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Zwischen Kamel- und Pferde-Milch / Between camel- and horse-milk

19.04.2015 Kasachstan / Aktau / N43°46’12.6“ E051°05’26.2“

Die Getriebeteile sind da! Gut verschnürt überraschen uns die Pakete am Morgen als wir die Leo-Tür aufmachen und die Teile davor liegen sehen. Janathan kam offensichtlich in der Nacht zurück, hat seine Beute abgelegt und schläft nun erst einmal. Die Männer öffnen die Päckchen und machen sich sofort ans Werk, als der Getriebespezialist erscheint. Detail für Detail fügt sich zusammen und wir können nur Daumen drückend daneben stehen. Das macht nun aber auch nicht den ganzen Tag Sinn. So hoffen wir das Beste und lassen uns erst einmal von Bibinur ablenken. Sie kommt, um mit uns im Basar einkaufen zu fahren. Unser Silk-Route-Cooking Projekt will ja weiter gehen! Die Baumarkt-Abteilung des Basars kennen wir schon. Heute stehen wir vor den Lebensmittel Hallen. Kunterbunt sind sie aufgetürmt, die frischen Früchte des Frühlings, oder auch weit gereiste Sorten, die den Sommer zum Reifen brauchen. Daneben so besondere Delikatessen, wie getrocknete Kamelmilch, die man in Kasachstan als Kraftnahrung zwischendurch isst. Wir probieren von allem was uns unbekannt erscheint. Manches finden wir lecker, bei anderem schüttelt sich unser ganzer Körper. Wenn wir zum Beispiel eine weiße Kugel in den Mund schieben, die aussieht wie ein Marshmallow, und sich dann als irgendeine streng vergorene Masse herausstellt. Wir haben unseren Spaß und ziehen von Stand zu Stand. Mal von ernsten Blicken begleitet, mal von lachenden Gesichtern verwöhnt. Unsere eigenen Gesichtszüge ziehen sich beim Probieren von „Pferdemilch“ extrem zusammen. Kein Muskel scheint mehr entspannt, so beißend schleicht der Geschmack vom Mund unsere Kehlen hinunter. Erlösung finden wir, als uns die nächste Kostprobe der „Kamelmilch“ dagegen fast wie ein leichter Shake vorkommt. Janathan schwört auf die Energie, die ihm die Pferdemilch gibt und trinkt mit zusammen gezogenen Augen gleich noch einen Becher. Bibinur und ich halten uns lieber an die Kamelmilch und daran fest, wie gut diese der Haut tut. So viel für die Gesundheit getan. Ich fühle mich frisch und fit! Aus der bunten Obst-Gemüse-Käse Abteilung schlendern wir weiter zum Fleisch. Uff. Das ist nenne ich einen Kontrast! Fleischbatzen, Fettberge, Innereienhaufen, Zungenbündel soweit ich sehen kann. Und ehrlich, so etwas habe ich noch nie gesehen. Fleisch, Fleisch, Fleisch, bis zum Horizont. Zwischen „super interessant“ und „zu viel des Guten“ pendeln meine Gedanken hin und her. Mein Magen verhält sich zum Glück ruhig und so staune ich einfach vor mich hin. Unser Korb ist voll und wir haben alle Zutaten zusammen, die wir zum Kochen brauchen. Drei Gänge, hat sich Bibinur ausgedacht, soll es geben. Der Nachmittag steht ganz im Zeichen des Teig Knetens. Teig kneten für das Brot, welches wir backen. Teig kneten für die gefüllten Taschen, die durch den Dampfgarer ihren Geschmack entfalten. Teig kneten für den Kuchen, den es als Nachtisch geben wird. Dazwischen springen alle drei Kinder munter umher und überraschen immer einmal wieder mit einem schwarzen Gesicht, dicken Tränen, einer Komplettverkleidung oder einem gemalten Bild. Lustig, turbulent und in jeder Sekunde neu geht es zu, in der 200 qm großen Wohnung mit Blick auf das Kaspische Meer. Wir schlemmen uns durch den Tag und probieren weiter, was uns vor die Nasen gestellt wird. Fast trauen wir uns nur zu flüstern, als wir vom Stör kosten. Geräuchert und gefroren. Zubereitet wie ein Rind-Carpaccio, wird das Störfleisch in dünne Scheiben geschnitten. Wir essen es zusammen mit einem Sahnedipp und dem frisch gebackenem Brot. Die Konsistenz ist fest. Und ich bin mir fast nicht sicher, ob ich gerade Fisch oder Fleisch im Mund habe. Es ist wie eine Mischung aus beidem. Nun, es ist ja auch ein Fisch mit Knochen. Einzigartig, was die Welt hervor bringt! Die Sonne verabschiedet sich mit ihrem warmen, gelben Licht und mit Einbruch der Dunkelheit kommen wir alle zusammen, um gemeinsam zu essen. Wie anders die gedeckten Tische immer wieder aussehen, an denen wir Platz nehmen. Ich bin verzückt von der Vielfalt und Eigenständigkeit der unterschiedlichen Weisen zu kochen und liebe es, eine Spur davon mit uns ziehen zu lassen. Das Rühren und Schneiden und Kosten und Erklären erzeugt Nähe und bringt so viel Persönliches zum Vorschein. Ich bade in diesem Gefühl des gemeinsamen Erlebens und weiß nicht wohin mit meiner Freude, als wir alle gemeinsam essen, was im stundenlangen Zubereiten von Bibinur gezaubert wurde.

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