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Tanzstunde in China / Dance hour in China

04.09.2015 Pingyao / China / N37°11’38.4“ E112°10’35.6“

In einer puppenkleinen Gusskanne übergießt er pausenlos irgendwelche Kräuter und nussähnliche Früchte mit kochendem Wasser. Den würzig kräftigen Tee bekommen wir in drei mal zwei Zentimeter großen Schälchen gereicht. Es ist dunkel. Kurz vor Mitternacht. Das Licht der vorbei fahrenden Autos und Rikschas erhellt ab und an unsere kleine Szene. Wir sitzen mit einem chinesischen Paar am Rand eines großen Parkplatzes. Die zwei sind mit ihrem Karavan unterwegs. Quasi als Touristen im eigenen Land. Wir reden miteinander. Mittler unseres Gespräches ist das Smartphone. Der Mann gibt chinesische Sätze ein, die wir dann brockenhaft auf Englisch hören. Daraufhin nicken wir, schütteln den Kopf oder machen eine abwägende Geste. Unterhaltungen zu führen ist in China noch einmal eine ganz andere Nummer. Dem Klang der chinesischen Sprache können wir überhaupt nicht entnehmen worum es gehen könnte. Wir spüren nicht einmal, ob es gerade etwas Fröhliches oder Ernstes ist, was besprochen wird. Dazu kommt, das die Gestensprache sich mitunter von unseren Gewohnheiten zu unterscheiden scheint. So dass auch dieses Mittel weitestgehend ausfällt. Nun, wenn das Telefon gerade nichts sagt, dann sitzen wir auch mal still nebeneinander, trinken den leckeren Tee und lächeln uns einfach an. Unser Parkplatz ist in der Stadt Pingyao. Sie ist eine der Besterhaltensten im ganzen Land. Ihre sechs Kilometer lange, noch vollständige Stadtmauer stammt aus dem Jahr 1370. Wir bekommen ein Gefühl des alten Chinas. Wir sehen Menschen schwatzend vor ihren Häusern sitzen, Handwerker die Zucker kneten oder Kämme sägen, Frauen, die eigenwillig aussehende Dinge auf offenem Feuer vor sich hin köcheln lassen. Sie tun das vor den gräulichen Holz-Fassaden der wundervoll verzierten Häuser, Türme, Hinterhöfe und Gassen. Es ist wie eine Zeitreise die wir beim Laufen durch die Gassen erleben. Der Stadt mit ihren 30.000 Einwohnern, ist es gelungen, das Alte alt sein zu lassen, ohne dass es vollends kaputt ging und ohne es so sehr zu Erneuern dass es seinen Charme verloren hätte. Details über Details. Ich kann mich nicht satt sehen und bin doch komplett gesättigt. Denn das Essen schmeckt köstlich. An jeder Ecke gibt es etwas auszuprobieren. Manches davon verspeisen wir nur mit den Augen, an anderes wagen wir uns kostend heran. Wir haben gelernt was es heißt mit den Fingern „zwei Stück“ zu bestellen. Machten wir es auf unsere in Deutschland übliche Art mit Zeigefinger und Daumen, bekamen wir immer acht Stück von dem was wir eigentlich nur mal probieren wollten. Zeigefinger und Mittelfinger muss man nach oben halten, dann haut das hin mit der Bestellung von zwei Köstlichkeiten. Die Stadt ist für uns die Rahmung, die Menschen sind die Akteure. Wie sie da in Paaren tanzend über den Platz schweben ist eine Herzensfreude. Ein Aufpasser ist auch dabei. Doch das scheint der Leichtigkeit keinen Abbruch zu tun. Aus einem Lautsprecher heraus singt die chinesische Stimme und alle wissen was zu tun ist. Am heller lichten Tag, Freitagnachmittag in China. Tanzstunde.

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