Verflochten / Intertwined
11.12.2015 Khok Klo / Thailand / N08°15’21.6“ E098°16’49.1“
Zwei Nächte wollten wir bleiben. Elf sind es mit einem Mal geworden. Das Resort „Khanom Hill“ ist für uns wie zu einem kleinen zu Hause geworden. Genau der Ort, um sich entspannt auszustrecken und mit dem Verdauen zu beginnen, was wir da elf Monate lang in uns hinein gefuttert haben. Schwere Brocken sind darunter. Da ist ne Menge Verdauungssaft von Nöten. Uns ist, als bräuchten wir drei weitere Mägen, um den Brei der Unglaublichkeiten auch nur annähernd verarbeiten zu können. Begreifen, was geschah, ist schwer. Selbst schon für uns. Wie sollen uns dann andere verstehen? So viel Leben ist in uns. So viele Geschichten sind durch unsere Empfindungen gewandert. Das ruft nach Ruhe. Das nimmt sich Raum. Anderen Reisenden von uns zu erzählen fällt leicht. Wir genießen das uns Mitteilen und Zuhören in diesen Tagen. Da gibt es viel Gemeinsamkeit, die sich wie automatisch teilt und mitteilt. Und zu Hause? Fast „fremdele“ ich ein wenig. Als sei ich ein drei Monate altes Kind. Lasse mich gerade nur von Mama hoch heben. In meinem Fall ist „Mama“ die Welt hier draußen geworden, die mir vertraut und nah gerückt ist, wie ich es niemals für möglich gehalten habe. Wo fange ich später an zu erzählen? Oder bleibe ich erst mal still? Will niemanden zuschütten mit meinem Zeug. Zu wertvoll ist mir, was ich sah. Vielleicht stellt irgendjemand ne konkrete Frage? Und ich bekomme Lust mich hinzuzusetzen und beginne zu erzählen? Vielleicht dauert alles. Nichts überhasten. Alles zu seiner Zeit. „Go with the flow“. Auch im hektischen Deutschland. Oh man bin ich gespannt!
Straßen sind gesperrt. Im ganzen Land. Polizei ist im Einsatz. Da können sich die Ampeln heute aber mal abstrampeln wie sie wollen mit ihrem Rot und Gelb und Grün und Pfeile rechts, Pfeile links. Keinen Menschen interessiert das. Die Trillerpfeifen und Sonnenbrillen der Ordnungshüter haben das Sagen. Da bekomme ich schon mal nen mahnenden Blick vom Polizisten zugeworfen, wenn mein angewinkeltes, nacktes Bein im Leo-Fenster zu sehen ist. „Doch nicht am Tag des Königs Events!“ Und Sten hat schleunigst die Kreuzung zu räumen. Rumbummeln ist nicht. Sonst geht es raus aufs Rad! Sechshunderttausend Menschen in ganz Thailand steigen heute auf ihre Räder. Die Omi vielleicht nur für fünf Kilometer. Die Frauen mit ihren Hidschabs, der muslimischen Kopfbedeckung, und nem Fahrradhelm obenauf, fahren auch mehr. Einige wenige gönnen sich ne zweihunderter Distanz. Doch die Länge der Strecke ist egal. Das Gemeinschaftsgefühl ist, was zählt. Einhunderttausend Radler waren es allein in Bangkok. Vierundachtzig Straßen wurden dort für die neunundzwanzig Kilometer durch die Stadt gesperrt. Der Kronprinz führte das gelbe Rudel an. „Bike For Dad“ ist das Motto, welches die Massen heute mobilisiert. Ein gesundes, mobiles Volk. Darum geht es, anlässlich des 88. Geburtstags seiner Majestät König Bhumibol Adulyadej. Selbst in Frankfurt hat das Königliche Thailändische Generalkonsulat zur fünf Kilometer Radtour geladen. Würde mich glatt interessieren, wie viele dort gekommen sind.
Ich werde zwischen die Gruppen der gelb Gekleideten gestellt. Bestimmt ein lustiges Bild, was wir Frauen da abgeben. Die einen mit Helm, die anderen mit Hidschab und ich daneben. Als Glücksbringer der ganzen Gruppe. Wäre tatsächlich gern ein Ründchen mitgefahren. Na, hab wenigstens mal nen Lenker gehalten.
Abends mag ich meine Haare nicht kämmen. Sie sind geflochten. Als Andenken. Heute Morgen beim Frühstück kam meine Resort-Freundin, nachdem sie uns den Kaffee und die gebratenen Eier serviert hat, mit Kamm und Gummis in Händen und fing an mir die Haare zu flechten. „For you“, „My present“ war alles was sie sagte und legte los. Wie geht das nur? So nah, so vertraut, so selbstverständlich. Mit ganz wenigen Worten. Einfach von Herz zu Herz. Super pathetisch und trotzdem wahr. Ich fühle mich verwoben mit ihr. Auf eine geheimnisvolle, stille Weise.
Mehr Bilder hier/ More pictures here