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Straßenzirkus / Street Circus

08.11.2015 Battambang / Kambodscha / N13°06’05.4“ E103°12’02.3“

Thunfisch mit Zwiebelwürfeln und Tomatenstücken. Dazu Zitrone, Knoblauch, Pfeffer und Salz. Das Ganze verrührt und auf Toast gelegt. Ich gebe zu, dass mich meine Innerlichkeit inzwischen zieht und zieht, wenn es darum geht, Heimisches zu essen. Ich bekomme mehr und mehr Sehnsucht nach dem Geschmack meiner Heimat, male mir aus, was ich kochen würde, käme ich jetzt nach Hause. Was für ein Frühstücks Schmaus im Schatten der kleinen Tropenlaube?! Wie kommen wir dazu am Rand eines kleinen Sees zu sitzen, von Ventilator Luft gekühlt, als seien wir dem Himmelreich auf Erden nahe?
Kurz vor dem Hereinbrechen der Dunkelheit zählt an jedem unserer Tage aufs Neue der Countdown in rasender Geschwindigkeit. Die Einheit ist das Licht, was sinkt. In den Sommermonaten entspannt bis zweiundzwanzig Uhr der Sonne entgegen gezwinkert, demonstriert die Nacht nun um achtzehn Uhr, was sie unter „Pechschwarz“ versteht. Dann bestehen Rechts und Links des Weges einfach aus einem großen Nichts. Es ist wie die Fahrt durch nen unbeleuchteten Tunnel. Die lichthungrige Nacht verschlingt jeden noch so kleinen Funken. Ist es das Licht, mit dem sie die Sterne nährt, als hätte sie ihre Jungen zu versorgen? In dieser Vorstellung nehme ich es gern in Kauf, leicht unruhig zu werden, wie an jedem Abend, bevor wir unseren Motor abschalten und sagen: „Na, hier ist es doch sehr schön!“. Die Türkei hatte ihre langen einsamen Strände, die es uns leicht machten einen Platz für die Nacht zu finden. In Iran waren wir zumeist Gäste in Familien oder genossen die weite Sandwüste. Usbekistan, Kirgistan, Kasachstan, Russland und die Mongolei sind das Paradies für uns und unseren Leo, wenn es darum ging in der Unendlichkeit der Landschaften ein kleines Stück Raum zu finden, welches uns für die Nacht aufnahm. China überraschte uns mit dem ganzen Gegenteil. Dort schätzten wir uns glücklich, wenn es irgendwie gelang, am Rande der stark befahrenen Straße gerade stoppen zu können. Eines der größten Länder der Erde. Doch ohne Platz. Hier in Südostasien ist es mitunter das Wasser, welches uns auf den schmalen Wegen hält, und länger suchen lässt. Die Regenzeit hat die gesamte Region in ein überdimensionales Schwemmland verwandelt. Die Reisbauern, Fischer und Moskitos freut es. Leo bedauert manchmal, kein Boot geworden zu sein.
Ich setze meinen 360 Grad Blick auf, um mir keinen noch so kleinen Weg entgehen zu lassen, der uns heute zu unserem Schlafplatz führen könnte. Eine kleine lauschige Hütte fällt auf meine Netzhaut. Dahinter ein See. Davor, Platz für Leo. Blöd nur, dass es IN einem Grundstück ist, dieses Kleinod der Vollkommenheit. Doch die Not der Nacht macht uns mutig. Mit unserem in Khmer-Sprache geschriebenen Erklärzettel in der Hand fragen wir den Besitzer des Grundstücks. Er ist Arzt für Malaria Patienten und freut sich, uns für diese Nacht als seine Gäste aufzunehmen. Schwere Holzmöbel und zwei Ventilatoren werden heran geschafft. Die Frauen kommen, um den Boden zu wischen. Was ist das wieder für eine Begegnung. Zufall? Wir genießen stumm und lächeln.
Wieder auf der Straße, begegnen wir dem pulsierenden Leben. Das ist voll gepackt, einem Balanceakt gleich. Die Menschen hier sind die Meister des Transports. Kein Karren ist zu klein, kein Moped zu zierlich, um nicht das Vielfache an Gewicht aufzustapeln. Die Fahrt über Kambodschas Straßen ist für mich wie das Sitzen in einer Akrobatikvorführung. Seiltänzer des Straßenrands. Demonstration der Gelassenheit. Im Gleichgewicht der Kräfte. Das kleine Kindchen, welches gerade gelernt hat zu sitzen, weiß, wie es sich an seiner Mama festhalten muss, um nicht hinten über zu kippen. Geturnt wird während der Fahrt. Selbst wenn vier Leute auf dem schmalen Sattel Platz genommen haben. Bambusstangen, auf der Straße schleifend, Schweine, die mit den Beinen wackeln, Stühle, Möbel, alles Undenkbare wird auf waghalsige Art transportiert, und reist winkend von A nach B. Nicht mit nem Leih-Lieferwagen oder einem Transportservice mit Latzhosenfahrer. Genommen wird, was da ist. Das Leben hier. Nicht leicht, aber einfach. Zirkus auf der Straße.
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