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„Nach Russland? Kleine gebrauchte Scheine mitnehmen, keinen Selbstgebrannten trinken, und vor allem, bloß nicht anhalten!“

Wir wurden gewarnt! Doch es kam anders! Kein einziges sich hartnäckig haltendes Vorurteil konnte bestätigt werden. Nicht einmal, das alle Russen saufen bis zum Umfallen! Stattdessen haben wir in 2 Wochen selten so viele nette, fröliche und gesprächige Menschen kennengelernt, wie auf dieser verrückten Reise nach russisch Karelien.

 

Da gab es Sergej und seinen Freund, zwei leidenschaftliche Kawasakifahrer, und Anna und Tanja, zwei Studentinnen, die uns Petrosawotsk und das Café "Sigmund Freud" zeigten. Da gab es den 11 jährigen Sascha und seinen Freund aus der Ukraine, der uns bei ohrenbetäubendem Getöse auf der Fahrt auf einem Raketenboot deutsche Lieder so vorsang, das wir sie auch tatsächlich verstanden haben. Da geht uns der drahtige alte Mann aus dem Dorf Karsevo durch den Kopf, der Tag für Tag in seinem Lada auf Kundschaft wartet und uns mit seinem alten Motorboot 6000 Jahre alte Felszeichnungen bei Besow Nos zeigte. Da gab es den, im Kampfanzug verpackten, Aleksej und seinen Freund aus Gakugksa, die uns in ihr Waldhaus auf ein paar Gläser Selbstgebrannten und Dörrfisch einluden. Da waren Elena und Ihre kleine Tochter Anastasia aus Brest in Weissrussland, die uns von Ihrem Organic-Projekt "Harmony" vorschwärmten, uns selbstgemachten Apfelsaft schenkten und mit uns zusammen am Onegaufer Yoga machten. Da trafen wir Mariusz Wilk, den polnischen Schriftsteller, der seit 20 Jahren in Russlands Einsamkeit mit seiner Frau Natalia und Tochterheimisch geworden war. Da gab es den Schachtarbeiter und Kosaken Wiktor mit seiner Frau Klawa, die mit siebzig Jahren ohne Wasser und Strom allein in dem verlassenen Weiler Ust-Jandoma am Ende der Welt wohnen. Da war Waleri, der uns schmerzhaft spüren ließ, was der Unterschied zwischen einer deutschen Sauna und einer russischen Banja tatsächlich ist, und seine lustige TochterKatja, die unbedingt die Welt jenseits des Onegasees kennenlernen will. Da begegneten wir den zwei resoluten Frauen, die mich zum Teppichschleppen herangewunken haben, und denen es danach unendlich peinlich war, als sie erfuhren, das ich überhaupt kein Russe war. Da war die Verkäuferin, die uns, als wir auf der Heimfahrt endlich auch eine kleine Flasche Wodka kaufen wollten, diese mit dem Hinweis verweigerte: "Njet, heute kein Wodkaverkauf! Morgen ist für die Kinder Schulanfang!" Und da waren noch die beiden Motorradfahrer aus St. Petersburg auf ihrem Weg nach Sizilien. Anton, der kein Fleisch ist und Iwan der keinen Alkohol trinkt.

 

Tolle, einfache, besondere Menschen eben!

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Der Onegasee, zweitgrößter See Europas und fast so groß wie Ostdeutschland.

W er kennt schon den zweitgrößten See Europas? Der liegt gleich neben dem größten See Europas, dem Ladogasee. Dieser hat allerdings schon fast die Dimensionen eines Meeres. Und wo liegen diese beiden Seen? In Karelien, genauer gesagt in russisch Karelien, östlich von Finnland. Eigentlich gar nicht so weit weg von hier, jedoch in einer ganz anderen Welt.

Das Muromski Kloster, in absolute Abgeschiedenheit, und nur auf dem Wasserweg erreichbar.

U nser Vorhaben, das Muromski Kloster auf dem Landweg zu erreichen, ist trotz unseres geländegängigen LKWs gescheitert. Zu dicht die Wälder, zu tückisch die Sumpfgebiete. Also sind wir mit einheimischen Fischern mit dem Boot zum Muromski Kloster gefahren. Wir hatten uns gefragt, warum erreicht man das Kloster so schlecht? Dannach war es uns klar - die Mönche wollen in Ruhe gelassen werden.

Der alte Kosake Wiktor und seine Frau Klawa, ein Leben in der Stille, ohne Wasser und Licht.

A ls mir an jenem Abend Wiktor begegnete, wollte er mir als Erstes eine Ohrfeige mit der Begründung geben, dass wir seine Ruhe stören. Vielleicht habe ich aber die anfängliche Agressivität auch falsch interpretiert. Denn als er mir zu verstehen gab, das er Kosake ist und aus einem Schacht in Workuta stammt, war mir alle klar, es war keine pure Agressivität, sondern das heißblütige Kosakenblut, welches mit siebzig Jahren immer noch in Ihm fließt. Der Abend bei Wiktor und Klawa hat uns nachdenklich gemacht. Wie schafft mann es in einer solchen Einsamkeit, ohne Strom und ohne Brunnen, zu überleben. Lediglich 3 Monate bleiben den Beiden im Sommer, sich auf den kommenden Winter vorzubereiten: Holz zu hacken, Heu zu machen und die Ernte einzufahren.

Die Banja sollte man nicht mit einer Sauna verwechseln.

F ür die 30 Kilometer von Wiktor und Klawa zu Walerie brauchten wir einen ganzen Tag. Ein Wanderer wäre auch nicht viel langsamer gewesen. So erreichten wir im Schrittempo das letzte Dorf, danach war Schluß. Hätten wir nicht einen Tipp bekommen, wir hätten nicht vermutet, dass in dieser Abgeschiedenheit noch Menschen leben. Der drahtige Walerie hat sich hier ein kleines Angelparadies geschaffen. Also fuhren wir mit Ihm zum Angeln. Danach wurde die Banja angeheizt. Wir kamen uns vor wie in der Hölle, so heiß war es darin. Walerie peitschte uns regelrecht aus, mit seinem Birkenreisig, ein Ritual, welches er als "Exikuzia" bezeichnete. Danach fühlten wir uns auch so! Eine besondere Erfahrung, weniger Entspannung, mehr Körperbeherrschung!

Ein Vierteljahr Frühling, Sommer, Herbst. Der Rest ist Winter.

F ür uns unvorstellbar. Im Winter Tag und Nacht alle vier Stunden das Wasserloch am Onegasee vom Eis zu befreien, sonst friert es definitiv zu. Jedoch sagten die Einheimischen: "Hier in unserer Gegend, am Onegasee, ist es nicht so kalt wie im Norden. Hier werden es nur minus 30°C!" So hell die weißen Nächte im Sommer sind, so dunkel und ungemütlich ist es die restlichen neun Monate. Wir konnten in diesem Jahr die letzten Sommertage miterleben, und genossen den Luxus, komplett ohne Mücken zu sein! Alles begann damit, das mir Ede zu Beginn unseres Urlaubes ein Buch schenkte, mit dem Titel "Das Haus am Onegasee" von Mariusz Wilk. Aus dieser fixen Idee dieses Haus zu suchen, ist dann tatsächlich Realität geworden. Gefunden haben wir nicht nur das Holzhaus, sondern auch noch den Schriftsteller Mariusz Wilk seine Frau Natalia und seine kleine Tochter, an einem Spätsommertag, der schöner hätte nicht sein können.

 

 

Petrosawodsk – die Kannonengiesermetropole des Zaren am Onegasee

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