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„Schopan Ata“ und „Beket Ata“ / „Schopan Ata“ and „Beket Ata“

02.04.2015 Kasachstan / Beket Ata / N43°36’26.7“ E054°04’08.7“

Die Gegend lebt vom Erdöl und Erdgas welches hier in großen Mengen gefördert wird. Felder gigantischen Ausmaßes, bestückt mit den Fördertürmen, prägen um Zhanaozen die Landschaft. Den Ort selbst gibt es nur wegen des Öls und er wird von Jahr zu Jahr größer. Wir verlassen Zhanaozen und fahren Richtung Osten, um die nächsten Tage in einem großen Canyon zu verbringen. Vorher verabschieden wir uns von Nyssan Bay, der uns noch einen Kontakt zur Stadtverwaltung aufbauen wollte. Das hat tragischer Weise heute nicht geklappt, da zehn Mädchen ein aus Indien stammender Impfstoff verabreicht wurde und diese Mädchen nun an lebensgefährlichen Krämpfen und Wahnvorstellungen leiden. Mich erschüttert diese Nachricht, macht mich sehr traurig und ich hoffe, dass den Mädchen geholfen werden kann und sie wieder gesund werden!!!
Die meisten Wege sind hier Pisten. Befestigte Straßen gibt es im südwestlichsten Zipfel Kasachstans kaum. So biegen wir bald von der Straße ab und finden uns auf der Piste wieder. „Schopan Ata“ und „Beket Ata“ sind heute unsere Ziele. Es sind Friedhöfe, Pilgerstätten und Meditationsplätze aus lang vergangener Zeit. Die Menschen kommen von weit her, um hier zu beten und zu meditieren. Als erstes erreichen wir „Schopan Ata“. Als wir den Ort betreten, werden wir gleich von ein paar Leuten gebeten, uns zu Tee und Brot zu setzen. Danach führen sie uns in einen größeren Raum, in dem Männer und Frauen getrennt in Kreisen sitzen. Wir setzen uns dazu und mir wird warmes Wasser über die Hände gegossen. Danach stellen Frauen und Männer in jeden Kreis eine große Platte mit Fleisch und Nudelteigplatten. Wir kennen das Gericht schon, da wir es zwei Tage zuvor selbst mitgekocht haben. Das Fleisch stammt von einem Gönner aus der Runde, der es gestiftet hat, um damit Gutes zu tun. Alle die im Kreis um die Platte herum sitzen essen nun gemeinsam mit den Händen. Dabei sucht sich jeder einen Teil auf der Platte, von dem er sich nimmt. Irgendwie hat diese Form des Essens etwas sehr Nahes und Persönliches. Es macht gefühlt einen Unterschied für mich, ob jeder von seinem eigenen Teller ist, oder alle gemeinsam auf die gleiche Platte greifen. Neben mir sitzt eine Frau mit ihrer Tochter aus Usbekistan. Auf der anderen Seite sitzen drei Frauen aus dem Norden Kasachstans. Sie alle sind auf der Pilgerreise. Verständigen kann ich mich mit Gesten und ein paar Brocken Russisch. Irgendwie geht das gut. Eine der Frauen spricht sogar etwas Englisch.

Nach dem Essen bleiben wir allein in „Schopan Ata“ zurück, da die Gruppe weiter fährt. Mit dem Hinweis, hier nicht zu fotografieren, verabschieden sie sich von uns.

Ganz ruhig ist es mit einem Mal, als wir in Richtung der Kultstätten laufen. Bis plötzlich ein junger Kasache mit seiner Mutter hinter uns auftaucht und uns im Schlepptau mit sich nimmt. Das ist ein wundervoller Zufall, da er sich bestens mit den Bräuchen auskennt und dazu noch Englisch sprechen kann. Er erzählt, dass dieser Platz ein Kraft- und Energieort ist, zu dem die Menschen kommen, um für Gesundheit, Streitschlichtung, gegen Kinderlosigkeit oder die Erfüllung von Wünschen zu beten. Wichtig ist, jedes Tor und jeden Eingang zuerst mit dem rechten Fuß zu übertreten und beim Herausgehen rückwärts mit dem linken Fuß zuerst nach draußen zu steigen. So finden wir uns in Meditationshöhlen wieder, die in den Stein gehauen wurden. In der Mitte des Raumes steht jeweils ein nach oben gerichteter Holzpfahl, den man bittend drei Mal umrundet. Einem genau vorgeschriebenen Weg folgend, gehen wir weiter zu einem Brunnen, der hier mitten in der Wüste Wasser in sich birgt. Es ist heilig und förderlich für die Gesundheit. Wir nehmen mutig auch einen Schluck davon. Irgendwie fühlt es sich für mich in dem Moment richtig an, auch davon zu trinken. Am Ende des Weges finden wir uns wieder in dem Raum in welchem wir schon zu Beginn Brot und Tee gereicht bekamen. Nun begreifen wir, dass wir mit dem Ende der Zeremonie begonnen hatten. Wir lassen uns erklären, dass wir zuerst Brot, dann Tee und weitere sieben Dinge, wie Plätzchen, zu uns nehmen müssten, um der Tradition zu folgen. Da sind sie wieder, die sieben Dinge, die wir schon in Iran zum Neujahr kennen gelernt haben. Generell sprechen die Menschen hier den ungeraden Zahlen eine positive Wirkung zu. Ich bin sehr beeindruckt von dem Ort und seiner Wirkung auf mich. Irgendwie fühlt es sich wie eine Fügung für mich an. Am Vormittag ging es mir mental nicht besonders gut und nun sind wir an diesem Ort. Es scheint so gewollt zu sein. Ich habe das Gefühl, wieder mehr Zuversicht, Kraft und Mut in mir zu tragen.
Wir verabschieden uns von dem Kasachen und seiner Mutter. Vielleicht treffen wir sie ja in „Beket Ata“ wieder. Dieser heilige Ort liegt 75 Kilometer weiter in der Wüste.
„Beket Ata“ ist als Pilgerstätte moderner ausgebaut. Zu einem Jubiläum von „Beket“ wurde hier alles modernisiert. Für den Präsidenten Kasachstans ist sogar ein Hubschrauberlandeplatz eingerichtet worden. „Beket“ war ein Mann mit übernatürlichen Kräften, der vor gut 250 Jahren hier lebte und auch an diesem Ort verstarb. Eine ungefähr eineinhalb Kilometer lange Treppe führt uns in den Canyon hinein, in dessen Tiefe die Meditationshöhle liegt. Wir haben tatsächlich unsere Begleiter vom Mittag wieder getroffen und gehen den Weg gemeinsam. Der Ablauf ähnelt dem in „Schopan Ata“ und kommt mir nun schon etwas vertrauter vor. So kann ich mich noch mehr in das Erleben hinein begeben. Ich finde es schön, zwei Einheimische an der Seite zu haben. Dadurch empfinde ich mich mehr mittendrin als nur Betrachter zu sein. Nach der Meditationshöhle steigen wir zu einem Wasserloch auf, welches den Augen gut tut. Danach gehen wir weiter zum heiligen Brunnen. Unsere Beiden füllen hier Wasserflaschen für zu Hause auf. Sowohl zum Trinken als auch zum Waschen, wenn es ihnen nicht gut geht, wie sie erzählen. Der Aufstieg aus dem Canyon ist lang und für viele hier bestimmt nicht leicht zu nehmen. Doch ich bin mir sicher, dass es Teil des Pilgerns ist, nicht alles auf einfache Art zu erlangen. Früher war auch der Weg hierher ein tagelanger Fußmarsch oder Ritt mit dem Esel. Heute legen die Strecke Autos zurück. Wir runden die Zeremonie für uns wieder mit Brot und Tee ab, bevor wir uns von unseren Begleitern verabschieden. Sie werden noch bis nachts 2.00 Uhr hier bleiben, so will es die Tradition. Wir hingegen fahren noch ein Stück, um für die Nacht einen Schlafplatz am Rande des Canyons zu finden.

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