Waschtag / Washing day
16.06.2015 Almaty / Kasachstan / N43°14’37.5“ E076°56’13.5“
Staubige Straße. Viel Platz zum Stehen haben wir nicht. Direkt neben uns geht es steil bergab. Autos brausen stadteinwärts. Mehr Betrieb ist in der entgegengesetzte Richtung. Feierabendverkehr. Die Fahrer haben die Sonnenblenden herunter geklappt, die Fenster weit geöffnet. Mit jedem Fahrzeug wird für den Bruchteil eines Momentes ein neuer Fetzen Musik zu uns geschlenkert.
Sten steht am Straßenrand. Die große Tasche mit unserer Wäsche über den Arm gehängt. Heute ist Waschtag bei uns. Alle vier Wochen versuchen wir jemanden zu finden, bei dem wir unsere Wäsche in die Maschine werfen können. Trampen ist hier vollkommen üblich. Im ganzen Land bewegen sich die Menschen auf diese Weise vorwärts. Manchmal halten Sammeltaxis, Richtungstaxis, Schwarztaxis oder legale Taxis. Irgendwas klappt immer. Wir haben uns inzwischen daran gewöhnt, einfach an die Straße zu treten und den Arm ganz leicht nach unten, auf sieben Uhr, zu halten.
Heute dauert es länger und wir überlegen gerade, wie wir uns strategisch günstiger stellen könnten, so dass die Autos überhaupt ne Möglichkeit zum Anhalten haben. Doch das ist irgendwie schon wieder viel zu europäisch gedacht. Im nächsten Augenblick hält ein kleines altes weißes Auto um uns mitzunehmen, und alle anderen müssen eben aufpassen und drum herum fahren. Mit Roman und Irina sind wir verabredet. Sie sind vor kurzem in ihre neue Wohnung eingezogen. Wohnungen werden hier gekauft. Mieten, das macht kaum einer. Nur dann lohnt sich der ganze Aufwand, den die beiden in die Renovierung gesteckt haben. Der Fahrer des kleinen weißen Autos telefoniert ein paar Mal mit Irina, um erst die Richtung, dann die Adresse zu finden. Freudig wedelt er beim Fahren mit den Geldscheinen die wir ihm gegeben haben. „Kuschatch“, sagt er und lacht. „Essen“ heißt das. Sieben Kinder hat er zu versorgen, fünf davon sind noch klein. Unser Geld deckt heute offensichtlich den Tisch der Familie.
Er kennt sich aus in der Stadt. Über Schleichwege sind wir schneller an unserem Ziel als gedacht. Er winkt uns beim Aussteigen nach und auch Agatha und Irina winken. Sie schauen aus dem Fenster, damit wir wissen, wohin wir laufen müssen. Laufen, hier, wie so oft in den Städten Zentralasiens eine echte Herausforderung. Lebensgefährliche Löcher sind das, was die Treppe zusammen zuhalten scheint. Kinderbeine verschwinden darin vollkommen und unsere Füße auch. Achtsamkeit. Hier kann man sie leben. Von außen erinnert mich die ganze Wohnanlage irgendwie an meine Kindheit. Ich habe kein scharf gezeichnetes Bild im Kopf. Doch ich habe das Gefühl, diese Art von Hausfassaden zu kennen.
Da stehen wir nun mit unserer großen bunten Tasche voller schmutziger Wäsche und versuchen durch die schwere Eisentür ins Haus zu gelangen. Treppe hoch. Jeder Treppenabsatz sieht anders aus, jede Eingangstür folgt ihrem eigenen Sicherheits-Konzept. Ganz oben wohnen die Margatskayas. Die Wohnung, eine Offenbarung. Mit so viel Liebe haben es die Drei es sich hier gemütlich gemacht. Kein Vergleich zu dem, was das Haus von außen verspricht. „Alte Häuser sind billiger und vor allem sicherer“, sagt Irina. Fünf Geschosse sind die maximale Höhe und sie sind stabil, sprich mit Metallträgern, gebaut. In Erdbeben gefährdeten Gebieten mitunter das Mittel zum Überleben. Die neuen Häuser sind höher und in Windeseile hochgezogen. Erdbebenschutz steht da nicht so zur Debatte, mehr der Profil. Abend in Familie. Die Wäsche rumpelt in der Maschine, wir sitzen zusammen in der Küche. Essen, trinken, haben Spaß. Was es wohl heute Abend bei unserem Fahrer mit seinem kleinen weißen Auto und den sieben Kindern am Tisch zu essen geben wird?
Liebe Art-Kon-tor Weltreisende,
habe eben erstmalig auf Euren Blogseiten gesurft.
Herzlichen Dank für die ausführlichen Berichte und tollen Impressionen samt Bilderr.
Weiterhin eine gute unfallfreie Reise mit Grüssen aus Köln und Jena wünscht
Markus Ortlieb, DPMA Jena