, damit haben wir nicht gerechnet. Ohren zuhalten reicht nicht. Ich suche nach den Ohrstöpseln und hoffe, dass sie ein klein wenig helfen. Mit abgemildertem Dröhnen im Kopf versuche ich einzuschlafen und mich zu beruhigen in dem ich mir sage dass der Leo schwer genug ist und nicht umgehauen wird. So geht das die ganze Nacht. Am Morgen als es hell wird geht der Sturm einfach weiter. Der kalte Fallwind „Buran“ hat uns innerhalb kürzester Zeit einen Temperatursturz von plus 17 Grad zu minus 1 Grad beschert. Ohne Atempause behält er seine Stärke bei. Uns bleibt nichts übrig, als in unserem schwankenden „Leo-Schiff“ auszuharren. Was „langanhaltender Buran“ tatsächlich bedeutet, wissen wir nicht. Wir können nur warten. Und ich muss es schaffen, bei all dem innerlich ruhig zu bleiben und versuche mich zu entspannen. Sten unternimmt einen Versuch, den Leo noch etwas günstiger zur Windrichtung zu stellen. Beim Öffnen der Fahrertür reißt ihm der Sturm die Tür aus der Hand und schlägt sie komplett nach vorn. Mit ner Beule im Blech und einem gerissenen Türband sind wir noch einmal davon gekommen. Wir hoffen, das Band irgendwo schweißen lassen zu können. Die Schutzhülle vom Motorrad hat der Wind vollkommen zerfetzt. Mal sehen, was wir uns dafür nun einfallen lassen. Weitere Aktionen, nach draußen zu gehen, unternehmen wir nicht. So sind wir heute erstmals seit drei Monaten einfach im Leo und reden, lesen und schauen unseren ersten Film. Dafür war bisher nur wenig Zeit. Immer war etwas los, immer waren wir unterwegs. Vielleicht ist es genau das, was wir jetzt hier tun sollen. Uns auf uns selbst besinnen und die Gewalten um uns herum sich selbst überlassen. Wir sind alle ein Teil vom Ganzen. Am Ende gehört alles zusammen. Wir haben unsere Rolle in dem Spiel, doch es ist nicht die Hauptrolle. Um die geht es nicht, glaube ich. Sich selbst nicht so wichtig nehmen und annehmen was sich gerade ergibt. Auch wenn es fremd ist und einsam und unerforscht. Ich merke immer wieder wie schwer es für mich ist, draußen in der reinen Landschaft ohne andere Menschen das Ruder aus der Hand zu geben und mich dem anzuvertrauen was geschieht. Es passiert sowieso, ob mit Hand am Ruder oder ohne. Also ist es eigentlich Kraft sparender wenn ich mich einlasse. Nicht nur die Angst vor der unendlich scheinenden Weite und dem Gefühl, darin verschluckt zu werden oder sich darin zu verirren, dominieren zu lassen. Gleichzeitig das Schöne und Einmalige daran erkennen und es bewusst erleben, auch wenn es kalt oder stürmisch und befremdlich ist. Meine große Übung. Und hier im riesigen Kasachstan, dem neuntgrößten Land der Erde, ist ne Menge Platz zum üben.
Am Ende der Welt / At the end oft the world
28.03.2015 Kasachstan / Kendirli / N42°03’31.3“ E052°27’10.8“
Wie vielen „Enden der Welt“ wir auf unserer Reise noch begegnen werden weiß ich nicht. Ich kann nur mit Sicherheit sagen, dass wir heute an einem davon sind. Ein schmaler Steg, „Straße“ genannt, führt zwischen Kaspischem Meer und einem großen Salzsee zum letzten Ort des Landes Turkmenistans. Seit gestern kann uns nicht in den Kopf gehen, wie eine solch schlechte Straße die einzige Verbindung zwischen Turkmenistan und Kasachstan sein kann. Wir merken, dass hier tatsächlich alles rauer, unkomfortabler und härter ist. Im letzten Ort angekommen freuen wir uns geradezu von einer Polizeikontrolle angehalten zu werden. Das bedeutet menschlichen Kontakt. So erfahren wir, dass es hier sogar eine Tankstelle und einen kleinen Laden gibt. Da wir noch einige „Manat“ (1 Manat ca. 30 Cent) bei uns haben, wollen wir die gern hier in Ware umsetzen. Der Liter Diesel kostet im ganzen Land 0,94 Manat. Und ist somit immer noch weitaus günstiger als in Kasachstan. Das restliche Geld setzen wir in Lebensmitteln um und bescheren dem Jungen in seinem Laden wohl heute einen Spitzenumsatz. Ich frage mich nur, ob er sich darüber freut. Da ich nicht weiß, wann an diesem Zipfel wohl die nächste Lieferung ankommen wird. Wie lange die Ware des Ladens also reichen muss? Mehrere Versuche den Weg zur Grenze zu finden scheitern. Wir landen auf den Holperwegen jedes Mal im Niemandsland. Zum Glück sehen wir am Horizont ein Auto welches auf uns zugefahren kommt. Der Fahrer begleitet uns bis zu einem Abzweig, der dann leider wieder in einer Salzgewinnungsanlage endet. Langsam wird die Suche nach dem Weg anstrengend, da auch die Zeit drängt. 17 Uhr schließt die Grenze, dann läuft auch unser Visum aus und wir haben keine Ahnung, wie lange sich das hier noch hin zieht. Ein Versuch eines Abzweiges bleibt uns noch. Der endet dann zwar vor irgendeinem Fahrzeughof, doch die Frau an der Wache zeigt mit dem Finger um den Hof drum herum und dann in ausladenden Gesten weit in die dahinter liegende Richtung. Alles klar. Wir sind nahe der Route. Was sich uns nun als Weg zur Grenze offenbart macht mich absolut sprach-, fassungs- und hilflos. Es ist ein Salzverkrusteter Weg der tiefere Krater kaum haben kann und auf dem sich offensichtlich jedes Fahrzeug, wenn hier denn welche fahren, seinen eigenen Weg sucht. Im Schneckentempo kämpfen wir uns von Loch zu Loch ohne eine Ahnung davon zu haben ob wir nun auch tatsächlich auf der Strecke Richtung Grenze sind. Ich kann mir absolut nicht vorstellen, wie hier Last- und Personenverkehr funktionieren soll. Wohl gemerkt, es handelt sich hier um die einzige Grenz-Verbindung zwischen Turkmenistan und Kasachstan! Bei all dem haben wir noch Glück, denn es ist einigermaßen trocken. Wenn es hier regnet... Na dann gute Nacht!
Nach 35 Kilometern strapaziösestem Auf und Ab sehen wir plötzlich am Horizont einen weißen Marmorbau. Ich glaube, ich habe mich noch nie so sehr gefreut, eine Grenze zu sehen, wie in diesem Augenblick. Ein Haufen Anspannung fällt urplötzlich von mir ab. Und da ist es mir auch vollkommen egal, was nun wieder an Prozedur auf uns wartet. Wir sind 45 Minuten vor Grenzschließung da und alles andere wird sich ergeben. Es dauert alles seine Zeit, doch sowohl auf der turkmenischen als auch auf der kasachischen Seite sind alle sehr freundlich zu uns. Keiner kann sich vorstellen, wie man ein Jahr lang hier wie wir unterwegs sein kann. Wir können es uns ja im Grunde ebenso wenig vorstellen und leben von Tag zu Tag, von Hoffnung zu Hoffnung, von Erlebnis zu Erlebnis. Nach zwei Stunden sind wir durch beide Grenzstationen durch und fahren vorbei an der unendlich langen Schlange an PKWs die von Russland nach Turkmenistan gebracht werden sollen. Es scheint uns, als ob die Fahrer die modernen Nomaden sind, die für lange Zeit irgendwo unterwegs sind. Ob die Fahrzeuge jemals in Turkmenistan ankommen? Ich weiß es nicht. Gemessen an all den Autos, die da dick eingestaubt und verlassen auf großen Plätzen stehen, habe ich so meine Zweifel. Zwei Stunden bleiben uns noch bis zum Einbruch der Dunkelheit. So ist Eile geboten, nun irgendwie einen Weg zum Kaspischen Meer zu finden. Quer feldein fahrend, orientieren wir uns an unserem GPS Gerät und erreichen tatsächlich noch mit dem allerletzten Fitzelchen Tageslicht ein Plateau oberhalb des Wassers. Hier beschließen wir zu bleiben, um morgen weiter zu sehen. Uns in Einsamkeit wähnend werden wir doch heute Abend noch zwei Mal von Besuchern überrascht. Einmal sind es Angler, die in der Dunkelheit plötzlich vor uns stehen. Das zweite Mal steht ein Mann sofort in unserem Leo und schaut sich um. Andere Länder, andere Sitten. Für uns ist es ein vollkommen neues Verhalten im Gegensatz zu der Zurückhaltung der Iraner.
Mit Leo am Kaspischen Meer / With Leo by the Caspian Sea
27.03.2015 Turkmenistan / Cape Garaseni / N40°42’50.0“ E052°51’41.8“
Gut bewacht verbrachten wir die Nacht neben einem Institut, in welchem nun am frühen Morgen geschäftiges Treiben des Hinein- und Hinauseilens herrscht. Wir frühstücken in Ruhe bevor wir uns auf en Weg zum Kaspischen Meer machen. Einfach geradeaus führt unsere Strecke, immer Richtung Westen. Mit kontinuierlichen 80 km/h kommen wir vorwärts. Ob nun die Messpistolen der Polizei ungenau sind oder ob die Polizisten unseren Leo einfach spannend finden, wissen wir nicht. Auf jeden Fall werden wir mindestens alle halbe Stunde angehalten. Entweder wegen 2 km/h Tempoüberschreitung, irgendeiner Form der Registrierung oder einfach so. Manchmal geht es schnell, weil denen dann die Sprachbarriere zu hoch ist, manchmal zieht es sich hin, bis jedes Dokument mehrfach von allen Seiten betrachtet ist, oder eilig damit von Tür zu Tür in den kleinen Kontrollhäuschen gerannt wird.
Die Fahrt selbst ist schön. Sie führt uns an Dünenfeldern und Salzseen vorbei und uns wird klar, wie weitläufig es hier zugeht. Platz ist nicht das Thema. Die Frage ist, welche Flächen nutzbar sind. Und so leben die 6 Millionen Einwohner Turkmenistans zumeist in den mittelgroßen Städten (860.000 Einwohner hat allein Ashgabat) des Landes und vereinzelt verstreut auf dem Land. Doch an sonstem besteht Turkmenistan aus weiten Wüstenlandschaften. Turkmenbasi ist der beliebte Urlaubsort am Kaspischen Meer, in den es die Menschen im Sommer zieht. Als wir die Stadt erreichen, sehen wir all die Hotels, die auf die urlaubshungrigen Gäste warten. Noch ist alles ruhig und leer und so nutzen wir die Hotellobby des besten Hotels der Stadt „Carlak“, um einen Versuch zu starten, ins Internet zu kommen. Emails checken gelingt uns, doch um unsere Berichte und Bilder in den Blog zu stellen, ist die Verbindung zu schwach. Also bleibt uns nur die Hoffnung, dass es in Kasachstan funktioniert. Mit einem Taxi fahren wir zur Meldebehörde. Da uns überall gesagt wird, dass wir uns nach drei Tagen spätestens im Land angemeldet haben müssen. Die Herren dort sind anderer Meinung. Als Selbstfahrer müssten wir das erst nach fünf Tagen tun. Da unser Visum uns jedoch nur erlaubt, vier Tage im Land zu sei, werden wir ohne Stempel weg geschickt. Keine Ahnung, ob die das an der Grenze dann genau so sehen?! Wenigstens einen handgeschriebenen Zettel konnten wir den Herren noch abluchsen, der besagt, dass wir bei der Meldestelle waren. Dann wird es einsam.
Die 200 Kilometer von Turkmenbasi bis zur kasachischen Grenze fahren nur noch sehr wenige Fahrzeuge. Und wenn, dann sind es LKWs die über die mehr als löchrige Straße RASEN, so dass uns schlecht wird beim zusehen. Für die Nacht finden wir eine schöne Stelle am Wasser und genießen den Blick auf die Wellen und das Rauschen in unseren Ohren.
Eine Stadt ganz in Weiß, Gold und Grün / A city completely in withe, gold and green
26.03.2015 Turkmenistan / Bereket / N39°15’37.6“ E055°32’26.8“
Es schüttet wie aus Eimern auf unseren Leo herab als wir am Morgen erwachen. Von wegen, das sind hier alles regenarme Gebiete. So richtig kann ich das gar nicht glauben. Gemessen an den Regenmengen, die uns bisher begegnet sind. Doch wir freuen uns für die Menschen die hier leben und erfreuen uns am Tropfenklang.
Slava klopft am Leo an und gibt uns das Zeichen zum Frühstück. So waten wir durch den Schlamm ins Haus und essen mal wieder mit Messer und Gabel. Ist richtig ungewohnt, nicht einfach alles mit dem Brot zu greifen, um es sich anschließend in den Mund zu schieben. Gestärkt machen wir uns zu einer Fahrt durch die Stadt auf den Weg. Valerya erzählt uns, dass es eine Anweisung gibt, Neubauten ausschließlich in Weiß, Gold, Grün, ergänzt durch Glas und Metall, zu bauen. Der Marmor dafür wird aus Italien, Iran und der Türkei importiert. Aber da alle scharf auf das Erdgas Turkmenistans sind, ist das Geschäft sicher kein Problem. Autos dürfen ausschließlich die Farbe Weiß tragen. Außer ein paar älteren Modellen in anderen Farben ist diese Verordnung offensichtlich gut durchgesetzt, wie mir scheint.
Bei unserer Fahrt durch die Stadt mache ich ein paar Fotos vom Fenster aus. Oft muss ich es jedoch sein lassen, da es sich um öffentliche Gebäude handelt und diese nicht fotografiert werden dürfen. Ich finde das schade, ist es doch eine Chance, dass die Menschen außerhalb Turkmenistans einen Eindruck davon bekommen, wie es hier aussieht, wenn Besucher mal Bilder machen. Ich hatte es mir zum Beispiel ärmlicher vorgestellt als ich es heute erlebe. Nun gut, jedes Land hat seine eigenen Sitten und so lasse ich die Kamera stecken.
In einer Bäckerei hole ich sie wieder heraus. Denn es ist einfach genial anzuschauen, wie die Fladenbrote geformt und an die Ofenwand geknallt werden. Die Öfen sind aus Lehm und am Boden liegt eine Gasspirale die das Feuer spendet. Ganz warm und frisch schmeckt Brot ja immer am besten. So schaffen es auch diesmal nicht alle Brote komplett bis zum Auto. Zur Bank fahren wir weiter um Geld abzuheben was leider nicht gelingt. Das Umtauschen klappt dann reibungslos, was uns wiederum freut. Denn zum Tanken brauchen wir Bargeld. Karte geht da nicht. Zurück von unserer City-Rundfahrt gibt’s noch einmal vom leckeren „Plov“ von gestern Abend zu essen. So gut durchgezogen schmeckt er einfach wunderbar. Und dann? Leider, leider müssen wir aufbrechen, da rund 1.000 Kilometer Strecke bis zur kasachischen Grenze vor uns liegen, wir nur noch zweieinhalb Tage Zeit haben und nicht wissen, wie die Straßen sind.
Gern würden wir uns in Turkmenistan länger umsehen, doch so freuen wir uns, dass Valerya und Slava uns wenigstens einen kleinen Eindruck von Ashgabat vermitteln konnten. 2017 findet hier die asiatische Indoor-Olympiade statt. Von der hatte ich zuvor noch nie gehört. Auf jeden Fall wird deshalb im Moment viel gebaut so dass es überall Sperrungen und Umleitungen gibt. So sind wir froh, dass die beiden uns aus der Stadt heraus führen. Allein ist das nicht zu machen. Wieder ein Abschied nach einer schönen gemeinsamen Zeit. Slava hätte so gern noch Schaschlik für uns gebraten. Doch den gibt’s dann beim nächsten Mal! Für uns geht es nun an der iranischen Grenze entlang wieder Richtung Kaspisches Meer. 300 Kilometer schaffen wir noch bis die Dunkelheit über uns herein bricht. Dann halten wir an, da es einfach zu gefährlich ist, im Dunkeln die Bodenwellen zu übersehen. Der Leo macht dann Riesensprünge, die ihm echt nicht gut tun. Darauf gebe ich mein Ehrenwort mit meinem Daumenabdruck. Gestern an der Grenze stand nämlich ein Gerät für Fingerabdrücke von der Firma „Crossmatch“... Was haben wir uns gefreut.
Eine besondere Überraschung / Special surprice
25.03.2015 Turkmenistan / Asgabat / N37°55’20.9“ E058°25’57.7“
Wir nehmen Abschied in aller Frühe. Haleh und Sasan sind so lieb und stehen extra mit uns auf. Haleh lässt es sich nicht nehmen, uns bis zum Stadtrand zu begleiten so dass wir den Weg nicht verfehlen können. Noch einmal spüren wir, wie sehr ihnen hier am Herzen liegt dass wir eine gute Zeit in Iran haben. Und, JA, die hatten wir!!!! Niemals werden wir das vergessen. 200 Kilometer sind es bis zur Grenze. Erst durch Ortschaften hindurch. Später wird die Landschaft bergig, die Straße leer und die Gegend einsam. Das Grenzgebiet zwischen Iran und Turkmenistan ist ein natürliches Gebirge. Es zieht sich entlang der gesamten Grenzlinie. Fast vier Stunden brauchen wir für die Strecke, da es in den Bergen für uns nur langsam voran geht. Doch Leo hält gut durch. Das ist das Wichtigste. Bis zur Grenze begleiten uns Sonnenschein und ein strahlend blauer Himmel. Das ist das letzte Bild, was ich von Iran in meinem Kopf abspeichere. Der Grenzübergang selbst liegt auf einem Hügel. Als wir diesen hinauf fahren, fällt aus den turkmenischen Bergen eine dicke schwere Wolkenschicht über das ganze Gebiet. So wechselt die Stimmung von einem Moment zum nächsten von „sonnig leicht“ auf „wolkig schwer“. Alles Handeln bekommt in dieser Atmosphäre gleich einen ernsthaften Anstrich. Nun, so ist Grenze eben...
Es ist nicht sonderlich viel los, hier auf der iranischen Seite. Und so steht, wie zufällig, gleich ein Mann am Wegrand der uns hilft die Formalitäten mit dem „Carnet de Passage“ zu erledigen. 20 Dollar soll das am Ende kosten. Wir geben ihm 10. Ein gutes Zusatzgeschäft, welches hier seine Routine zu haben scheint. Die Ausreisestempel gibt es unkompliziert und schnell. So dass wir nach einer Stunde an der turkmenischen Grenze stehen. Was ist meine erste Handlung? Ja, ich nehme mein Tuch vom Kopf und spüre den Wind in den Haaren. Ein herrlich befreiendes Gefühl für mich. Ich hatte mich in den vergangenen sechs Wochen gut damit arrangiert, doch nun freue ich mich, es wieder selbst in der Hand zu haben, was ich auf dem Kopf trage, oder was eben nicht. Mit ein wenig Englisch und sogar mit ein paar Brocken Deutsch werden wir von den turkmenischen Grenzern begrüßt.
Die Pässe werden an den unterschiedlichsten Stellen immer wieder in Augenschein genommen. Hier scheint ein 12-Augen Prinzip zu herrschen. Dann finden wir uns hinter einer Gruppe bunt gekleideter Frauen wieder, die Unmengen an Kissen in Iran gekauft haben und nun mit ihrer voluminösen Beute an der Grenze stehen. Die Gesichter der Frauen finde ich schön. Sie tragen eine Natürlichkeit, die gelebtes Leben ausstrahlt. Bunte Kopftücher und die reich verzierten Kleider geben der Gruppe einen freundlichen Touch. Wir müssen warten und so bleibt mir genug Zeit, den Frauen ganz in Ruhe zuzusehen. 22 Dollar zahlen wir für eine Grenzgebühr. Diesmal MIT Quittung. Dann wird uns ein Einreisestempel in den Pass gedrückt. 180 Dollar wollen sie später noch von uns als Straßennutzungsgebühr. Dollar und Euro an den Grenzen bereit zu halten ist immer hilfreich. Man wird sie in jedem Fall los...
Schon fertig? NEIN, noch lange nicht! Jetzt beginnt der Prozess der Sicherheitskontrolle vom Leo. Quasi alles wird einmal von innen nach außen, von oben nach unten oder sonst wohin gewendet. Privatsphäre spielt da nicht unbedingt die große Rolle. Selbst unser Bett wird komplett durchforstet und durchwühlt. Wonach sie suchen, fragen wir. Die Antwort ist: „Waffen und Rauschgift“. Wir lassen alles in Ruhe geschehen, zeigen, was die Grenzer sehen wollen und fügen uns dem was gerade ist. Nach vier Stunden sind wir mit allem fertig. Da kommt der Chef vom Ganzen auf Sten zu und verkündet ihm: „Wir haben noch eine spezielle Überraschung!“ Der Leo soll komplett geröntgt werden. Wir nehmen es gelassen und fahren die zwanzig Kilometer durchs Gebirge ins Tal wo noch einmal ein Grenzzaun und Kontrollen auf uns warten. Samt einem Mann der mit uns nach Asgabat zur Röntgenstation fährt. Die Straßenschilder können wir nun wieder lesen. Denn Turkmenistan hat lateinische Schriftzeichen. Und so steht fast alles dreisprachig in Russisch, Turkmenisch und Englisch geschrieben. Ich hatte keine Vorstellung von Turkmenistan und merke, wie überrascht ich bin, als wir uns auf extrem breiten Straßen, gerahmt von monströsen Marmorbauten wieder finden. Die ganze Stadt wirkt weiß. Das Röntgen geschieht an einem speziellen Terminal, in dem alle LKWs durchleuchtet werden, die ins Land kommen. Hier ist alles niegelnagelneu und scheint auf Zuwachs angelegt. Beim Durchleuchten scheint nur unser Wassertank für Aufmerksamkeit zu sorgen. Der ist schnell gezeigt, dann sind wir fertig. Über eine langjährige Freundin aus Deutschland, die für internationale Projekte immer mal nach Turkmenistan reist, haben wir die Telefonnummer von Valerya. Sie spricht perfekt Englisch und so schlägt sie vor, uns am Terminal abzuholen. Sie hat einen weißen Toyota. Doch das hilft als Erkennungszeichen nicht viel. Denn wie wir merken, fahren hier fast ausschließlich weiße Toyotas. Uns zu erkennen scheint da einfacher und so steht sie plötzlich mit ihrem Mann Slava vor uns. Er hat blaue Augen und sieht sehr europäisch aus. Wie sich heraus stellt, sind seine Vorfahren auch tatsächlich Deutsche gewesen. Leider ist von Generation zu Generation das Deutsch sprechen verloren gegangen. Mit den beiden fahren wir quer durch Asgabat und halten vor einem viergeschossigen Block. Höher darf wegen der Erdbeben Gefahr hier eigentlich nicht gebaut werden. Die neuen Herren im Land scheint das wenig zu interessieren, wie uns erzählt wird, und so schießen in der Umgebung Hochhäuser aus dem Boden. Die Wohnung von Valerya und Slava ist gemütlich eingerichtet. Und auch Leo findet vor dem Haus einen guten Platz. Valerya weiß von unserem Kochprojekt und hat schon alles genau geplant. In der Nachbarschaft warten fünf Frauen darauf, für und mit uns traditionelle turkmenische Speisen zu kochen. Alles findet wieder auf dem Fußboden statt. Eine Art, die wir ja sehr mögen und aus den letzten Wochen gut kennen. Die Nachbarn sind Moslems und so bilden sie für uns eine Brücke nach Iran. In den Schüsseln wird Mehl zu Teig verrührt, Fleisch und Gemüse geschnitten und am Ende entsteht ein tolles vier-Gänge Menü. Mit Öl wird heute wahrlich nicht gespart. Ich glaube, am Ende sind es fünf Liter die verarbeitet werden. Sten freut sich über die Lösung des Öl-Problems. Er lässt es in seinem Körper vom ersten, zweiten, dritten Bier nach sechs Wochen aufsaugen!
Obwohl wir schon „lange“ nichts mehr von Euch gehört haben, hoffen wir, daß es Euch gut geht und der Leo zuverlässig seine Kreise zieht…!
Wir verfolgen Euer spannendendes Abenteuer mit großer Bewunderung und freuen uns mit über jede Begegnung, die Ihr habt. Eure Schilderungen bestärkten unser Vorhaben, einfach auf eigene Faust loszufahren in Iran – am 14 Mai werden wir für 11 Tage eine Schnuppertour am Rande der Kavir starten.
Wir wünschen Euch immer eine Handbreit Luft unter den Achsen und uns, daß Ihr mal wieder Netzzugang habt!
Hallo Ramin, Don´t worry – we will never forget you, the Iranien culture and the wonderfull food. Shure we will come back – promise!
EdeundSten
it seems you had better time in Mashhad. I feel jealous! you left Iran but don’t forget you are still in the Greater Iran; the cultural realm of Iran! (Iranian chauvinism!)
wish you the best in ESHGHABAD!